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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
war sie wenigstens in dem Maße gebräuchlich, daß sie die Auf-
merksamkeit eines Satirikers erregte. "Wenn sie ausreiten",
sagt er von seinen Landsmänninnen, "haben sie Masken oder
Larven von Sammet, mit Löchern vor den Augen, aus denen sie
herausschauen, sodaß ein Mann, wenn er ihre Gestalt nicht ken-
nen würde, denken möchte, er begegne einem Ungeheuer oder
Teufel."

In England fällt die Herrschaft der spanischen Tracht mit
der Regierung der Königin Elisabeth (1558--1603) zusammen,
nachdem die Verbindung ihrer Vorgängerin Maria mit Philipp
II. jedenfalls Vorschub geleistet hatte. Es giebt Bilder der Eli-
sabeth aus ihrer Jugendzeit, auf welchen sie wenigstens halb de-
colletirt ist, wie sie auch in späterem Alter als jungfräuliche Kö-
nigin wieder that; im Allgemeinen aber können sich die Englän-
der ihre "gute Königin Bess" nicht ohne eine ungeheure Rad-
krause denken. Sie war sehr eitel und hielt daher wie auf die
ausgesuchteste Etiquette und sublimste Artigkeit ihrer stets ver-
liebten Unterthanen, so auch auf eine gewählte und kostbare Toi-
lette. Bei ihrem Tode belief sich ihr Kleidervorrath auf 3000
Stück. Als sie einst dem französischen Gesandten Marschall Bi-
ron Audienz gab, trug sie ein Kleid, an welchem nicht weniger
als hundert Personen drei Wochen lang gearbeitet hatten. Die
Aechtheit ihres rothblonden Haares wurde vielen Zweifeln unter-
zogen, indessen wissen wir, daß es eben in jener Zeit Mode war
bei den erhöhten Frisuren fremde Haare einzuflechten, ohne daß
man grade aus der Unächtheit einen Vorwurf machte.

Die Engländer und Engländerinnen erfreuten sich damals
in Anbetracht ihres Aeußeren eines guten Rufes in der Welt;
es hieß von ihnen, sie gingen stolz und prächtig und zeigten ihren
Reichthum, obwohl sie von Uebertreibungen nicht freizusprechen
sind und keinerlei Erfindungsgabe in dieser Zeit bewähren. Ein
Florentiner, also gewiß ein competenter, wenigstens unparteii-
scher Richter, urtheilt von ihnen also: "Die Frauen stehen in
Hinsicht auf Schönheit, Anmuth, Kleidung und gute Sitten den
Sieneserinnen oder den geachtetsten Italiens nicht nach. Männer

III. Die Neuzeit.
war ſie wenigſtens in dem Maße gebräuchlich, daß ſie die Auf-
merkſamkeit eines Satirikers erregte. „Wenn ſie ausreiten“,
ſagt er von ſeinen Landsmänninnen, „haben ſie Masken oder
Larven von Sammet, mit Löchern vor den Augen, aus denen ſie
herausſchauen, ſodaß ein Mann, wenn er ihre Geſtalt nicht ken-
nen würde, denken möchte, er begegne einem Ungeheuer oder
Teufel.“

In England fällt die Herrſchaft der ſpaniſchen Tracht mit
der Regierung der Königin Eliſabeth (1558—1603) zuſammen,
nachdem die Verbindung ihrer Vorgängerin Maria mit Philipp
II. jedenfalls Vorſchub geleiſtet hatte. Es giebt Bilder der Eli-
ſabeth aus ihrer Jugendzeit, auf welchen ſie wenigſtens halb de-
colletirt iſt, wie ſie auch in ſpäterem Alter als jungfräuliche Kö-
nigin wieder that; im Allgemeinen aber können ſich die Englän-
der ihre „gute Königin Beſſ“ nicht ohne eine ungeheure Rad-
krauſe denken. Sie war ſehr eitel und hielt daher wie auf die
ausgeſuchteſte Etiquette und ſublimſte Artigkeit ihrer ſtets ver-
liebten Unterthanen, ſo auch auf eine gewählte und koſtbare Toi-
lette. Bei ihrem Tode belief ſich ihr Kleidervorrath auf 3000
Stück. Als ſie einſt dem franzöſiſchen Geſandten Marſchall Bi-
ron Audienz gab, trug ſie ein Kleid, an welchem nicht weniger
als hundert Perſonen drei Wochen lang gearbeitet hatten. Die
Aechtheit ihres rothblonden Haares wurde vielen Zweifeln unter-
zogen, indeſſen wiſſen wir, daß es eben in jener Zeit Mode war
bei den erhöhten Friſuren fremde Haare einzuflechten, ohne daß
man grade aus der Unächtheit einen Vorwurf machte.

Die Engländer und Engländerinnen erfreuten ſich damals
in Anbetracht ihres Aeußeren eines guten Rufes in der Welt;
es hieß von ihnen, ſie gingen ſtolz und prächtig und zeigten ihren
Reichthum, obwohl ſie von Uebertreibungen nicht freizuſprechen
ſind und keinerlei Erfindungsgabe in dieſer Zeit bewähren. Ein
Florentiner, alſo gewiß ein competenter, wenigſtens unparteii-
ſcher Richter, urtheilt von ihnen alſo: „Die Frauen ſtehen in
Hinſicht auf Schönheit, Anmuth, Kleidung und gute Sitten den
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[108/0120] III. Die Neuzeit. war ſie wenigſtens in dem Maße gebräuchlich, daß ſie die Auf- merkſamkeit eines Satirikers erregte. „Wenn ſie ausreiten“, ſagt er von ſeinen Landsmänninnen, „haben ſie Masken oder Larven von Sammet, mit Löchern vor den Augen, aus denen ſie herausſchauen, ſodaß ein Mann, wenn er ihre Geſtalt nicht ken- nen würde, denken möchte, er begegne einem Ungeheuer oder Teufel.“ In England fällt die Herrſchaft der ſpaniſchen Tracht mit der Regierung der Königin Eliſabeth (1558—1603) zuſammen, nachdem die Verbindung ihrer Vorgängerin Maria mit Philipp II. jedenfalls Vorſchub geleiſtet hatte. Es giebt Bilder der Eli- ſabeth aus ihrer Jugendzeit, auf welchen ſie wenigſtens halb de- colletirt iſt, wie ſie auch in ſpäterem Alter als jungfräuliche Kö- nigin wieder that; im Allgemeinen aber können ſich die Englän- der ihre „gute Königin Beſſ“ nicht ohne eine ungeheure Rad- krauſe denken. Sie war ſehr eitel und hielt daher wie auf die ausgeſuchteſte Etiquette und ſublimſte Artigkeit ihrer ſtets ver- liebten Unterthanen, ſo auch auf eine gewählte und koſtbare Toi- lette. Bei ihrem Tode belief ſich ihr Kleidervorrath auf 3000 Stück. Als ſie einſt dem franzöſiſchen Geſandten Marſchall Bi- ron Audienz gab, trug ſie ein Kleid, an welchem nicht weniger als hundert Perſonen drei Wochen lang gearbeitet hatten. Die Aechtheit ihres rothblonden Haares wurde vielen Zweifeln unter- zogen, indeſſen wiſſen wir, daß es eben in jener Zeit Mode war bei den erhöhten Friſuren fremde Haare einzuflechten, ohne daß man grade aus der Unächtheit einen Vorwurf machte. Die Engländer und Engländerinnen erfreuten ſich damals in Anbetracht ihres Aeußeren eines guten Rufes in der Welt; es hieß von ihnen, ſie gingen ſtolz und prächtig und zeigten ihren Reichthum, obwohl ſie von Uebertreibungen nicht freizuſprechen ſind und keinerlei Erfindungsgabe in dieſer Zeit bewähren. Ein Florentiner, alſo gewiß ein competenter, wenigſtens unparteii- ſcher Richter, urtheilt von ihnen alſo: „Die Frauen ſtehen in Hinſicht auf Schönheit, Anmuth, Kleidung und gute Sitten den Sieneſerinnen oder den geachtetſten Italiens nicht nach. Männer

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/120>, abgerufen am 22.11.2024.