welche endlich die regeln vom stilo ohne ursach negligiren, etc.
§. 8. Doch ich muß hier auch denen zuhö- rern eine erinnerung geben, daß sie sich, wann sie iemand hören, einmahl bemühen, selbigen recht zu verstehen, und hernach von seinen ge- dancken und ausdruck ein vernünftiges urtheil zu fassen. Zu ienem ist nöthig, daß sie die sprache, darin geredet wird, recht inne haben, genau aufmercken, und kein wort vorbey las- sen, des redners stand und andere umstände, so viel möglich, in betrachtung ziehen, wenn sie in einem gemischten auditorio sind, nicht dencken, daß der redner ihnen allein zu gefallen rede, ihn nicht mit vorgefasten meinungen und blin- den affecten, sondern gehöriger gelassenheit anhören, auf seine haupt-proposition achtung geben, seine absichten recht bemercken, und wohin die sache gehöret, erwegen, nicht hören und zugleich urtheilen wollen. Können sie aber bey sich selbst gewiß seyn, daß sie den redner recht verstanden, so müssen sie doch noch, ehe sie zum urtheilen schreiten, bey sich überlegen, ob sie auch die disciplin, dahin die von ihm fürgetragene sache gehöret, recht be- griffen, ob sie den character des redenden und hörenden in ihren gedancken recht formiret, und alsdann können sie ein urtheil fassen, wo- bey sie sorgfältig, sich für den betrug der vor- urtheile und neigungen, zu hüten, und alle
regeln
des ausdrucks.
Nec te laudabis, nec te culpaueris ipſe,
Hoc faciunt ſtulti, quos gloria vexat inanis. &c.
welche endlich die regeln vom ſtilo ohne urſach negligiren, ꝛc.
§. 8. Doch ich muß hier auch denen zuhoͤ- rern eine erinnerung geben, daß ſie ſich, wann ſie iemand hoͤren, einmahl bemuͤhen, ſelbigen recht zu verſtehen, und hernach von ſeinen ge- dancken und ausdruck ein vernuͤnftiges urtheil zu faſſen. Zu ienem iſt noͤthig, daß ſie die ſprache, darin geredet wird, recht inne haben, genau aufmercken, und kein wort vorbey laſ- ſen, des redners ſtand und andere umſtaͤnde, ſo viel moͤglich, in betrachtung ziehen, wenn ſie in einem gemiſchten auditorio ſind, nicht dencken, daß der redner ihnen allein zu gefallen rede, ihn nicht mit vorgefaſten meinungen und blin- den affecten, ſondern gehoͤriger gelaſſenheit anhoͤren, auf ſeine haupt-propoſition achtung geben, ſeine abſichten recht bemercken, und wohin die ſache gehoͤret, erwegen, nicht hoͤren und zugleich urtheilen wollen. Koͤnnen ſie aber bey ſich ſelbſt gewiß ſeyn, daß ſie den redner recht verſtanden, ſo muͤſſen ſie doch noch, ehe ſie zum urtheilen ſchreiten, bey ſich uͤberlegen, ob ſie auch die diſciplin, dahin die von ihm fuͤrgetragene ſache gehoͤret, recht be- griffen, ob ſie den character des redenden und hoͤrenden in ihren gedancken recht formiret, und alsdann koͤnnen ſie ein urtheil faſſen, wo- bey ſie ſorgfaͤltig, ſich fuͤr den betrug der vor- urtheile und neigungen, zu huͤten, und alle
regeln
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0385"n="367"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des ausdrucks.</hi></fw><lb/><list><item><hirendition="#aq">Nec te laudabis, nec te culpaueris ipſe,</hi></item><lb/><item><hirendition="#aq">Hoc faciunt ſtulti, quos gloria vexat inanis. &c.</hi></item></list></item><lb/><item>welche endlich die regeln vom ſtilo ohne urſach<lb/>
negligiren, ꝛc.</item></list><lb/><p>§. 8. Doch ich muß hier auch denen zuhoͤ-<lb/>
rern eine erinnerung geben, daß ſie ſich, wann<lb/>ſie iemand hoͤren, einmahl bemuͤhen, ſelbigen<lb/>
recht zu verſtehen, und hernach von ſeinen ge-<lb/>
dancken und ausdruck ein vernuͤnftiges urtheil<lb/>
zu faſſen. Zu ienem iſt noͤthig, daß ſie die<lb/>ſprache, darin geredet wird, recht inne haben,<lb/>
genau aufmercken, und kein wort vorbey laſ-<lb/>ſen, des redners ſtand und andere umſtaͤnde, ſo<lb/>
viel moͤglich, in betrachtung ziehen, wenn ſie in<lb/>
einem gemiſchten auditorio ſind, nicht dencken,<lb/>
daß der redner ihnen allein zu gefallen rede,<lb/>
ihn nicht mit vorgefaſten meinungen und blin-<lb/>
den affecten, ſondern gehoͤriger gelaſſenheit<lb/>
anhoͤren, auf ſeine haupt-propoſition achtung<lb/>
geben, ſeine abſichten recht bemercken, und<lb/>
wohin die ſache gehoͤret, erwegen, nicht hoͤren<lb/>
und zugleich urtheilen wollen. Koͤnnen ſie<lb/>
aber bey ſich ſelbſt gewiß ſeyn, daß ſie den<lb/>
redner recht verſtanden, ſo muͤſſen ſie doch<lb/>
noch, ehe ſie zum urtheilen ſchreiten, bey ſich<lb/>
uͤberlegen, ob ſie auch die diſciplin, dahin die<lb/>
von ihm fuͤrgetragene ſache gehoͤret, recht be-<lb/>
griffen, ob ſie den character des redenden und<lb/>
hoͤrenden in ihren gedancken recht formiret,<lb/>
und alsdann koͤnnen ſie ein urtheil faſſen, wo-<lb/>
bey ſie ſorgfaͤltig, ſich fuͤr den betrug der vor-<lb/>
urtheile und neigungen, zu huͤten, und alle<lb/><fwplace="bottom"type="catch">regeln</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[367/0385]
des ausdrucks.
Nec te laudabis, nec te culpaueris ipſe,
Hoc faciunt ſtulti, quos gloria vexat inanis. &c.
welche endlich die regeln vom ſtilo ohne urſach
negligiren, ꝛc.
§. 8. Doch ich muß hier auch denen zuhoͤ-
rern eine erinnerung geben, daß ſie ſich, wann
ſie iemand hoͤren, einmahl bemuͤhen, ſelbigen
recht zu verſtehen, und hernach von ſeinen ge-
dancken und ausdruck ein vernuͤnftiges urtheil
zu faſſen. Zu ienem iſt noͤthig, daß ſie die
ſprache, darin geredet wird, recht inne haben,
genau aufmercken, und kein wort vorbey laſ-
ſen, des redners ſtand und andere umſtaͤnde, ſo
viel moͤglich, in betrachtung ziehen, wenn ſie in
einem gemiſchten auditorio ſind, nicht dencken,
daß der redner ihnen allein zu gefallen rede,
ihn nicht mit vorgefaſten meinungen und blin-
den affecten, ſondern gehoͤriger gelaſſenheit
anhoͤren, auf ſeine haupt-propoſition achtung
geben, ſeine abſichten recht bemercken, und
wohin die ſache gehoͤret, erwegen, nicht hoͤren
und zugleich urtheilen wollen. Koͤnnen ſie
aber bey ſich ſelbſt gewiß ſeyn, daß ſie den
redner recht verſtanden, ſo muͤſſen ſie doch
noch, ehe ſie zum urtheilen ſchreiten, bey ſich
uͤberlegen, ob ſie auch die diſciplin, dahin die
von ihm fuͤrgetragene ſache gehoͤret, recht be-
griffen, ob ſie den character des redenden und
hoͤrenden in ihren gedancken recht formiret,
und alsdann koͤnnen ſie ein urtheil faſſen, wo-
bey ſie ſorgfaͤltig, ſich fuͤr den betrug der vor-
urtheile und neigungen, zu huͤten, und alle
regeln
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/385>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.