Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen. schlossen am Gehen gehindert sind. Auch setzen sie denselben vorneSchnäbel, an beiden Seiten aber Ohren an, und tragen große Sorge, daß sie sich genau dem Fuße anschließen, halten auch ihre Diener dazu an, daß sie mit besonderer Kunst den Schuhen einen spiegelhellen Glanz verleihen. Soll ich schweigen von ihren kostbaren Leintüchern und Pelzkleidern? Da unsre Vorgänger aus besonderer Nachsicht den Gebrauch von gemeinem Pelzwerk er- laubt haben, schlich sich auch hierin das Laster unnützer Pracht bei uns ein. Nun umziehen sie ihre ausländischen Pelze mit einem Saume, der zwei Spannen breit ist, und überziehen sie mit norischem Tuche. Sich leinener Betttücher zu bedienen, ist keines- wegs erlaubt, und doch haben einige pflichtvergessene Mönche auch dieses zu ihrem unnützen Aufwand hinzugethan, und da die Anzahl derselben in den verschiedenen Klöstern sehr groß war, so haben sich die wenigen Guten von den zahlreichen Bösen verlei- ten lassen. Was aber soll ich von ihren unanständigen Beinklei- dern sagen? Ihre Hosen haben eine Weite von sechs Fuß und entziehen doch wegen der Feinheit des Gewebes nicht einmal die Schamtheile den Blicken. Ein einziger ist nicht zufrieden mit einem Stück Zeug, welches für zwei vollkommen ausreichen könnte." Es ist wohl anzunehmen, daß die Mönche in diesem eitlen I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. ſchloſſen am Gehen gehindert ſind. Auch ſetzen ſie denſelben vorneSchnäbel, an beiden Seiten aber Ohren an, und tragen große Sorge, daß ſie ſich genau dem Fuße anſchließen, halten auch ihre Diener dazu an, daß ſie mit beſonderer Kunſt den Schuhen einen ſpiegelhellen Glanz verleihen. Soll ich ſchweigen von ihren koſtbaren Leintüchern und Pelzkleidern? Da unſre Vorgänger aus beſonderer Nachſicht den Gebrauch von gemeinem Pelzwerk er- laubt haben, ſchlich ſich auch hierin das Laſter unnützer Pracht bei uns ein. Nun umziehen ſie ihre ausländiſchen Pelze mit einem Saume, der zwei Spannen breit iſt, und überziehen ſie mit noriſchem Tuche. Sich leinener Betttücher zu bedienen, iſt keines- wegs erlaubt, und doch haben einige pflichtvergeſſene Mönche auch dieſes zu ihrem unnützen Aufwand hinzugethan, und da die Anzahl derſelben in den verſchiedenen Klöſtern ſehr groß war, ſo haben ſich die wenigen Guten von den zahlreichen Böſen verlei- ten laſſen. Was aber ſoll ich von ihren unanſtändigen Beinklei- dern ſagen? Ihre Hoſen haben eine Weite von ſechs Fuß und entziehen doch wegen der Feinheit des Gewebes nicht einmal die Schamtheile den Blicken. Ein einziger iſt nicht zufrieden mit einem Stück Zeug, welches für zwei vollkommen ausreichen könnte.“ Es iſt wohl anzunehmen, daß die Mönche in dieſem eitlen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0090" n="72"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.</fw><lb/> ſchloſſen am Gehen gehindert ſind. Auch ſetzen ſie denſelben vorne<lb/> Schnäbel, an beiden Seiten aber Ohren an, und tragen große<lb/> Sorge, daß ſie ſich genau dem Fuße anſchließen, halten auch<lb/> ihre Diener dazu an, daß ſie mit beſonderer Kunſt den Schuhen<lb/> einen ſpiegelhellen Glanz verleihen. Soll ich ſchweigen von ihren<lb/> koſtbaren Leintüchern und Pelzkleidern? Da unſre Vorgänger aus<lb/> beſonderer Nachſicht den Gebrauch von gemeinem Pelzwerk er-<lb/> laubt haben, ſchlich ſich auch hierin das Laſter unnützer Pracht<lb/> bei uns ein. 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Noch im Laufe des<lb/> zehnten Jahrhunderts ſcheinen ſich dieſe Thorheiten gelegt zu ha-<lb/> ben, und es mag von Einfluß darauf das Herannahen des neuen<lb/> Jahrtauſends geweſen ſein, mit deſſen Anbruch nach der allge-<lb/> meinen Ueberzeugung der Untergang der Welt eintreten ſollte,<lb/> den man freilich nur mit Bußübungen erwarten und empfangen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0090]
I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
ſchloſſen am Gehen gehindert ſind. Auch ſetzen ſie denſelben vorne
Schnäbel, an beiden Seiten aber Ohren an, und tragen große
Sorge, daß ſie ſich genau dem Fuße anſchließen, halten auch
ihre Diener dazu an, daß ſie mit beſonderer Kunſt den Schuhen
einen ſpiegelhellen Glanz verleihen. Soll ich ſchweigen von ihren
koſtbaren Leintüchern und Pelzkleidern? Da unſre Vorgänger aus
beſonderer Nachſicht den Gebrauch von gemeinem Pelzwerk er-
laubt haben, ſchlich ſich auch hierin das Laſter unnützer Pracht
bei uns ein. Nun umziehen ſie ihre ausländiſchen Pelze mit
einem Saume, der zwei Spannen breit iſt, und überziehen ſie mit
noriſchem Tuche. Sich leinener Betttücher zu bedienen, iſt keines-
wegs erlaubt, und doch haben einige pflichtvergeſſene Mönche
auch dieſes zu ihrem unnützen Aufwand hinzugethan, und da die
Anzahl derſelben in den verſchiedenen Klöſtern ſehr groß war, ſo
haben ſich die wenigen Guten von den zahlreichen Böſen verlei-
ten laſſen. Was aber ſoll ich von ihren unanſtändigen Beinklei-
dern ſagen? Ihre Hoſen haben eine Weite von ſechs Fuß und
entziehen doch wegen der Feinheit des Gewebes nicht einmal die
Schamtheile den Blicken. Ein einziger iſt nicht zufrieden mit
einem Stück Zeug, welches für zwei vollkommen ausreichen
könnte.“
Es iſt wohl anzunehmen, daß die Mönche in dieſem eitlen
Thun nicht der Welt vorangegangen ſind, ſondern von dieſer das
Beiſpiel erhalten haben — wir erinnern an das, was Dietmar
über die Frauen erzählt —, wenn ſie auch aus Veranlaſſung ihrer
beſondern Tracht in Einzelheiten, wie in der Schnürung der Taille
und in der weiten Hoſe, eine mehr originale Erfindungsgabe be-
währen. Die Synode ſetzte ihrer Eitelkeit Schranken. Wahr-
ſcheinlich iſt es anderswo ebenſo gegangen. Noch im Laufe des
zehnten Jahrhunderts ſcheinen ſich dieſe Thorheiten gelegt zu ha-
ben, und es mag von Einfluß darauf das Herannahen des neuen
Jahrtauſends geweſen ſein, mit deſſen Anbruch nach der allge-
meinen Ueberzeugung der Untergang der Welt eintreten ſollte,
den man freilich nur mit Bußübungen erwarten und empfangen
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