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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
elegante Spitze zulaufend; sie bedeckten im Gegensatz zu den
breiten, welche nur Zehen und Absatz umschlossen, nunmehr wie-
der den ganzen Fuß, doch blieben die Knöchel frei. Zur Zierde
waren auch sie mit den farbigen Fleckchen besetzt. Sonst war
ihre Farbe sehr verschieden; wir sehen sie dunkel -- schwarz wohl
nur in Einstimmung zur übrigen Kleidung -- lederfarben, hell-
farbig, am feinsten und elegantesten waren sie von weißer Seide.

Das Wamms hatte sich nach dem Brustausschnitt am
Ende des funfzehnten Jahrhunderts schon früh wieder geschlossen
und rückte nun zum Halse empor, den bunten Saum des Hem-
des vor sich herdrängend, wie wir das in Deutschland schon ge-
sehen haben. Als Karl V. nach seiner Kaiserwahl auf deutschem
Boden erschien, trägt er noch den Hals und etwas mehr völlig
nackt, aber nicht lange, denn er folgt ganz der spanischen Weise.
Bald ist nicht bloß das Hemd, sondern auch das Wamms am
Halse und umgiebt denselben mit einem steifen, stehenden Kra-
gen. Wie gepreßt dringt nun der Saum des Hemdes heraus
und legt sich in kleiner, einfacher oder gestickter Krause herum.
Diese wächst und indem sie sich als besonderer Kragen vom Hemde
trennt, ist ihrer Ausdehnung keine Schranke mehr gesetzt; mit
Hülfe von Stärke und Brenneisen wird sie in Ordnung gehalten
und, aus mehreren Reihen übereinander geschichteter Falten be-
stehend, wird sie um den Hals gebunden, daß sie steif und eng
unter Kinn und Ohr anschließt und den ganzen Kopf völlig um-
rahmt. Schon damals machte man den Vergleich mit dem
Haupte des Johannes auf der Schüssel der jungen Herodias.

Natürlich konnte ein solcher Kragen nicht ohne Einfluß auf
Haar und Bart bleiben, die er in ihrem Wachsthum wesent-
lich beschränkte. Ohnehin mußten auch sie die Umwandlung der
Zeit mitleidend über sich ergehen lassen. Nicht einmal die Kolbe
war kurz genug, wieviel weniger das lange Haar des funfzehnten
Jahrhunderts, vielmehr wurde der ganze Kopf in geringer,
gleichmäßiger Kürze des Haares geschoren. Auch dem Barte
wurde durch die Krause nur eine sehr bedingte Länge gestattet,
und der Spanier hielt ihn rund um Kinn und Wangen in einer

III. Die Neuzeit.
elegante Spitze zulaufend; ſie bedeckten im Gegenſatz zu den
breiten, welche nur Zehen und Abſatz umſchloſſen, nunmehr wie-
der den ganzen Fuß, doch blieben die Knöchel frei. Zur Zierde
waren auch ſie mit den farbigen Fleckchen beſetzt. Sonſt war
ihre Farbe ſehr verſchieden; wir ſehen ſie dunkel — ſchwarz wohl
nur in Einſtimmung zur übrigen Kleidung — lederfarben, hell-
farbig, am feinſten und eleganteſten waren ſie von weißer Seide.

Das Wamms hatte ſich nach dem Bruſtausſchnitt am
Ende des funfzehnten Jahrhunderts ſchon früh wieder geſchloſſen
und rückte nun zum Halſe empor, den bunten Saum des Hem-
des vor ſich herdrängend, wie wir das in Deutſchland ſchon ge-
ſehen haben. Als Karl V. nach ſeiner Kaiſerwahl auf deutſchem
Boden erſchien, trägt er noch den Hals und etwas mehr völlig
nackt, aber nicht lange, denn er folgt ganz der ſpaniſchen Weiſe.
Bald iſt nicht bloß das Hemd, ſondern auch das Wamms am
Halſe und umgiebt denſelben mit einem ſteifen, ſtehenden Kra-
gen. Wie gepreßt dringt nun der Saum des Hemdes heraus
und legt ſich in kleiner, einfacher oder geſtickter Krauſe herum.
Dieſe wächſt und indem ſie ſich als beſonderer Kragen vom Hemde
trennt, iſt ihrer Ausdehnung keine Schranke mehr geſetzt; mit
Hülfe von Stärke und Brenneiſen wird ſie in Ordnung gehalten
und, aus mehreren Reihen übereinander geſchichteter Falten be-
ſtehend, wird ſie um den Hals gebunden, daß ſie ſteif und eng
unter Kinn und Ohr anſchließt und den ganzen Kopf völlig um-
rahmt. Schon damals machte man den Vergleich mit dem
Haupte des Johannes auf der Schüſſel der jungen Herodias.

Natürlich konnte ein ſolcher Kragen nicht ohne Einfluß auf
Haar und Bart bleiben, die er in ihrem Wachsthum weſent-
lich beſchränkte. Ohnehin mußten auch ſie die Umwandlung der
Zeit mitleidend über ſich ergehen laſſen. Nicht einmal die Kolbe
war kurz genug, wieviel weniger das lange Haar des funfzehnten
Jahrhunderts, vielmehr wurde der ganze Kopf in geringer,
gleichmäßiger Kürze des Haares geſchoren. Auch dem Barte
wurde durch die Krauſe nur eine ſehr bedingte Länge geſtattet,
und der Spanier hielt ihn rund um Kinn und Wangen in einer

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[88/0100] III. Die Neuzeit. elegante Spitze zulaufend; ſie bedeckten im Gegenſatz zu den breiten, welche nur Zehen und Abſatz umſchloſſen, nunmehr wie- der den ganzen Fuß, doch blieben die Knöchel frei. Zur Zierde waren auch ſie mit den farbigen Fleckchen beſetzt. Sonſt war ihre Farbe ſehr verſchieden; wir ſehen ſie dunkel — ſchwarz wohl nur in Einſtimmung zur übrigen Kleidung — lederfarben, hell- farbig, am feinſten und eleganteſten waren ſie von weißer Seide. Das Wamms hatte ſich nach dem Bruſtausſchnitt am Ende des funfzehnten Jahrhunderts ſchon früh wieder geſchloſſen und rückte nun zum Halſe empor, den bunten Saum des Hem- des vor ſich herdrängend, wie wir das in Deutſchland ſchon ge- ſehen haben. Als Karl V. nach ſeiner Kaiſerwahl auf deutſchem Boden erſchien, trägt er noch den Hals und etwas mehr völlig nackt, aber nicht lange, denn er folgt ganz der ſpaniſchen Weiſe. Bald iſt nicht bloß das Hemd, ſondern auch das Wamms am Halſe und umgiebt denſelben mit einem ſteifen, ſtehenden Kra- gen. Wie gepreßt dringt nun der Saum des Hemdes heraus und legt ſich in kleiner, einfacher oder geſtickter Krauſe herum. Dieſe wächſt und indem ſie ſich als beſonderer Kragen vom Hemde trennt, iſt ihrer Ausdehnung keine Schranke mehr geſetzt; mit Hülfe von Stärke und Brenneiſen wird ſie in Ordnung gehalten und, aus mehreren Reihen übereinander geſchichteter Falten be- ſtehend, wird ſie um den Hals gebunden, daß ſie ſteif und eng unter Kinn und Ohr anſchließt und den ganzen Kopf völlig um- rahmt. Schon damals machte man den Vergleich mit dem Haupte des Johannes auf der Schüſſel der jungen Herodias. Natürlich konnte ein ſolcher Kragen nicht ohne Einfluß auf Haar und Bart bleiben, die er in ihrem Wachsthum weſent- lich beſchränkte. Ohnehin mußten auch ſie die Umwandlung der Zeit mitleidend über ſich ergehen laſſen. Nicht einmal die Kolbe war kurz genug, wieviel weniger das lange Haar des funfzehnten Jahrhunderts, vielmehr wurde der ganze Kopf in geringer, gleichmäßiger Kürze des Haares geſchoren. Auch dem Barte wurde durch die Krauſe nur eine ſehr bedingte Länge geſtattet, und der Spanier hielt ihn rund um Kinn und Wangen in einer

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/100>, abgerufen am 28.11.2024.