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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Schwankungen zwischen den nationalen und antiken Elementen.
Karl selbst hatte einen Schafspelz an von nicht viel größerem
Werth, als jener Mantel des heiligen Martin, mit welchem an-
gethan dieser mit bloßen Armen Gott das Opfer unter göttlichem
Beifall dargebracht haben soll. Die Uebrigen aber gingen, da
Festtage waren und sie grade von Padua kamen, wohin eben
Venetianer von jenseit des Meeres alle Reichthümer des Ostens
gebracht hatten, gekleidet in Häute phönizischer Vögel, -- welche
weichen Flaum hatten -- mit Seide eingefaßt, dann geziert mit
der Hals- und Rückenhaut und den Schwanzfedern der Pfauen,
und mit tyrischem Purpur oder orangefarbenen Streifen besetzt,
andre in Marder- oder Hermelinfelle gehüllt: so durchstreiften sie
den Wald, und zerfetzt von Baumzweigen und Dornen, vom
Regen durchnäßt, auch durch das Blut der Thiere und die frisch
abgezogenen Häute beschmutzt, kehrten sie zurück. Da sprach der
listige Karl: ""Keiner von uns ziehe seinen Pelz aus, bis wir
zum Schlafen gehen, damit er auf unserm Leibe besser trocknen
könne."" Nach diesem Befehl sorgte jeder mehr für seinen Leib
als sein Kleid und suchte sich überall ein Feuer, um sich zu erwär-
men. Bald aber zurückkehrend und im Dienst des Herrn bis tief
in die Nacht verweilend, wurden sie endlich nach Haus entlassen.
Und da sie nun anfingen die feinen Felle oder die noch dünneren
Seidenstoffe auszuziehen, machten sich die Brüche der Falten und
Nähte weithin hörbar, wie wenn man dürres Holz zerbricht, und
und sie seufzten und jammerten und klagten, daß sie soviel Geld
an einem einzigen Tage verloren hätten. Vom Kaiser aber erhiel-
ten sie den Befehl, sich ihm am nächsten Tage wieder in demsel-
ben Pelze vorzustellen. Das geschah, und da nun alle nicht in
schönen Gewändern glänzten, sondern von Lumpen und farbloser
Häßlichkeit starrten, so sprach der verständige Karl zu seinem Käm-
merer: ""Nimm jetzt meinen Pelz und bring' ihn uns vor
Augen."" Unversehrt und glänzend wurde er hereingebracht, und
er nahm ihn in die Hand, zeigte ihn allen Anwesenden und
sprach: ""O ihr thörichtsten aller Menschen, welches Pelzwerk ist
nun kostbarer und nützlicher, meines hier, das ich für einen Schil-
ling gekauft habe, oder eure da, welche nicht nur Pfunde, sondern

2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
Karl ſelbſt hatte einen Schafspelz an von nicht viel größerem
Werth, als jener Mantel des heiligen Martin, mit welchem an-
gethan dieſer mit bloßen Armen Gott das Opfer unter göttlichem
Beifall dargebracht haben ſoll. Die Uebrigen aber gingen, da
Feſttage waren und ſie grade von Padua kamen, wohin eben
Venetianer von jenſeit des Meeres alle Reichthümer des Oſtens
gebracht hatten, gekleidet in Häute phöniziſcher Vögel, — welche
weichen Flaum hatten — mit Seide eingefaßt, dann geziert mit
der Hals- und Rückenhaut und den Schwanzfedern der Pfauen,
und mit tyriſchem Purpur oder orangefarbenen Streifen beſetzt,
andre in Marder- oder Hermelinfelle gehüllt: ſo durchſtreiften ſie
den Wald, und zerfetzt von Baumzweigen und Dornen, vom
Regen durchnäßt, auch durch das Blut der Thiere und die friſch
abgezogenen Häute beſchmutzt, kehrten ſie zurück. Da ſprach der
liſtige Karl: „„Keiner von uns ziehe ſeinen Pelz aus, bis wir
zum Schlafen gehen, damit er auf unſerm Leibe beſſer trocknen
könne.““ Nach dieſem Befehl ſorgte jeder mehr für ſeinen Leib
als ſein Kleid und ſuchte ſich überall ein Feuer, um ſich zu erwär-
men. Bald aber zurückkehrend und im Dienſt des Herrn bis tief
in die Nacht verweilend, wurden ſie endlich nach Haus entlaſſen.
Und da ſie nun anfingen die feinen Felle oder die noch dünneren
Seidenſtoffe auszuziehen, machten ſich die Brüche der Falten und
Nähte weithin hörbar, wie wenn man dürres Holz zerbricht, und
und ſie ſeufzten und jammerten und klagten, daß ſie ſoviel Geld
an einem einzigen Tage verloren hätten. Vom Kaiſer aber erhiel-
ten ſie den Befehl, ſich ihm am nächſten Tage wieder in demſel-
ben Pelze vorzuſtellen. Das geſchah, und da nun alle nicht in
ſchönen Gewändern glänzten, ſondern von Lumpen und farbloſer
Häßlichkeit ſtarrten, ſo ſprach der verſtändige Karl zu ſeinem Käm-
merer: „„Nimm jetzt meinen Pelz und bring’ ihn uns vor
Augen.““ Unverſehrt und glänzend wurde er hereingebracht, und
er nahm ihn in die Hand, zeigte ihn allen Anweſenden und
ſprach: „„O ihr thörichtſten aller Menſchen, welches Pelzwerk iſt
nun koſtbarer und nützlicher, meines hier, das ich für einen Schil-
ling gekauft habe, oder eure da, welche nicht nur Pfunde, ſondern

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[39/0057] 2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen. Karl ſelbſt hatte einen Schafspelz an von nicht viel größerem Werth, als jener Mantel des heiligen Martin, mit welchem an- gethan dieſer mit bloßen Armen Gott das Opfer unter göttlichem Beifall dargebracht haben ſoll. Die Uebrigen aber gingen, da Feſttage waren und ſie grade von Padua kamen, wohin eben Venetianer von jenſeit des Meeres alle Reichthümer des Oſtens gebracht hatten, gekleidet in Häute phöniziſcher Vögel, — welche weichen Flaum hatten — mit Seide eingefaßt, dann geziert mit der Hals- und Rückenhaut und den Schwanzfedern der Pfauen, und mit tyriſchem Purpur oder orangefarbenen Streifen beſetzt, andre in Marder- oder Hermelinfelle gehüllt: ſo durchſtreiften ſie den Wald, und zerfetzt von Baumzweigen und Dornen, vom Regen durchnäßt, auch durch das Blut der Thiere und die friſch abgezogenen Häute beſchmutzt, kehrten ſie zurück. Da ſprach der liſtige Karl: „„Keiner von uns ziehe ſeinen Pelz aus, bis wir zum Schlafen gehen, damit er auf unſerm Leibe beſſer trocknen könne.““ Nach dieſem Befehl ſorgte jeder mehr für ſeinen Leib als ſein Kleid und ſuchte ſich überall ein Feuer, um ſich zu erwär- men. Bald aber zurückkehrend und im Dienſt des Herrn bis tief in die Nacht verweilend, wurden ſie endlich nach Haus entlaſſen. Und da ſie nun anfingen die feinen Felle oder die noch dünneren Seidenſtoffe auszuziehen, machten ſich die Brüche der Falten und Nähte weithin hörbar, wie wenn man dürres Holz zerbricht, und und ſie ſeufzten und jammerten und klagten, daß ſie ſoviel Geld an einem einzigen Tage verloren hätten. Vom Kaiſer aber erhiel- ten ſie den Befehl, ſich ihm am nächſten Tage wieder in demſel- ben Pelze vorzuſtellen. Das geſchah, und da nun alle nicht in ſchönen Gewändern glänzten, ſondern von Lumpen und farbloſer Häßlichkeit ſtarrten, ſo ſprach der verſtändige Karl zu ſeinem Käm- merer: „„Nimm jetzt meinen Pelz und bring’ ihn uns vor Augen.““ Unverſehrt und glänzend wurde er hereingebracht, und er nahm ihn in die Hand, zeigte ihn allen Anweſenden und ſprach: „„O ihr thörichtſten aller Menſchen, welches Pelzwerk iſt nun koſtbarer und nützlicher, meines hier, das ich für einen Schil- ling gekauft habe, oder eure da, welche nicht nur Pfunde, ſondern

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/57>, abgerufen am 28.03.2024.