Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

und politischen reden.
ben werden, die selbst leben, die denen gedan-
cken und worten geist und leben mittheilen,
und doch sich niemahls dem joch der gesunden
vernunft entziehen. Kurtz ein redner muß
mit lebhaften neigungen etwas wollen, doch
nichts malhonnettes wollen, und sich seiner
neigungen als ein herr seiner unterthanen be-
dienen. Dieses ist die innere beschaffenheit
eines vollkommenen redners, und wenn es mit
dem inwendigen seine richtigkeit hat, so zeigen
sich nunmehro gedancken und regungen in
auserlesenen worten. Viel worte sind nicht
allemahl ein zeichen eines guten iudicii, viel
schöne worte wollen auch das werck nicht aus-
machen, und eine rede, deren verfasser so viel
gold und silber, diamanten, mosch, zibeth,
ambra, purpur, perlen, muscheln, geflammte
säulen, sinn - bilder einmischet, gleichet meh-
rentheils einem bettlers-mantel, welcher die
blösse des verstandes dennoch nicht bedecken
will. Aber sachen, die das hertz rühren, und
sich in denen worten kurtz und doch deutlich, rein-
lich und doch ungezwungen, angenehm und
doch in ihrem wesen fürstellen, sind ein kenn-
zeichen, wodurch ein redner sich hauptsächlich
unterscheidet. Er redet allezeit nach beschaf-
fenheit des vorhabenden obiecti und doch von
schlechten sachen niemahls niederträchtig, von
prächtigen dingen maiestätisch, aber niemals
aufgeblasen, von geistlichen andächtig, und
doch nicht mystisch oder heuchlerisch. Er schwa-

tzet
D d 5

und politiſchen reden.
ben werden, die ſelbſt leben, die denen gedan-
cken und worten geiſt und leben mittheilen,
und doch ſich niemahls dem joch der geſunden
vernunft entziehen. Kurtz ein redner muß
mit lebhaften neigungen etwas wollen, doch
nichts malhonnettes wollen, und ſich ſeiner
neigungen als ein herr ſeiner unterthanen be-
dienen. Dieſes iſt die innere beſchaffenheit
eines vollkommenen redners, und wenn es mit
dem inwendigen ſeine richtigkeit hat, ſo zeigen
ſich nunmehro gedancken und regungen in
auserleſenen worten. Viel worte ſind nicht
allemahl ein zeichen eines guten iudicii, viel
ſchoͤne worte wollen auch das werck nicht aus-
machen, und eine rede, deren verfaſſer ſo viel
gold und ſilber, diamanten, moſch, zibeth,
ambra, purpur, perlen, muſcheln, geflammte
ſaͤulen, ſinn - bilder einmiſchet, gleichet meh-
rentheils einem bettlers-mantel, welcher die
bloͤſſe des verſtandes dennoch nicht bedecken
will. Aber ſachen, die das hertz ruͤhren, und
ſich in denen worten kurtz uñ doch deutlich, rein-
lich und doch ungezwungen, angenehm und
doch in ihrem weſen fuͤrſtellen, ſind ein kenn-
zeichen, wodurch ein redner ſich hauptſaͤchlich
unterſcheidet. Er redet allezeit nach beſchaf-
fenheit des vorhabenden obiecti und doch von
ſchlechten ſachen niemahls niedertraͤchtig, von
praͤchtigen dingen maieſtaͤtiſch, aber niemals
aufgeblaſen, von geiſtlichen andaͤchtig, und
doch nicht myſtiſch oder heuchleriſch. Er ſchwa-

tzet
D d 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0443" n="425"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und politi&#x017F;chen                                 reden.</hi></fw><lb/>
ben werden, die &#x017F;elb&#x017F;t leben,                         die denen gedan-<lb/>
cken und worten gei&#x017F;t und leben                         mittheilen,<lb/>
und doch &#x017F;ich niemahls dem joch der                         ge&#x017F;unden<lb/>
vernunft entziehen. Kurtz ein redner muß<lb/>
mit                         lebhaften neigungen etwas wollen, doch<lb/>
nichts malhonnettes wollen, und                         &#x017F;ich &#x017F;einer<lb/>
neigungen als ein herr &#x017F;einer                         unterthanen be-<lb/>
dienen. Die&#x017F;es i&#x017F;t die innere                         be&#x017F;chaffenheit<lb/>
eines vollkommenen redners, und wenn es mit<lb/>
dem inwendigen &#x017F;eine richtigkeit hat, &#x017F;o zeigen<lb/>
&#x017F;ich nunmehro gedancken und regungen in<lb/>
auserle&#x017F;enen                         worten. Viel worte &#x017F;ind nicht<lb/>
allemahl ein zeichen eines guten                         iudicii, viel<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne worte wollen auch das werck nicht                         aus-<lb/>
machen, und eine rede, deren verfa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o                         viel<lb/>
gold und &#x017F;ilber, diamanten, mo&#x017F;ch, zibeth,<lb/>
ambra, purpur, perlen, mu&#x017F;cheln, geflammte<lb/>
&#x017F;a&#x0364;ulen, &#x017F;inn - bilder einmi&#x017F;chet, gleichet                         meh-<lb/>
rentheils einem bettlers-mantel, welcher die<lb/>
blo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des ver&#x017F;tandes dennoch nicht                         bedecken<lb/>
will. Aber &#x017F;achen, die das hertz ru&#x0364;hren,                         und<lb/>
&#x017F;ich in denen worten kurtz un&#x0303; doch deutlich,                         rein-<lb/>
lich und doch ungezwungen, angenehm und<lb/>
doch in ihrem                         we&#x017F;en fu&#x0364;r&#x017F;tellen, &#x017F;ind ein kenn-<lb/>
zeichen,                         wodurch ein redner &#x017F;ich haupt&#x017F;a&#x0364;chlich<lb/>
unter&#x017F;cheidet. Er redet allezeit nach be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit                         des vorhabenden obiecti und doch von<lb/>
&#x017F;chlechten &#x017F;achen                         niemahls niedertra&#x0364;chtig, von<lb/>
pra&#x0364;chtigen dingen                         maie&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ch, aber niemals<lb/>
aufgebla&#x017F;en,                         von gei&#x017F;tlichen anda&#x0364;chtig, und<lb/>
doch nicht                         my&#x017F;ti&#x017F;ch oder heuchleri&#x017F;ch. Er &#x017F;chwa-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d 5</fw><fw place="bottom" type="catch">tzet</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0443] und politiſchen reden. ben werden, die ſelbſt leben, die denen gedan- cken und worten geiſt und leben mittheilen, und doch ſich niemahls dem joch der geſunden vernunft entziehen. Kurtz ein redner muß mit lebhaften neigungen etwas wollen, doch nichts malhonnettes wollen, und ſich ſeiner neigungen als ein herr ſeiner unterthanen be- dienen. Dieſes iſt die innere beſchaffenheit eines vollkommenen redners, und wenn es mit dem inwendigen ſeine richtigkeit hat, ſo zeigen ſich nunmehro gedancken und regungen in auserleſenen worten. Viel worte ſind nicht allemahl ein zeichen eines guten iudicii, viel ſchoͤne worte wollen auch das werck nicht aus- machen, und eine rede, deren verfaſſer ſo viel gold und ſilber, diamanten, moſch, zibeth, ambra, purpur, perlen, muſcheln, geflammte ſaͤulen, ſinn - bilder einmiſchet, gleichet meh- rentheils einem bettlers-mantel, welcher die bloͤſſe des verſtandes dennoch nicht bedecken will. Aber ſachen, die das hertz ruͤhren, und ſich in denen worten kurtz uñ doch deutlich, rein- lich und doch ungezwungen, angenehm und doch in ihrem weſen fuͤrſtellen, ſind ein kenn- zeichen, wodurch ein redner ſich hauptſaͤchlich unterſcheidet. Er redet allezeit nach beſchaf- fenheit des vorhabenden obiecti und doch von ſchlechten ſachen niemahls niedertraͤchtig, von praͤchtigen dingen maieſtaͤtiſch, aber niemals aufgeblaſen, von geiſtlichen andaͤchtig, und doch nicht myſtiſch oder heuchleriſch. Er ſchwa- tzet D d 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/443
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/443>, abgerufen am 19.05.2024.