Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Das Mittelalter.
"Viel der edlen Steine die Frauen legten in das Gold,
Die sie mit Borten wollten nähen auf das Kleid
Den jungen stolzen Recken."

Weit sparsamer sind die höfischen Epiker, und es geschieht
vorzugsweise nur in Gedichten mit fremden Stoffen, daß sie ihre
Helden und Heldinnen mit diesem Schmuck begaben. Von dem
Gebrauch der Armspangen bei Männern wissen sie nichts mehr.
In jedem Falle sind sie mit dergleichen noch freigebiger als ihre
Zeit, denn die gleichzeitigen Miniaturen geben nur sehr wenig
von dieser Sitte zu erkennen. Schon die Bilder zum Hortus de-
liciarum
der Herrad von Landsberg aus der zweiten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts zeigen sie in beschränktester Weise: nur
ein schmaler Goldsaum an Hals und Hand, ohne Edelsteinbesatz,
ziert noch die Frauenkleidung. Etwas reicher ist die Männerklei-
dung auf denselben Bildern mit Goldborten besetzt, und auch am
Königsornat finden sich die Edelsteine, wie noch viel später. --

Zu einer vollständigen Frauenkleidung gehörten in der
vorigen Periode, im elften Jahrhundert, zwei Kleider, ein unte-
res
und ein oberes, und der Mantel. Das untere war das
nothwendige und stets gebotene, welches den ganzen Körper vom
Hals bis zu den Füßen bedeckte. Das obere Kleid war kürzer und
reichte nur etwas über das Knie herunter, sodaß das untere hier
sichtbar blieb und mit anderer Farbe wirkte. Aehnlich war es an
den Armen. Das Oberkleid hatte kurze, offene Aermel, mit de-
nen es nur den halben Oberarm in ziemlicher Weite umgab.
Mit seiner Kürze ging es noch ins zwölfte Jahrhundert hinüber.
So z. B. erscheint es noch an der sitzenden Relieffigur der Kai-
serin Beatrix, Gemahlin Friedrichs I., in Freising. Auf den be-
reits erwähnten Bildern der Herrad von Landsberg, also gegen
das Ende des zwölften Jahrhunderts, ist es schon anders. Hier
reicht das Oberkleid zu den Füßen herunter, und das untere ist
nur an den Armen sichtbar, welche es bis zum Handgelenk völlig
umschließt. Dieses untere Kleid oder, wie wir dasselbe mit
den Dichtern nennen wollen, der Rock, bildet auch jetzt das
Hauptkleidungsstück. Man erkennt das daraus, daß es zuweilen

II. Das Mittelalter.
„Viel der edlen Steine die Frauen legten in das Gold,
Die ſie mit Borten wollten nähen auf das Kleid
Den jungen ſtolzen Recken.“

Weit ſparſamer ſind die höfiſchen Epiker, und es geſchieht
vorzugsweiſe nur in Gedichten mit fremden Stoffen, daß ſie ihre
Helden und Heldinnen mit dieſem Schmuck begaben. Von dem
Gebrauch der Armſpangen bei Männern wiſſen ſie nichts mehr.
In jedem Falle ſind ſie mit dergleichen noch freigebiger als ihre
Zeit, denn die gleichzeitigen Miniaturen geben nur ſehr wenig
von dieſer Sitte zu erkennen. Schon die Bilder zum Hortus de-
liciarum
der Herrad von Landsberg aus der zweiten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts zeigen ſie in beſchränkteſter Weiſe: nur
ein ſchmaler Goldſaum an Hals und Hand, ohne Edelſteinbeſatz,
ziert noch die Frauenkleidung. Etwas reicher iſt die Männerklei-
dung auf denſelben Bildern mit Goldborten beſetzt, und auch am
Königsornat finden ſich die Edelſteine, wie noch viel ſpäter. —

Zu einer vollſtändigen Frauenkleidung gehörten in der
vorigen Periode, im elften Jahrhundert, zwei Kleider, ein unte-
res
und ein oberes, und der Mantel. Das untere war das
nothwendige und ſtets gebotene, welches den ganzen Körper vom
Hals bis zu den Füßen bedeckte. Das obere Kleid war kürzer und
reichte nur etwas über das Knie herunter, ſodaß das untere hier
ſichtbar blieb und mit anderer Farbe wirkte. Aehnlich war es an
den Armen. Das Oberkleid hatte kurze, offene Aermel, mit de-
nen es nur den halben Oberarm in ziemlicher Weite umgab.
Mit ſeiner Kürze ging es noch ins zwölfte Jahrhundert hinüber.
So z. B. erſcheint es noch an der ſitzenden Relieffigur der Kai-
ſerin Beatrix, Gemahlin Friedrichs I., in Freiſing. Auf den be-
reits erwähnten Bildern der Herrad von Landsberg, alſo gegen
das Ende des zwölften Jahrhunderts, iſt es ſchon anders. Hier
reicht das Oberkleid zu den Füßen herunter, und das untere iſt
nur an den Armen ſichtbar, welche es bis zum Handgelenk völlig
umſchließt. Dieſes untere Kleid oder, wie wir daſſelbe mit
den Dichtern nennen wollen, der Rock, bildet auch jetzt das
Hauptkleidungsſtück. Man erkennt das daraus, daß es zuweilen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0118" n="100"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>&#x201E;Viel der edlen Steine die Frauen legten in das Gold,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ie mit Borten wollten nähen auf das Kleid</l><lb/>
              <l>Den jungen &#x017F;tolzen Recken.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <p>Weit &#x017F;par&#x017F;amer &#x017F;ind die höfi&#x017F;chen Epiker, und es ge&#x017F;chieht<lb/>
vorzugswei&#x017F;e nur in Gedichten mit fremden Stoffen, daß &#x017F;ie ihre<lb/>
Helden und Heldinnen mit die&#x017F;em Schmuck begaben. Von dem<lb/>
Gebrauch der Arm&#x017F;pangen bei Männern wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie nichts mehr.<lb/>
In jedem Falle &#x017F;ind &#x017F;ie mit dergleichen noch freigebiger als ihre<lb/>
Zeit, denn die gleichzeitigen Miniaturen geben nur &#x017F;ehr wenig<lb/>
von die&#x017F;er Sitte zu erkennen. Schon die Bilder zum <hi rendition="#aq">Hortus de-<lb/>
liciarum</hi> der Herrad von Landsberg aus der zweiten Hälfte des<lb/>
zwölften Jahrhunderts zeigen &#x017F;ie in be&#x017F;chränkte&#x017F;ter Wei&#x017F;e: nur<lb/>
ein &#x017F;chmaler Gold&#x017F;aum an Hals und Hand, ohne Edel&#x017F;teinbe&#x017F;atz,<lb/>
ziert noch die Frauenkleidung. Etwas reicher i&#x017F;t die Männerklei-<lb/>
dung auf den&#x017F;elben Bildern mit Goldborten be&#x017F;etzt, und auch am<lb/>
Königsornat finden &#x017F;ich die Edel&#x017F;teine, wie noch viel &#x017F;päter. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Zu einer voll&#x017F;tändigen <hi rendition="#g">Frauenkleidung</hi> gehörten in der<lb/>
vorigen Periode, im elften Jahrhundert, zwei Kleider, ein <hi rendition="#g">unte-<lb/>
res</hi> und ein <hi rendition="#g">oberes</hi>, und der <hi rendition="#g">Mantel</hi>. Das untere war das<lb/>
nothwendige und &#x017F;tets gebotene, welches den ganzen Körper vom<lb/>
Hals bis zu den Füßen bedeckte. Das obere Kleid war kürzer und<lb/>
reichte nur etwas über das Knie herunter, &#x017F;odaß das untere hier<lb/>
&#x017F;ichtbar blieb und mit anderer Farbe wirkte. Aehnlich war es an<lb/>
den Armen. Das Oberkleid hatte kurze, offene Aermel, mit de-<lb/>
nen es nur den halben Oberarm in ziemlicher Weite umgab.<lb/>
Mit &#x017F;einer Kürze ging es noch ins zwölfte Jahrhundert hinüber.<lb/>
So z. B. er&#x017F;cheint es noch an der &#x017F;itzenden Relieffigur der Kai-<lb/>
&#x017F;erin Beatrix, Gemahlin Friedrichs <hi rendition="#aq">I.</hi>, in Frei&#x017F;ing. Auf den be-<lb/>
reits erwähnten Bildern der Herrad von Landsberg, al&#x017F;o gegen<lb/>
das Ende des zwölften Jahrhunderts, i&#x017F;t es &#x017F;chon anders. Hier<lb/>
reicht das Oberkleid zu den Füßen herunter, und das untere i&#x017F;t<lb/>
nur an den Armen &#x017F;ichtbar, welche es bis zum Handgelenk völlig<lb/>
um&#x017F;chließt. Die&#x017F;es <hi rendition="#g">untere Kleid</hi> oder, wie wir da&#x017F;&#x017F;elbe mit<lb/>
den Dichtern nennen wollen, der <hi rendition="#g">Rock</hi>, bildet auch jetzt das<lb/>
Hauptkleidungs&#x017F;tück. Man erkennt das daraus, daß es zuweilen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0118] II. Das Mittelalter. „Viel der edlen Steine die Frauen legten in das Gold, Die ſie mit Borten wollten nähen auf das Kleid Den jungen ſtolzen Recken.“ Weit ſparſamer ſind die höfiſchen Epiker, und es geſchieht vorzugsweiſe nur in Gedichten mit fremden Stoffen, daß ſie ihre Helden und Heldinnen mit dieſem Schmuck begaben. Von dem Gebrauch der Armſpangen bei Männern wiſſen ſie nichts mehr. In jedem Falle ſind ſie mit dergleichen noch freigebiger als ihre Zeit, denn die gleichzeitigen Miniaturen geben nur ſehr wenig von dieſer Sitte zu erkennen. Schon die Bilder zum Hortus de- liciarum der Herrad von Landsberg aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts zeigen ſie in beſchränkteſter Weiſe: nur ein ſchmaler Goldſaum an Hals und Hand, ohne Edelſteinbeſatz, ziert noch die Frauenkleidung. Etwas reicher iſt die Männerklei- dung auf denſelben Bildern mit Goldborten beſetzt, und auch am Königsornat finden ſich die Edelſteine, wie noch viel ſpäter. — Zu einer vollſtändigen Frauenkleidung gehörten in der vorigen Periode, im elften Jahrhundert, zwei Kleider, ein unte- res und ein oberes, und der Mantel. Das untere war das nothwendige und ſtets gebotene, welches den ganzen Körper vom Hals bis zu den Füßen bedeckte. Das obere Kleid war kürzer und reichte nur etwas über das Knie herunter, ſodaß das untere hier ſichtbar blieb und mit anderer Farbe wirkte. Aehnlich war es an den Armen. Das Oberkleid hatte kurze, offene Aermel, mit de- nen es nur den halben Oberarm in ziemlicher Weite umgab. Mit ſeiner Kürze ging es noch ins zwölfte Jahrhundert hinüber. So z. B. erſcheint es noch an der ſitzenden Relieffigur der Kai- ſerin Beatrix, Gemahlin Friedrichs I., in Freiſing. Auf den be- reits erwähnten Bildern der Herrad von Landsberg, alſo gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts, iſt es ſchon anders. Hier reicht das Oberkleid zu den Füßen herunter, und das untere iſt nur an den Armen ſichtbar, welche es bis zum Handgelenk völlig umſchließt. Dieſes untere Kleid oder, wie wir daſſelbe mit den Dichtern nennen wollen, der Rock, bildet auch jetzt das Hauptkleidungsſtück. Man erkennt das daraus, daß es zuweilen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/118
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/118>, abgerufen am 24.11.2024.