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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Veh. Von Zobel ist Sigfrieds Hut auf seiner letzten Jagd. Eine
Art Spitzhut von andrer Form tragen im Sachsenspiegel die
Schultheißen als Zeichen ihrer Würde. Aehnlich dem Herzogshut
gestaltet trägt auf der Jagd der Markgraf Heinrich von Meißen
den s. g. Pfauenhut, dessen in den epischen Gedichten sehr häufig
Erwähnung geschieht. Rand und Hut sind ganz überdeckt mit den
obern Theilen der Schwanzfedern von Pfauen, den Augen. Im
Parzival trägt König Gramoflanz einen Hut aus Pfauenfedern
von Sinzester und ein Page des Königs Artus einen weißen
Pfauenhut. Zur Befestigung dienten zwei Schnüre, welche unter
dem Kinn zusammengebunden werden konnten: gewöhnlich aber
sieht man sie leicht geknotet hinten im Nacken frei und lose hän-
gen. Der Pfauenhut war auch, wie wir gesehen haben, weibliche
Tracht. -- Einen ähnlich geformten Hut, doch von schlafferer
Form, oben mehr abgerundet und mit einem Rande, der nach
vorn ein wenig über die Stirn hereingebogen ist, und dessen
Schnur im Nacken hängt, trägt ein Ritter auf der Falkenjagd. Noch
eine andere Form glich mehr unserem heutigen schlaffen Filzhut
mit rundem Deckel, aber mit mehr herabhängendem, breitem
Rande, welcher das Ablaufen des Regenwassers erleichterte. Aehn-
lich, mit niedrigem Deckel und breitem, schräg herabhängendem
Rande, ist der Strohhut des sächsischen Bauern, dessen schon in
der vorigen Periode gedacht wurde. Der Sachsenspiegel giebt seine
Gestalt zu erkennen; daß ihn auch Frauen tragen, wenn sie im
Freien arbeiten, z. B. Schnitterinnen, ist schon oben bei der
Frauentracht bemerkt. Endlich ist noch des Judenhutes zu geden-
ken, welcher im zwölften und dreizehnten Jahrhundert in Deutsch-
land diesem Stamme so sehr allgemeine Vorschrift war, daß die
Künstler selbst die heiligen Personen der Bibel, nicht bloß des
alten Testaments, sondern z. B. auch den heiligen Joseph mit
diesem Hut abbildeten, indem sie sich von der Erscheinung der
Gegenwart nicht losmachen konnten. Er war zuckerhutförmig spitz,
mit mäßig breitem, herabstehendem Rande; seine vorgeschriebene
Farbe war weiß oder orange, letztere entweder für den ganzen
Hut oder nur für den Rand.

1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Veh. Von Zobel iſt Sigfrieds Hut auf ſeiner letzten Jagd. Eine
Art Spitzhut von andrer Form tragen im Sachſenſpiegel die
Schultheißen als Zeichen ihrer Würde. Aehnlich dem Herzogshut
geſtaltet trägt auf der Jagd der Markgraf Heinrich von Meißen
den ſ. g. Pfauenhut, deſſen in den epiſchen Gedichten ſehr häufig
Erwähnung geſchieht. Rand und Hut ſind ganz überdeckt mit den
obern Theilen der Schwanzfedern von Pfauen, den Augen. Im
Parzival trägt König Gramoflanz einen Hut aus Pfauenfedern
von Sinzeſter und ein Page des Königs Artus einen weißen
Pfauenhut. Zur Befeſtigung dienten zwei Schnüre, welche unter
dem Kinn zuſammengebunden werden konnten: gewöhnlich aber
ſieht man ſie leicht geknotet hinten im Nacken frei und loſe hän-
gen. Der Pfauenhut war auch, wie wir geſehen haben, weibliche
Tracht. — Einen ähnlich geformten Hut, doch von ſchlafferer
Form, oben mehr abgerundet und mit einem Rande, der nach
vorn ein wenig über die Stirn hereingebogen iſt, und deſſen
Schnur im Nacken hängt, trägt ein Ritter auf der Falkenjagd. Noch
eine andere Form glich mehr unſerem heutigen ſchlaffen Filzhut
mit rundem Deckel, aber mit mehr herabhängendem, breitem
Rande, welcher das Ablaufen des Regenwaſſers erleichterte. Aehn-
lich, mit niedrigem Deckel und breitem, ſchräg herabhängendem
Rande, iſt der Strohhut des ſächſiſchen Bauern, deſſen ſchon in
der vorigen Periode gedacht wurde. Der Sachſenſpiegel giebt ſeine
Geſtalt zu erkennen; daß ihn auch Frauen tragen, wenn ſie im
Freien arbeiten, z. B. Schnitterinnen, iſt ſchon oben bei der
Frauentracht bemerkt. Endlich iſt noch des Judenhutes zu geden-
ken, welcher im zwölften und dreizehnten Jahrhundert in Deutſch-
land dieſem Stamme ſo ſehr allgemeine Vorſchrift war, daß die
Künſtler ſelbſt die heiligen Perſonen der Bibel, nicht bloß des
alten Teſtaments, ſondern z. B. auch den heiligen Joſeph mit
dieſem Hut abbildeten, indem ſie ſich von der Erſcheinung der
Gegenwart nicht losmachen konnten. Er war zuckerhutförmig ſpitz,
mit mäßig breitem, herabſtehendem Rande; ſeine vorgeſchriebene
Farbe war weiß oder orange, letztere entweder für den ganzen
Hut oder nur für den Rand.

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[143/0161] 1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht. Veh. Von Zobel iſt Sigfrieds Hut auf ſeiner letzten Jagd. Eine Art Spitzhut von andrer Form tragen im Sachſenſpiegel die Schultheißen als Zeichen ihrer Würde. Aehnlich dem Herzogshut geſtaltet trägt auf der Jagd der Markgraf Heinrich von Meißen den ſ. g. Pfauenhut, deſſen in den epiſchen Gedichten ſehr häufig Erwähnung geſchieht. Rand und Hut ſind ganz überdeckt mit den obern Theilen der Schwanzfedern von Pfauen, den Augen. Im Parzival trägt König Gramoflanz einen Hut aus Pfauenfedern von Sinzeſter und ein Page des Königs Artus einen weißen Pfauenhut. Zur Befeſtigung dienten zwei Schnüre, welche unter dem Kinn zuſammengebunden werden konnten: gewöhnlich aber ſieht man ſie leicht geknotet hinten im Nacken frei und loſe hän- gen. Der Pfauenhut war auch, wie wir geſehen haben, weibliche Tracht. — Einen ähnlich geformten Hut, doch von ſchlafferer Form, oben mehr abgerundet und mit einem Rande, der nach vorn ein wenig über die Stirn hereingebogen iſt, und deſſen Schnur im Nacken hängt, trägt ein Ritter auf der Falkenjagd. Noch eine andere Form glich mehr unſerem heutigen ſchlaffen Filzhut mit rundem Deckel, aber mit mehr herabhängendem, breitem Rande, welcher das Ablaufen des Regenwaſſers erleichterte. Aehn- lich, mit niedrigem Deckel und breitem, ſchräg herabhängendem Rande, iſt der Strohhut des ſächſiſchen Bauern, deſſen ſchon in der vorigen Periode gedacht wurde. Der Sachſenſpiegel giebt ſeine Geſtalt zu erkennen; daß ihn auch Frauen tragen, wenn ſie im Freien arbeiten, z. B. Schnitterinnen, iſt ſchon oben bei der Frauentracht bemerkt. Endlich iſt noch des Judenhutes zu geden- ken, welcher im zwölften und dreizehnten Jahrhundert in Deutſch- land dieſem Stamme ſo ſehr allgemeine Vorſchrift war, daß die Künſtler ſelbſt die heiligen Perſonen der Bibel, nicht bloß des alten Teſtaments, ſondern z. B. auch den heiligen Joſeph mit dieſem Hut abbildeten, indem ſie ſich von der Erſcheinung der Gegenwart nicht losmachen konnten. Er war zuckerhutförmig ſpitz, mit mäßig breitem, herabſtehendem Rande; ſeine vorgeſchriebene Farbe war weiß oder orange, letztere entweder für den ganzen Hut oder nur für den Rand.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/161>, abgerufen am 28.03.2024.