Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Euler, Leonhard: Einleitung zur Rechen-Kunst. Bd. 1. St. Petersburg, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite



ren Grund von einer jeglichen Operation im-
mer vor Augen habe, und dadurch zu gründ-
lichem Rachdencken nach und nach angewöh-
net werde. Dann wann man auf diese Art
nicht nur die Regeln begreifft, sondern auch
den Grund und Ursprung derselben deutlich
einsieht, so wird man einiger massen in Stand
gesetzt selbsten neue Regeln zu erfinden, und
vermittelst derselben solche Aufgaben aufzulö-
sen, zu welchen die sonst gewöhnlichen Regeln
nicht hinreichend sind. Man hat auch im ge-
ringsten nicht zu befürchten, daß die Erler-
nung der Arithmetic auf diese Art schwehrer
fallen und mehr Zeit erfordern werde, als
wann man nur die blossen Regeln ohne eini-
gen Grund vorträgt: Dann ein jeder Mensch
begreifft und behält dasjenige im Gedächtnüß
viel leichter, wovon er den Grund und Ur-
sprung deutlich einsieht; und weiß sich auch
dasselbe bey allen vorkommenden Fällen weit
besser zu Nutz zu machen. Uber das wer eine
jegliche Kunst und Wissenschafft aus dem
Grunde erlernet, der sieht auch ohne Anlei-

tung



ren Grund von einer jeglichen Operation im-
mer vor Augen habe, und dadurch zu gruͤnd-
lichem Rachdencken nach und nach angewoͤh-
net werde. Dann wann man auf dieſe Art
nicht nur die Regeln begreifft, ſondern auch
den Grund und Urſprung derſelben deutlich
einſieht, ſo wird man einiger maſſen in Stand
geſetzt ſelbſten neue Regeln zu erfinden, und
vermittelſt derſelben ſolche Aufgaben aufzuloͤ-
ſen, zu welchen die ſonſt gewoͤhnlichen Regeln
nicht hinreichend ſind. Man hat auch im ge-
ringſten nicht zu befuͤrchten, daß die Erler-
nung der Arithmetic auf dieſe Art ſchwehrer
fallen und mehr Zeit erfordern werde, als
wann man nur die bloſſen Regeln ohne eini-
gen Grund vortraͤgt: Dann ein jeder Menſch
begreifft und behaͤlt dasjenige im Gedaͤchtnuͤß
viel leichter, wovon er den Grund und Ur-
ſprung deutlich einſieht; und weiß ſich auch
daſſelbe bey allen vorkommenden Faͤllen weit
beſſer zu Nutz zu machen. Uber das wer eine
jegliche Kunſt und Wiſſenſchafft aus dem
Grunde erlernet, der ſieht auch ohne Anlei-

tung
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ren Grund von einer jeglichen <hi rendition="#aq">Operation</hi> im-<lb/>
mer vor Augen habe, und dadurch zu gru&#x0364;nd-<lb/>
lichem Rachdencken nach und nach angewo&#x0364;h-<lb/>
net werde. Dann wann man auf die&#x017F;e Art<lb/>
nicht nur die Regeln begreifft, &#x017F;ondern auch<lb/>
den Grund und Ur&#x017F;prung der&#x017F;elben deutlich<lb/>
ein&#x017F;ieht, &#x017F;o wird man einiger ma&#x017F;&#x017F;en in Stand<lb/>
ge&#x017F;etzt &#x017F;elb&#x017F;ten neue Regeln zu erfinden, und<lb/>
vermittel&#x017F;t der&#x017F;elben &#x017F;olche Aufgaben aufzulo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en, zu welchen die &#x017F;on&#x017F;t gewo&#x0364;hnlichen Regeln<lb/>
nicht hinreichend &#x017F;ind. Man hat auch im ge-<lb/>
ring&#x017F;ten nicht zu befu&#x0364;rchten, daß die Erler-<lb/>
nung der <hi rendition="#aq">Arithmetic</hi> auf die&#x017F;e Art &#x017F;chwehrer<lb/>
fallen und mehr Zeit erfordern werde, als<lb/>
wann man nur die blo&#x017F;&#x017F;en Regeln ohne eini-<lb/>
gen Grund vortra&#x0364;gt: Dann ein jeder Men&#x017F;ch<lb/>
begreifft und beha&#x0364;lt dasjenige im Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß<lb/>
viel leichter, wovon er den Grund und Ur-<lb/>
&#x017F;prung deutlich ein&#x017F;ieht; und weiß &#x017F;ich auch<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe bey allen vorkommenden Fa&#x0364;llen weit<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er zu Nutz zu machen. Uber das wer eine<lb/>
jegliche Kun&#x017F;t und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft aus dem<lb/>
Grunde erlernet, der &#x017F;ieht auch ohne Anlei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0010] ren Grund von einer jeglichen Operation im- mer vor Augen habe, und dadurch zu gruͤnd- lichem Rachdencken nach und nach angewoͤh- net werde. Dann wann man auf dieſe Art nicht nur die Regeln begreifft, ſondern auch den Grund und Urſprung derſelben deutlich einſieht, ſo wird man einiger maſſen in Stand geſetzt ſelbſten neue Regeln zu erfinden, und vermittelſt derſelben ſolche Aufgaben aufzuloͤ- ſen, zu welchen die ſonſt gewoͤhnlichen Regeln nicht hinreichend ſind. Man hat auch im ge- ringſten nicht zu befuͤrchten, daß die Erler- nung der Arithmetic auf dieſe Art ſchwehrer fallen und mehr Zeit erfordern werde, als wann man nur die bloſſen Regeln ohne eini- gen Grund vortraͤgt: Dann ein jeder Menſch begreifft und behaͤlt dasjenige im Gedaͤchtnuͤß viel leichter, wovon er den Grund und Ur- ſprung deutlich einſieht; und weiß ſich auch daſſelbe bey allen vorkommenden Faͤllen weit beſſer zu Nutz zu machen. Uber das wer eine jegliche Kunſt und Wiſſenſchafft aus dem Grunde erlernet, der ſieht auch ohne Anlei- tung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/euler_rechenkunst01_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/euler_rechenkunst01_1738/10
Zitationshilfe: Euler, Leonhard: Einleitung zur Rechen-Kunst. Bd. 1. St. Petersburg, 1738, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/euler_rechenkunst01_1738/10>, abgerufen am 22.11.2024.