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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
ist, was nun auch landsichtig und augenscheinlich geworden ist an
Erdbeben und großen Plagen, damit Städte und Leute geplaget
und an Leib und Gut verdorben sind. Darum, da wir unserer
Städte und unserer Bürger Ehre, Nutz und Frommen und Se-
ligkeit gar theuer geschworen haben und unsere Bürger billig vor
Schaden und Ungemach behüten sollen, so sehr wir können oder
vermögen, so haben wir mit Gottes Hülfe und mit guter Berath-
niß darüber gesessen und haben solche Stücke als hiernach benannt
und beschrieben sind, die Hoffart und Uebermuth verursachen,
verboten, Gott zu Lob und zu Ehren und den Leuten zu Nutz
und Frommen." Nun folgen die eingehendsten Bestimmungen,
den Kleiderluxus beider Geschlechter betreffend. Da heißt es: die
Hauben der Frauen sollen nicht mehr als vier Reihen von Krau-
sen haben; keine soll ihre gewundenen Haarzöpfe oder Haar-
schnüre hinten herabhängen lassen oder vorne Locken, sondern ihr
Haar soll aufgebunden sein; aber den Unverheiratheten ist das ge-
stattet. "Eine Jungfrau, die nicht Mannes hat, die mag wohl
ein Schapel tragen und ihre Zöpfe und Haarschnüre lassen hän-
gen, bis daß sie berathen wird und einen Mann nimmt." Kein
Kleid, unteres oder oberes, soll vorne zugeknöpft, an den Seiten
geschnürt oder "durch Engnisse eingezwungen" werden. Keine soll
die Lappen an den Aermeln länger tragen, denn eine Elle lang,
von dem Ellbogen an gerechnet. Die Verbrämung des Rockes
und des Mantels, sei sie einfach Pelzwerk oder Buntwerk, von
Seide oder Sendel, soll nicht breiter sein denn zweier Zwerch-
finger, und zwar nur oben, denn unten sollen sie gar nicht ver-
brämet sein. Die Mäntel sollen oben zugemacht sein, ohne Gold,
Silber und Perlen und sollen nur mäßige, nicht zu weite Haupt-
löcher haben, "wie es von Alters gewöhnlich war." Letztere Be-
stimmung richtet sich gegen die wachsende Entblößung an Schul-
tern und Brust. So heißt es auch im Folgenden: "Keine soll ein
Hauptloch an den Röcken tragen, da die Achseln ausgehen, son-
dern ihre Achseln sollen bedeckt sein mit den Hauptlöchern, also
daß sie auf den Achseln liegen sollen." Verboten werden auch ge-
streifte oder gestückte Röcke, auch Verzierung an Hüten oder Röcken

II. Das Mittelalter.
iſt, was nun auch landſichtig und augenſcheinlich geworden iſt an
Erdbeben und großen Plagen, damit Städte und Leute geplaget
und an Leib und Gut verdorben ſind. Darum, da wir unſerer
Städte und unſerer Bürger Ehre, Nutz und Frommen und Se-
ligkeit gar theuer geſchworen haben und unſere Bürger billig vor
Schaden und Ungemach behüten ſollen, ſo ſehr wir können oder
vermögen, ſo haben wir mit Gottes Hülfe und mit guter Berath-
niß darüber geſeſſen und haben ſolche Stücke als hiernach benannt
und beſchrieben ſind, die Hoffart und Uebermuth verurſachen,
verboten, Gott zu Lob und zu Ehren und den Leuten zu Nutz
und Frommen.“ Nun folgen die eingehendſten Beſtimmungen,
den Kleiderluxus beider Geſchlechter betreffend. Da heißt es: die
Hauben der Frauen ſollen nicht mehr als vier Reihen von Krau-
ſen haben; keine ſoll ihre gewundenen Haarzöpfe oder Haar-
ſchnüre hinten herabhängen laſſen oder vorne Locken, ſondern ihr
Haar ſoll aufgebunden ſein; aber den Unverheiratheten iſt das ge-
ſtattet. „Eine Jungfrau, die nicht Mannes hat, die mag wohl
ein Schapel tragen und ihre Zöpfe und Haarſchnüre laſſen hän-
gen, bis daß ſie berathen wird und einen Mann nimmt.“ Kein
Kleid, unteres oder oberes, ſoll vorne zugeknöpft, an den Seiten
geſchnürt oder „durch Engniſſe eingezwungen“ werden. Keine ſoll
die Lappen an den Aermeln länger tragen, denn eine Elle lang,
von dem Ellbogen an gerechnet. Die Verbrämung des Rockes
und des Mantels, ſei ſie einfach Pelzwerk oder Buntwerk, von
Seide oder Sendel, ſoll nicht breiter ſein denn zweier Zwerch-
finger, und zwar nur oben, denn unten ſollen ſie gar nicht ver-
brämet ſein. Die Mäntel ſollen oben zugemacht ſein, ohne Gold,
Silber und Perlen und ſollen nur mäßige, nicht zu weite Haupt-
löcher haben, „wie es von Alters gewöhnlich war.“ Letztere Be-
ſtimmung richtet ſich gegen die wachſende Entblößung an Schul-
tern und Bruſt. So heißt es auch im Folgenden: „Keine ſoll ein
Hauptloch an den Röcken tragen, da die Achſeln ausgehen, ſon-
dern ihre Achſeln ſollen bedeckt ſein mit den Hauptlöchern, alſo
daß ſie auf den Achſeln liegen ſollen.“ Verboten werden auch ge-
ſtreifte oder geſtückte Röcke, auch Verzierung an Hüten oder Röcken

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[182/0200] II. Das Mittelalter. iſt, was nun auch landſichtig und augenſcheinlich geworden iſt an Erdbeben und großen Plagen, damit Städte und Leute geplaget und an Leib und Gut verdorben ſind. Darum, da wir unſerer Städte und unſerer Bürger Ehre, Nutz und Frommen und Se- ligkeit gar theuer geſchworen haben und unſere Bürger billig vor Schaden und Ungemach behüten ſollen, ſo ſehr wir können oder vermögen, ſo haben wir mit Gottes Hülfe und mit guter Berath- niß darüber geſeſſen und haben ſolche Stücke als hiernach benannt und beſchrieben ſind, die Hoffart und Uebermuth verurſachen, verboten, Gott zu Lob und zu Ehren und den Leuten zu Nutz und Frommen.“ Nun folgen die eingehendſten Beſtimmungen, den Kleiderluxus beider Geſchlechter betreffend. Da heißt es: die Hauben der Frauen ſollen nicht mehr als vier Reihen von Krau- ſen haben; keine ſoll ihre gewundenen Haarzöpfe oder Haar- ſchnüre hinten herabhängen laſſen oder vorne Locken, ſondern ihr Haar ſoll aufgebunden ſein; aber den Unverheiratheten iſt das ge- ſtattet. „Eine Jungfrau, die nicht Mannes hat, die mag wohl ein Schapel tragen und ihre Zöpfe und Haarſchnüre laſſen hän- gen, bis daß ſie berathen wird und einen Mann nimmt.“ Kein Kleid, unteres oder oberes, ſoll vorne zugeknöpft, an den Seiten geſchnürt oder „durch Engniſſe eingezwungen“ werden. Keine ſoll die Lappen an den Aermeln länger tragen, denn eine Elle lang, von dem Ellbogen an gerechnet. Die Verbrämung des Rockes und des Mantels, ſei ſie einfach Pelzwerk oder Buntwerk, von Seide oder Sendel, ſoll nicht breiter ſein denn zweier Zwerch- finger, und zwar nur oben, denn unten ſollen ſie gar nicht ver- brämet ſein. Die Mäntel ſollen oben zugemacht ſein, ohne Gold, Silber und Perlen und ſollen nur mäßige, nicht zu weite Haupt- löcher haben, „wie es von Alters gewöhnlich war.“ Letztere Be- ſtimmung richtet ſich gegen die wachſende Entblößung an Schul- tern und Bruſt. So heißt es auch im Folgenden: „Keine ſoll ein Hauptloch an den Röcken tragen, da die Achſeln ausgehen, ſon- dern ihre Achſeln ſollen bedeckt ſein mit den Hauptlöchern, alſo daß ſie auf den Achſeln liegen ſollen.“ Verboten werden auch ge- ſtreifte oder geſtückte Röcke, auch Verzierung an Hüten oder Röcken

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/200>, abgerufen am 23.11.2024.