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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Ueppigkeit der Bauern und der Modesucht der dienenden Classe,
und das erstere grade in den Gegenden, wo man den Bund-
schuh,
den über dem Fuß zusammengebundenen Schuh, des
Bauern uraltes Erbstück, auf die Stange erhob und zum Zeichen
des Aufruhrs machte. Es war im gesegneten Thale des Rheins,
im Breisgau und im Elsaß, wo sich die Vorboten des großen
Bauernkriegs zeigten. Dort sah auch Sebastian Brant mit eigenen
Augen ihren Uebermuth und ihr üppiges Leben, welches er im
Narrenschiff geisselt. Früher, sagt er, war Gerechtigkeit bei den
Bauern; da sie aus den Städten geflohen war, wollte sie einkeh-
ren in die Strohhütten. Nun aber stecken sich die Bauern in
große Schulden, nehmen auf Borg und wollen nicht zahlen, ob-
wohl Wein und Korn theuer sind. Den groben Zwilch mögen
sie nicht mehr, sondern es muß lündisch oder mechlisch Tuch sein,
und zerschnitten nach der Mode,

"Mit aller Farb, wild über wild,
Und auf dem Aermel eines Narren Bild."

Und weiter sagt er:

"Die Bauern tragen seiden Kleid
Und goldne Ketten an dem Leib."

Der Reichstagsabschied zu Lindau (1497) hält es sogar für nö-
thig, ohne Unterschied "dem gemeinen Bauersmann und den ar-
beitenden Leuten in den Städten oder auf dem Lande" Gold,
Perlen, Sammet, Seide zu verbieten; noch sollen sie gestückte
Kleider tragen dürfen, noch ihren Weibern und Kindern derglei-
chen gestatten. -- In der großherzoglichen Sammlung zu Wei-
mar findet sich eine Federzeichnung aus dieser Zeit, stutzerhafte
Bauern im Tanz mit ihren Dorfschönen darstellend, die, wenn sie
wirklich von der Hand Martin Schongauers wäre, dem sie zuge-
schrieben wird, ebenfalls dem Elsaß angehören würde. Es ist
vortrefflich wiedergegeben, wie diese eitlen, geckenhaften Burschen,
die selbst über die Jugend schon hinaus sind, die modischen Ele-
ganten spielen wollen und doch den plumpen Bauer nicht verber-
gen können. Was hilft es, daß sie das Haar lang tragen und
wohl frisiren und mit dem Weinlaubkranz umwinden? -- schlicht

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Ueppigkeit der Bauern und der Modeſucht der dienenden Claſſe,
und das erſtere grade in den Gegenden, wo man den Bund-
ſchuh,
den über dem Fuß zuſammengebundenen Schuh, des
Bauern uraltes Erbſtück, auf die Stange erhob und zum Zeichen
des Aufruhrs machte. Es war im geſegneten Thale des Rheins,
im Breisgau und im Elſaß, wo ſich die Vorboten des großen
Bauernkriegs zeigten. Dort ſah auch Sebaſtian Brant mit eigenen
Augen ihren Uebermuth und ihr üppiges Leben, welches er im
Narrenſchiff geiſſelt. Früher, ſagt er, war Gerechtigkeit bei den
Bauern; da ſie aus den Städten geflohen war, wollte ſie einkeh-
ren in die Strohhütten. Nun aber ſtecken ſich die Bauern in
große Schulden, nehmen auf Borg und wollen nicht zahlen, ob-
wohl Wein und Korn theuer ſind. Den groben Zwilch mögen
ſie nicht mehr, ſondern es muß lündiſch oder mechliſch Tuch ſein,
und zerſchnitten nach der Mode,

„Mit aller Farb, wild über wild,
Und auf dem Aermel eines Narren Bild.“

Und weiter ſagt er:

„Die Bauern tragen ſeiden Kleid
Und goldne Ketten an dem Leib.“

Der Reichstagsabſchied zu Lindau (1497) hält es ſogar für nö-
thig, ohne Unterſchied „dem gemeinen Bauersmann und den ar-
beitenden Leuten in den Städten oder auf dem Lande“ Gold,
Perlen, Sammet, Seide zu verbieten; noch ſollen ſie geſtückte
Kleider tragen dürfen, noch ihren Weibern und Kindern derglei-
chen geſtatten. — In der großherzoglichen Sammlung zu Wei-
mar findet ſich eine Federzeichnung aus dieſer Zeit, ſtutzerhafte
Bauern im Tanz mit ihren Dorfſchönen darſtellend, die, wenn ſie
wirklich von der Hand Martin Schongauers wäre, dem ſie zuge-
ſchrieben wird, ebenfalls dem Elſaß angehören würde. Es iſt
vortrefflich wiedergegeben, wie dieſe eitlen, geckenhaften Burſchen,
die ſelbſt über die Jugend ſchon hinaus ſind, die modiſchen Ele-
ganten ſpielen wollen und doch den plumpen Bauer nicht verber-
gen können. Was hilft es, daß ſie das Haar lang tragen und
wohl friſiren und mit dem Weinlaubkranz umwinden? — ſchlicht

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[313/0331] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Ueppigkeit der Bauern und der Modeſucht der dienenden Claſſe, und das erſtere grade in den Gegenden, wo man den Bund- ſchuh, den über dem Fuß zuſammengebundenen Schuh, des Bauern uraltes Erbſtück, auf die Stange erhob und zum Zeichen des Aufruhrs machte. Es war im geſegneten Thale des Rheins, im Breisgau und im Elſaß, wo ſich die Vorboten des großen Bauernkriegs zeigten. Dort ſah auch Sebaſtian Brant mit eigenen Augen ihren Uebermuth und ihr üppiges Leben, welches er im Narrenſchiff geiſſelt. Früher, ſagt er, war Gerechtigkeit bei den Bauern; da ſie aus den Städten geflohen war, wollte ſie einkeh- ren in die Strohhütten. Nun aber ſtecken ſich die Bauern in große Schulden, nehmen auf Borg und wollen nicht zahlen, ob- wohl Wein und Korn theuer ſind. Den groben Zwilch mögen ſie nicht mehr, ſondern es muß lündiſch oder mechliſch Tuch ſein, und zerſchnitten nach der Mode, „Mit aller Farb, wild über wild, Und auf dem Aermel eines Narren Bild.“ Und weiter ſagt er: „Die Bauern tragen ſeiden Kleid Und goldne Ketten an dem Leib.“ Der Reichstagsabſchied zu Lindau (1497) hält es ſogar für nö- thig, ohne Unterſchied „dem gemeinen Bauersmann und den ar- beitenden Leuten in den Städten oder auf dem Lande“ Gold, Perlen, Sammet, Seide zu verbieten; noch ſollen ſie geſtückte Kleider tragen dürfen, noch ihren Weibern und Kindern derglei- chen geſtatten. — In der großherzoglichen Sammlung zu Wei- mar findet ſich eine Federzeichnung aus dieſer Zeit, ſtutzerhafte Bauern im Tanz mit ihren Dorfſchönen darſtellend, die, wenn ſie wirklich von der Hand Martin Schongauers wäre, dem ſie zuge- ſchrieben wird, ebenfalls dem Elſaß angehören würde. Es iſt vortrefflich wiedergegeben, wie dieſe eitlen, geckenhaften Burſchen, die ſelbſt über die Jugend ſchon hinaus ſind, die modiſchen Ele- ganten ſpielen wollen und doch den plumpen Bauer nicht verber- gen können. Was hilft es, daß ſie das Haar lang tragen und wohl friſiren und mit dem Weinlaubkranz umwinden? — ſchlicht

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/331>, abgerufen am 29.03.2024.