Kemmerichl. c. p. 1040. Also klingt ange- führtes thema nach diesem stilo auf folgende weise:
Blöde hunde werden selten fett, und furchtsame, die ihnen selbst am wenigsten zutrauen, selten befördert. Das glück ist eine kühne göttin, wenn man ihre gewogenheit haben will, muß man sich mit ihr sympatisiren. Hingegen ist sie blind, also gewinnet man sie nicht, wenn man ihr den glantz ächter gelehrsamkeit fürhält, man erschreckt sie nicht mit dem schilde der Mi- nervä. Man fasse dann ein hertz, und von seinen verdiensten einen grösseren begrif, so wird man erfahren, daß es ein altes, aber heut zu tage erst recht wahres sprichwort: audaces fortuna iuuat.
§. 23. Jn ansehung desienigen, der da re- det, und seiner absichten, ist der stilus entwe- der serius, wenn man ernsthafte worte hat, und dieser hat nichts besonders, als daß er die familiären reden und schertzenden gedancken meidet, oder iocosus, wann man schertzet, die- ser hat vieles mit dem satyrischen und burle- sque gemein, iener heist auch candidus, wann er es so meinet, als er redet, dieser ironicus, wann er was anders und wohl gar das ge- gentheil verstehet: Ferner ist er entweder re- citativus, und erzehlet anderer leute worte, wie sie von ihnen ausgesprochen, oder relati- vus, und verändert nur die Grammaticalische form der temporum, beyde gehören zum Histo-
rico:
von denen unterſchiedenen arten
Kemmerichl. c. p. 1040. Alſo klingt ange- fuͤhrtes thema nach dieſem ſtilo auf folgende weiſe:
Bloͤde hunde werden ſelten fett, und furchtſame, die ihnen ſelbſt am wenigſten zutrauen, ſelten befoͤrdert. Das gluͤck iſt eine kuͤhne goͤttin, wenn man ihre gewogenheit haben will, muß man ſich mit ihr ſympatiſiren. Hingegen iſt ſie blind, alſo gewinnet man ſie nicht, wenn man ihr den glantz aͤchter gelehrſamkeit fuͤrhaͤlt, man erſchreckt ſie nicht mit dem ſchilde der Mi- nervaͤ. Man faſſe dann ein hertz, und von ſeinen verdienſten einen groͤſſeren begrif, ſo wird man erfahren, daß es ein altes, aber heut zu tage erſt recht wahres ſprichwort: audaces fortuna iuuat.
§. 23. Jn anſehung desienigen, der da re- det, und ſeiner abſichten, iſt der ſtilus entwe- der ſerius, wenn man ernſthafte worte hat, und dieſer hat nichts beſonders, als daß er die familiaͤren reden und ſchertzenden gedancken meidet, oder iocoſus, wann man ſchertzet, die- ſer hat vieles mit dem ſatyriſchen und burle- ſque gemein, iener heiſt auch candidus, wann er es ſo meinet, als er redet, dieſer ironicus, wann er was anders und wohl gar das ge- gentheil verſtehet: Ferner iſt er entweder re- citativus, und erzehlet anderer leute worte, wie ſie von ihnen ausgeſprochen, oder relati- vus, und veraͤndert nur die Grammaticaliſche form der temporum, beyde gehoͤren zum Hiſto-
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von denen unterſchiedenen arten
Kemmerich l. c. p. 1040. Alſo klingt ange-
fuͤhrtes thema nach dieſem ſtilo auf folgende
weiſe:
Bloͤde hunde werden ſelten fett, und furchtſame,
die ihnen ſelbſt am wenigſten zutrauen, ſelten
befoͤrdert. Das gluͤck iſt eine kuͤhne goͤttin,
wenn man ihre gewogenheit haben will, muß
man ſich mit ihr ſympatiſiren. Hingegen iſt
ſie blind, alſo gewinnet man ſie nicht, wenn
man ihr den glantz aͤchter gelehrſamkeit fuͤrhaͤlt,
man erſchreckt ſie nicht mit dem ſchilde der Mi-
nervaͤ. Man faſſe dann ein hertz, und von
ſeinen verdienſten einen groͤſſeren begrif, ſo
wird man erfahren, daß es ein altes, aber
heut zu tage erſt recht wahres ſprichwort:
audaces fortuna iuuat.
§. 23. Jn anſehung desienigen, der da re-
det, und ſeiner abſichten, iſt der ſtilus entwe-
der ſerius, wenn man ernſthafte worte hat,
und dieſer hat nichts beſonders, als daß er die
familiaͤren reden und ſchertzenden gedancken
meidet, oder iocoſus, wann man ſchertzet, die-
ſer hat vieles mit dem ſatyriſchen und burle-
ſque gemein, iener heiſt auch candidus, wann
er es ſo meinet, als er redet, dieſer ironicus,
wann er was anders und wohl gar das ge-
gentheil verſtehet: Ferner iſt er entweder re-
citativus, und erzehlet anderer leute worte,
wie ſie von ihnen ausgeſprochen, oder relati-
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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/366>, abgerufen am 18.06.2024.
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