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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Augsburg gefangen genommen wurden, an den Säumen ihrer
Kleider goldene Schellen. Wohl schon gleichzeitig stand der Ge-
brauch bei der Geistlichkeit fest. Bischof und Abt trugen sie an
ihren Meßgewändern, und im Jahr 1103 erhielten die Mönche
vom Kloster des heil. Antonius in Mailand die Erlaubniß, sie
an ihren Kappen (Kutten) zu tragen. Es wird dieser Gebrauch
bei der Geistlichkeit auf den jüdischen Hohenpriester zurückgeführt.
In der höfischritterlichen Zeit beschränkte sich ihre gewöhnliche
Anwendung auf die Pferde. "Klingende Schellen am Sattelbo-
gen," wo sie gewöhnlich angebracht waren, werden namentlich im
Parzival sehr häufig erwähnt. Auch das Nibelungenlied kennt
sie in dieser Sitte. Als Gunther und seine Begleiter in höchstem
Schmuck vor Brunhildens Saal aufreiten, sind mit Gestein die
Sättel und die Fürbügen ihrer Pferde geschmückt, und an densel-
ben hingen auch "Schellen von lichtem Golde roth." Im Wiga-
mur erscheint eine Schaar reitender Mädchen, deren Pferde sämmt-
lich mit Schellen behängt sind. In der That aber finden wir die-
sen Schmuck schon damals auch an dem Manne selbst, wenn er
auch als eine ausnahmsweise und stutzerhafte Tracht anzusehen
ist und die Beispiele sehr selten sind. Ein solcher Stutzer ist der
junge Ritter Segramors, der jüngste der Helden von Artus Ta-
felrunde. Wie er hinreitet zum Kampf gegen Parzival, läßt er
sein Roß courbettiren und über die Stauden Sprünge machen:

"Manche goldne Schelle klang
An der Decke und an dem Mann:
Man hätt' ihn wohl nach dem Fasan
Geworfen in ein Dornicht --
Wer ihn zu suchen wär erpicht,
Der fänd ihn wieder am hellen
Klang der läutenden Schellen."

(Parzival.)

Desgleichen heißt es in Ulrich von Liechtensteins Frauendienst
bei Tieck: "Da kam auf dem Felde wohl gezimirt gegen mich ein
Mann, Herr Ilsung von Scheuflich, der immer nach Ehren und
Ritternamen rang. Er führte wohl fünfhundert Schellen an sich.
Sein Roß sprang in kleinen Sprüngen, laut erklang sein Zimir.

1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Augsburg gefangen genommen wurden, an den Säumen ihrer
Kleider goldene Schellen. Wohl ſchon gleichzeitig ſtand der Ge-
brauch bei der Geiſtlichkeit feſt. Biſchof und Abt trugen ſie an
ihren Meßgewändern, und im Jahr 1103 erhielten die Mönche
vom Kloſter des heil. Antonius in Mailand die Erlaubniß, ſie
an ihren Kappen (Kutten) zu tragen. Es wird dieſer Gebrauch
bei der Geiſtlichkeit auf den jüdiſchen Hohenprieſter zurückgeführt.
In der höfiſchritterlichen Zeit beſchränkte ſich ihre gewöhnliche
Anwendung auf die Pferde. „Klingende Schellen am Sattelbo-
gen,“ wo ſie gewöhnlich angebracht waren, werden namentlich im
Parzival ſehr häufig erwähnt. Auch das Nibelungenlied kennt
ſie in dieſer Sitte. Als Gunther und ſeine Begleiter in höchſtem
Schmuck vor Brunhildens Saal aufreiten, ſind mit Geſtein die
Sättel und die Fürbügen ihrer Pferde geſchmückt, und an denſel-
ben hingen auch „Schellen von lichtem Golde roth.“ Im Wiga-
mur erſcheint eine Schaar reitender Mädchen, deren Pferde ſämmt-
lich mit Schellen behängt ſind. In der That aber finden wir die-
ſen Schmuck ſchon damals auch an dem Manne ſelbſt, wenn er
auch als eine ausnahmsweiſe und ſtutzerhafte Tracht anzuſehen
iſt und die Beiſpiele ſehr ſelten ſind. Ein ſolcher Stutzer iſt der
junge Ritter Segramors, der jüngſte der Helden von Artus Ta-
felrunde. Wie er hinreitet zum Kampf gegen Parzival, läßt er
ſein Roß courbettiren und über die Stauden Sprünge machen:

„Manche goldne Schelle klang
An der Decke und an dem Mann:
Man hätt’ ihn wohl nach dem Faſan
Geworfen in ein Dornicht —
Wer ihn zu ſuchen wär erpicht,
Der fänd ihn wieder am hellen
Klang der läutenden Schellen.“

(Parzival.)

Desgleichen heißt es in Ulrich von Liechtenſteins Frauendienſt
bei Tieck: „Da kam auf dem Felde wohl gezimirt gegen mich ein
Mann, Herr Ilſung von Scheuflich, der immer nach Ehren und
Ritternamen rang. Er führte wohl fünfhundert Schellen an ſich.
Sein Roß ſprang in kleinen Sprüngen, laut erklang ſein Zimir.

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[149/0167] 1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht. Augsburg gefangen genommen wurden, an den Säumen ihrer Kleider goldene Schellen. Wohl ſchon gleichzeitig ſtand der Ge- brauch bei der Geiſtlichkeit feſt. Biſchof und Abt trugen ſie an ihren Meßgewändern, und im Jahr 1103 erhielten die Mönche vom Kloſter des heil. Antonius in Mailand die Erlaubniß, ſie an ihren Kappen (Kutten) zu tragen. Es wird dieſer Gebrauch bei der Geiſtlichkeit auf den jüdiſchen Hohenprieſter zurückgeführt. In der höfiſchritterlichen Zeit beſchränkte ſich ihre gewöhnliche Anwendung auf die Pferde. „Klingende Schellen am Sattelbo- gen,“ wo ſie gewöhnlich angebracht waren, werden namentlich im Parzival ſehr häufig erwähnt. Auch das Nibelungenlied kennt ſie in dieſer Sitte. Als Gunther und ſeine Begleiter in höchſtem Schmuck vor Brunhildens Saal aufreiten, ſind mit Geſtein die Sättel und die Fürbügen ihrer Pferde geſchmückt, und an denſel- ben hingen auch „Schellen von lichtem Golde roth.“ Im Wiga- mur erſcheint eine Schaar reitender Mädchen, deren Pferde ſämmt- lich mit Schellen behängt ſind. In der That aber finden wir die- ſen Schmuck ſchon damals auch an dem Manne ſelbſt, wenn er auch als eine ausnahmsweiſe und ſtutzerhafte Tracht anzuſehen iſt und die Beiſpiele ſehr ſelten ſind. Ein ſolcher Stutzer iſt der junge Ritter Segramors, der jüngſte der Helden von Artus Ta- felrunde. Wie er hinreitet zum Kampf gegen Parzival, läßt er ſein Roß courbettiren und über die Stauden Sprünge machen: „Manche goldne Schelle klang An der Decke und an dem Mann: Man hätt’ ihn wohl nach dem Faſan Geworfen in ein Dornicht — Wer ihn zu ſuchen wär erpicht, Der fänd ihn wieder am hellen Klang der läutenden Schellen.“ (Parzival.) Desgleichen heißt es in Ulrich von Liechtenſteins Frauendienſt bei Tieck: „Da kam auf dem Felde wohl gezimirt gegen mich ein Mann, Herr Ilſung von Scheuflich, der immer nach Ehren und Ritternamen rang. Er führte wohl fünfhundert Schellen an ſich. Sein Roß ſprang in kleinen Sprüngen, laut erklang ſein Zimir.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/167>, abgerufen am 24.11.2024.