Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. und war er es nicht, so ist wenigstens die Wahrscheinlichkeit undMöglichkeit seiner Darstellung nicht in Zweifel zu ziehen. Der Burggraf, mit langem Haar und, die Oberlippe ausgenommen, mit vollem Bart, trägt über der engen Kleidung einen Trappert von Goldstoff mit rothem Grund und reich mit Pelz verbrämt. Die Schuhe ruhen in hölzernen, mit doppelten Klötzchen darunter versehenen und, wie es scheint, vergoldeten Unterschuhen, an de- nen die langen goldenen Rittersporen sitzen; die Länge der Schnäbel übertrifft die des Fußes um das Doppelte. So ange- than und die Arme stolz auf der Brust gekreuzt, ist er im Begriff die hohe Stiege hinaufzusteigen, deren Stufen an Breite der Länge seiner Schuhe weitaus nicht gleichkommen. Wie das mög- lich war, wie er bei so gefährlichem Gang Anstand und Würde zu der feierlichen Handlung hat bewahren können, ist schwer zu sagen. Aber die Augen des Publikums waren an solchen Anblick gewöhnt, und der Künstler hat gewiß nur ein Bild voll erhabe- ner, stolzer Würde und Majestät dem Beschauer vorführen wol- len. Das war im Jahr 1417. Es ist gegen das Ende des Jahr- hunderts noch ähnlich. Bei Hefner (II, 142) findet sich eine Mi- niature mit der Jahreszahl 1480, auf welcher ein Schriftsteller sein Werk dem Pfalzgrafen Philipp überreicht. Der Pfalzgraf trägt noch ganz die spitzen Schnabelschuhe in langen steifen Un- terschuhen oder Pantoffeln, die nur mit Kreuzriemen über dem Fuß sitzen. So wenig gelten die spitzen Schuhe und die pantoffelartigen 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. und war er es nicht, ſo iſt wenigſtens die Wahrſcheinlichkeit undMöglichkeit ſeiner Darſtellung nicht in Zweifel zu ziehen. Der Burggraf, mit langem Haar und, die Oberlippe ausgenommen, mit vollem Bart, trägt über der engen Kleidung einen Trappert von Goldſtoff mit rothem Grund und reich mit Pelz verbrämt. Die Schuhe ruhen in hölzernen, mit doppelten Klötzchen darunter verſehenen und, wie es ſcheint, vergoldeten Unterſchuhen, an de- nen die langen goldenen Ritterſporen ſitzen; die Länge der Schnäbel übertrifft die des Fußes um das Doppelte. So ange- than und die Arme ſtolz auf der Bruſt gekreuzt, iſt er im Begriff die hohe Stiege hinaufzuſteigen, deren Stufen an Breite der Länge ſeiner Schuhe weitaus nicht gleichkommen. Wie das mög- lich war, wie er bei ſo gefährlichem Gang Anſtand und Würde zu der feierlichen Handlung hat bewahren können, iſt ſchwer zu ſagen. Aber die Augen des Publikums waren an ſolchen Anblick gewöhnt, und der Künſtler hat gewiß nur ein Bild voll erhabe- ner, ſtolzer Würde und Majeſtät dem Beſchauer vorführen wol- len. Das war im Jahr 1417. Es iſt gegen das Ende des Jahr- hunderts noch ähnlich. Bei Hefner (II, 142) findet ſich eine Mi- niature mit der Jahreszahl 1480, auf welcher ein Schriftſteller ſein Werk dem Pfalzgrafen Philipp überreicht. Der Pfalzgraf trägt noch ganz die ſpitzen Schnabelſchuhe in langen ſteifen Un- terſchuhen oder Pantoffeln, die nur mit Kreuzriemen über dem Fuß ſitzen. So wenig gelten die ſpitzen Schuhe und die pantoffelartigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0269" n="251"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/> und war er es nicht, ſo iſt wenigſtens die Wahrſcheinlichkeit und<lb/> Möglichkeit ſeiner Darſtellung nicht in Zweifel zu ziehen. 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Namentlich iſt es Quintin Meſſys, der ſie<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0269]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
und war er es nicht, ſo iſt wenigſtens die Wahrſcheinlichkeit und
Möglichkeit ſeiner Darſtellung nicht in Zweifel zu ziehen. Der
Burggraf, mit langem Haar und, die Oberlippe ausgenommen,
mit vollem Bart, trägt über der engen Kleidung einen Trappert
von Goldſtoff mit rothem Grund und reich mit Pelz verbrämt.
Die Schuhe ruhen in hölzernen, mit doppelten Klötzchen darunter
verſehenen und, wie es ſcheint, vergoldeten Unterſchuhen, an de-
nen die langen goldenen Ritterſporen ſitzen; die Länge der
Schnäbel übertrifft die des Fußes um das Doppelte. So ange-
than und die Arme ſtolz auf der Bruſt gekreuzt, iſt er im Begriff
die hohe Stiege hinaufzuſteigen, deren Stufen an Breite der
Länge ſeiner Schuhe weitaus nicht gleichkommen. Wie das mög-
lich war, wie er bei ſo gefährlichem Gang Anſtand und Würde
zu der feierlichen Handlung hat bewahren können, iſt ſchwer zu
ſagen. Aber die Augen des Publikums waren an ſolchen Anblick
gewöhnt, und der Künſtler hat gewiß nur ein Bild voll erhabe-
ner, ſtolzer Würde und Majeſtät dem Beſchauer vorführen wol-
len. Das war im Jahr 1417. Es iſt gegen das Ende des Jahr-
hunderts noch ähnlich. Bei Hefner (II, 142) findet ſich eine Mi-
niature mit der Jahreszahl 1480, auf welcher ein Schriftſteller
ſein Werk dem Pfalzgrafen Philipp überreicht. Der Pfalzgraf
trägt noch ganz die ſpitzen Schnabelſchuhe in langen ſteifen Un-
terſchuhen oder Pantoffeln, die nur mit Kreuzriemen über dem
Fuß ſitzen.
So wenig gelten die ſpitzen Schuhe und die pantoffelartigen
Unterſchuhe für ſtutzeriſche Tracht, daß ſie von den Künſtlern auch
den Heiligen und Chriſtus und Gott ſelbſt beigelegt werden.
Auf einem prachtvollen franzöſiſch-burgundiſchen Teppich in der
Abtei la Chaise-Dieu vom Ende des funfzehnten Jahrhunderts,
welcher die Krönung der Maria darſtellt, tragen alle drei, Gott,
Chriſtus und Maria dieſe Unterſchuhe, wenn auch ſchon von we-
niger ſpitzer Form. So hat ſie auch die heilige Jungfrau bei der
Verkündigung auf einem Bild des Hugo van der Goes, welches
früher zur Boiſſeréeſchen Sammlung gehörte. Dieſe giebt noch
mehrere Beiſpiele. Namentlich iſt es Quintin Meſſys, der ſie
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