Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Dagegen erscheint es noch ein Kleines, wenn berichtet wird, daß
die Hofdamen seiner Gemahlin für ihren Putz jährlich 40,000
Brabanter Thaler erhielten.

In den Niederlanden strömten damals nicht bloß die Schätze
der Welt zusammen; dort waren auch die Fabrikstätten für die
feinsten und kostbarsten Stoffe, dort blühte eine Kunst, die sie
mit den schönsten und prachtvollsten Mustern versah. Die Nie-
derlande hatten die vorzüglichsten Färbereien, die gleich Ausge-
zeichnetes leisteten in der Aechtheit, wie in der Kraft und Schön-
heit der Farben. Sie webten die großen Muster mit stilisirten
Pflanzenformen, in Goldbrokat, in Silberstoff, in Sammet, At-
las, Seide und Wolle. So trugen sie die Herren wie die Damen,
Gold in Roth, in Grün, in leuchtendem oder dunklem Blau,
in tiefem Violett und Carmoisin, mit Hermelin verbrämt oder
gefüttert; die schweren Stoffe fielen herabhängend auf den Boden
und schleppten bei den Damen nach in ellenlanger Masse. Alle
diese Brokat- und Damaststoffe brechen sich in eckige, aber groß-
artige Falten, die noch den Eindruck des Pomphaften erhöhen.
Die Kunst dieser Zeit, die Schule der van Eyck's, ist das treuste
Abbild der weltlichen Herrlichkeit. Ihre Bilder leuchten in früher
ganz unbekannter Farbenpracht; ihre Heiligen, obwohl von tief-
ster Frömmigkeit erfüllt, sind mit den kostbarsten Gewändern an-
gethan, geschnitten nach der Mode der Zeit. Die heiligen Frauen,
St. Katharina, St. Agnes, St. Margaretha, St. Ursula, St.
Barbara, sie gleichen alle den bestgekleideten Damen von Herzog
Philipps Hof, nur die Zeichen an ihrer Seite, Rad und Schwert
und Lamm, und die ergreifendste Demuth und Unschuld auf ihren
Gesichtern entrücken sie dieser weltlichen Sphäre. Goldgeschmückte
und mit Perlen benähte hohe Hauben von den barocken, damals
modischen Formen ruhen auf den schönen Köpfen, Brokatgewän-
der und Hermelinmäntel bedecken ihre hohen, vollen Gestalten,
die Hände zieren feine, farbige Handschuhe, und um die Füße
lagert sich massenhaft der schwere Stoff mit dem gebrochenen Fal-
tenwurf. Die Künstler arbeiteten hierin offenbar der Natur nach:
sie zeichneten, was sie sahen, und componirten frei, wie sich ihr

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Dagegen erſcheint es noch ein Kleines, wenn berichtet wird, daß
die Hofdamen ſeiner Gemahlin für ihren Putz jährlich 40,000
Brabanter Thaler erhielten.

In den Niederlanden ſtrömten damals nicht bloß die Schätze
der Welt zuſammen; dort waren auch die Fabrikſtätten für die
feinſten und koſtbarſten Stoffe, dort blühte eine Kunſt, die ſie
mit den ſchönſten und prachtvollſten Muſtern verſah. Die Nie-
derlande hatten die vorzüglichſten Färbereien, die gleich Ausge-
zeichnetes leiſteten in der Aechtheit, wie in der Kraft und Schön-
heit der Farben. Sie webten die großen Muſter mit ſtiliſirten
Pflanzenformen, in Goldbrokat, in Silberſtoff, in Sammet, At-
las, Seide und Wolle. So trugen ſie die Herren wie die Damen,
Gold in Roth, in Grün, in leuchtendem oder dunklem Blau,
in tiefem Violett und Carmoiſin, mit Hermelin verbrämt oder
gefüttert; die ſchweren Stoffe fielen herabhängend auf den Boden
und ſchleppten bei den Damen nach in ellenlanger Maſſe. Alle
dieſe Brokat- und Damaſtſtoffe brechen ſich in eckige, aber groß-
artige Falten, die noch den Eindruck des Pomphaften erhöhen.
Die Kunſt dieſer Zeit, die Schule der van Eyck’s, iſt das treuſte
Abbild der weltlichen Herrlichkeit. Ihre Bilder leuchten in früher
ganz unbekannter Farbenpracht; ihre Heiligen, obwohl von tief-
ſter Frömmigkeit erfüllt, ſind mit den koſtbarſten Gewändern an-
gethan, geſchnitten nach der Mode der Zeit. Die heiligen Frauen,
St. Katharina, St. Agnes, St. Margaretha, St. Urſula, St.
Barbara, ſie gleichen alle den beſtgekleideten Damen von Herzog
Philipps Hof, nur die Zeichen an ihrer Seite, Rad und Schwert
und Lamm, und die ergreifendſte Demuth und Unſchuld auf ihren
Geſichtern entrücken ſie dieſer weltlichen Sphäre. Goldgeſchmückte
und mit Perlen benähte hohe Hauben von den barocken, damals
modiſchen Formen ruhen auf den ſchönen Köpfen, Brokatgewän-
der und Hermelinmäntel bedecken ihre hohen, vollen Geſtalten,
die Hände zieren feine, farbige Handſchuhe, und um die Füße
lagert ſich maſſenhaft der ſchwere Stoff mit dem gebrochenen Fal-
tenwurf. Die Künſtler arbeiteten hierin offenbar der Natur nach:
ſie zeichneten, was ſie ſahen, und componirten frei, wie ſich ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0281" n="263"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/>
Dagegen er&#x017F;cheint es noch ein Kleines, wenn berichtet wird, daß<lb/>
die Hofdamen &#x017F;einer Gemahlin für ihren Putz jährlich 40,000<lb/>
Brabanter Thaler erhielten.</p><lb/>
              <p>In den Niederlanden &#x017F;trömten damals nicht bloß die Schätze<lb/>
der Welt zu&#x017F;ammen; dort waren auch die Fabrik&#x017F;tätten für die<lb/>
fein&#x017F;ten und ko&#x017F;tbar&#x017F;ten Stoffe, dort blühte eine Kun&#x017F;t, die &#x017F;ie<lb/>
mit den &#x017F;chön&#x017F;ten und prachtvoll&#x017F;ten Mu&#x017F;tern ver&#x017F;ah. Die Nie-<lb/>
derlande hatten die vorzüglich&#x017F;ten Färbereien, die gleich Ausge-<lb/>
zeichnetes lei&#x017F;teten in der Aechtheit, wie in der Kraft und Schön-<lb/>
heit der Farben. Sie webten die großen Mu&#x017F;ter mit &#x017F;tili&#x017F;irten<lb/>
Pflanzenformen, in Goldbrokat, in Silber&#x017F;toff, in Sammet, At-<lb/>
las, Seide und Wolle. So trugen &#x017F;ie die Herren wie die Damen,<lb/>
Gold in Roth, in Grün, in leuchtendem oder dunklem Blau,<lb/>
in tiefem Violett und Carmoi&#x017F;in, mit Hermelin verbrämt oder<lb/>
gefüttert; die &#x017F;chweren Stoffe fielen herabhängend auf den Boden<lb/>
und &#x017F;chleppten bei den Damen nach in ellenlanger Ma&#x017F;&#x017F;e. Alle<lb/>
die&#x017F;e Brokat- und Dama&#x017F;t&#x017F;toffe brechen &#x017F;ich in eckige, aber groß-<lb/>
artige Falten, die noch den Eindruck des Pomphaften erhöhen.<lb/>
Die Kun&#x017F;t die&#x017F;er Zeit, die Schule der van Eyck&#x2019;s, i&#x017F;t das treu&#x017F;te<lb/>
Abbild der weltlichen Herrlichkeit. Ihre Bilder leuchten in früher<lb/>
ganz unbekannter Farbenpracht; ihre Heiligen, obwohl von tief-<lb/>
&#x017F;ter Frömmigkeit erfüllt, &#x017F;ind mit den ko&#x017F;tbar&#x017F;ten Gewändern an-<lb/>
gethan, ge&#x017F;chnitten nach der Mode der Zeit. Die heiligen Frauen,<lb/>
St. Katharina, St. Agnes, St. Margaretha, St. Ur&#x017F;ula, St.<lb/>
Barbara, &#x017F;ie gleichen alle den be&#x017F;tgekleideten Damen von Herzog<lb/>
Philipps Hof, nur die Zeichen an ihrer Seite, Rad und Schwert<lb/>
und Lamm, und die ergreifend&#x017F;te Demuth und Un&#x017F;chuld auf ihren<lb/>
Ge&#x017F;ichtern entrücken &#x017F;ie die&#x017F;er weltlichen Sphäre. Goldge&#x017F;chmückte<lb/>
und mit Perlen benähte hohe Hauben von den barocken, damals<lb/>
modi&#x017F;chen Formen ruhen auf den &#x017F;chönen Köpfen, Brokatgewän-<lb/>
der und Hermelinmäntel bedecken ihre hohen, vollen Ge&#x017F;talten,<lb/>
die Hände zieren feine, farbige Hand&#x017F;chuhe, und um die Füße<lb/>
lagert &#x017F;ich ma&#x017F;&#x017F;enhaft der &#x017F;chwere Stoff mit dem gebrochenen Fal-<lb/>
tenwurf. Die Kün&#x017F;tler arbeiteten hierin offenbar der Natur nach:<lb/>
&#x017F;ie zeichneten, was &#x017F;ie &#x017F;ahen, und componirten frei, wie &#x017F;ich ihr<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0281] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Dagegen erſcheint es noch ein Kleines, wenn berichtet wird, daß die Hofdamen ſeiner Gemahlin für ihren Putz jährlich 40,000 Brabanter Thaler erhielten. In den Niederlanden ſtrömten damals nicht bloß die Schätze der Welt zuſammen; dort waren auch die Fabrikſtätten für die feinſten und koſtbarſten Stoffe, dort blühte eine Kunſt, die ſie mit den ſchönſten und prachtvollſten Muſtern verſah. Die Nie- derlande hatten die vorzüglichſten Färbereien, die gleich Ausge- zeichnetes leiſteten in der Aechtheit, wie in der Kraft und Schön- heit der Farben. Sie webten die großen Muſter mit ſtiliſirten Pflanzenformen, in Goldbrokat, in Silberſtoff, in Sammet, At- las, Seide und Wolle. So trugen ſie die Herren wie die Damen, Gold in Roth, in Grün, in leuchtendem oder dunklem Blau, in tiefem Violett und Carmoiſin, mit Hermelin verbrämt oder gefüttert; die ſchweren Stoffe fielen herabhängend auf den Boden und ſchleppten bei den Damen nach in ellenlanger Maſſe. Alle dieſe Brokat- und Damaſtſtoffe brechen ſich in eckige, aber groß- artige Falten, die noch den Eindruck des Pomphaften erhöhen. Die Kunſt dieſer Zeit, die Schule der van Eyck’s, iſt das treuſte Abbild der weltlichen Herrlichkeit. Ihre Bilder leuchten in früher ganz unbekannter Farbenpracht; ihre Heiligen, obwohl von tief- ſter Frömmigkeit erfüllt, ſind mit den koſtbarſten Gewändern an- gethan, geſchnitten nach der Mode der Zeit. Die heiligen Frauen, St. Katharina, St. Agnes, St. Margaretha, St. Urſula, St. Barbara, ſie gleichen alle den beſtgekleideten Damen von Herzog Philipps Hof, nur die Zeichen an ihrer Seite, Rad und Schwert und Lamm, und die ergreifendſte Demuth und Unſchuld auf ihren Geſichtern entrücken ſie dieſer weltlichen Sphäre. Goldgeſchmückte und mit Perlen benähte hohe Hauben von den barocken, damals modiſchen Formen ruhen auf den ſchönen Köpfen, Brokatgewän- der und Hermelinmäntel bedecken ihre hohen, vollen Geſtalten, die Hände zieren feine, farbige Handſchuhe, und um die Füße lagert ſich maſſenhaft der ſchwere Stoff mit dem gebrochenen Fal- tenwurf. Die Künſtler arbeiteten hierin offenbar der Natur nach: ſie zeichneten, was ſie ſahen, und componirten frei, wie ſich ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/281
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/281>, abgerufen am 07.05.2024.