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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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I haubtst. von der wirklichkeit
auch in der peinlichen halßgerichtsordnung des
Kaisers Carls des Vten, und sonst geschehen ist,
Struv de consuetud. imp. Rom. Germ. vniu.
s. 71 fgg., Just Henning Böhmers kurzer ent-
wurf des alten teutschen rechtes etc Halle 1747, 4.
Die gewonheiten, und ritus sind eigentlich von
einander unterschiden; jene haben einen ufum ju-
ridicum; allein die leztere nicht. Jnzwischen ist
hieraus wahrzunemen: daß die sitten, und bräu-
che, auch gewonheiten der Teutschen vor, und in
den vier ersten jarhunderten nach Christi geburt
den ältesten zeitpunct, und die erste abteitung der
teutschen rechte ausmachen. Nachher wurden
auch gesäze bei ihnen bekannt gemachet, welche nun
zu betrachten stehen, und die andere abteilung
derselben abgeben. Auf dise folgen die rechte der
mittleren, und endlich der neueren zeiten; die ab-
handelung aber des teutschen rechtes kan überhaubt
in drei zeitpuncte abget eilet werden, und zwar in
absicht 1) auf den ersten ursprung, 2) auf die ver-
änderung, 3) auf die verlassung, auch unterdrü-
ckung desselben. Was den ersten zeitpunct be-
trift, sind verschidene säze voraus zu sezen, und
zum grunde zu legen: 1) die alte Teutsche waren
ein rauhes, wildes, und krigerisches volk, welche
sich daher um die gesäze, wie die Griechen, und
Römer thaten, langsam bekümmerten. 2) Hatte
dieses rauhe volk keine litteratur; wohl aber ver-
nunft; mithin hatten vom anfange die Teutschen
keine geschribenen gesäze; wohl aber sitten, bräu-
che, und gewonheiten, welche 3) auf ihren zusam-
menkünften festgesezet, und bei fürfallenden rechts-
händeln angewendet wurden. Sie redeten aber
4) dergleichen sazungen nicht mehr ab, als sie zur
erhaltung ihrer gesellschaft für nöhtig erachteten.
Denn die Teutsche haben niemals von einer souve-

raini-

I haubtſt. von der wirklichkeit
auch in der peinlichen halßgerichtsordnung des
Kaiſers Carls des Vten, und ſonſt geſchehen iſt,
Struv de conſuetud. imp. Rom. Germ. vniu.
ſ. 71 fgg., Juſt Henning Boͤhmers kurzer ent-
wurf des alten teutſchen rechtes ꝛc Halle 1747, 4.
Die gewonheiten, und ritus ſind eigentlich von
einander unterſchiden; jene haben einen ufum ju-
ridicum; allein die leztere nicht. Jnzwiſchen iſt
hieraus wahrzunemen: daß die ſitten, und braͤu-
che, auch gewonheiten der Teutſchen vor, und in
den vier erſten jarhunderten nach Chriſti geburt
den aͤlteſten zeitpunct, und die erſte abteitung der
teutſchen rechte ausmachen. Nachher wurden
auch geſaͤze bei ihnen bekannt gemachet, welche nun
zu betrachten ſtehen, und die andere abteilung
derſelben abgeben. Auf diſe folgen die rechte der
mittleren, und endlich der neueren zeiten; die ab-
handelung aber des teutſchen rechtes kan uͤberhaubt
in drei zeitpuncte abget eilet werden, und zwar in
abſicht 1) auf den erſten urſprung, 2) auf die ver-
aͤnderung, 3) auf die verlaſſung, auch unterdruͤ-
ckung deſſelben. Was den erſten zeitpunct be-
trift, ſind verſchidene ſaͤze voraus zu ſezen, und
zum grunde zu legen: 1) die alte Teutſche waren
ein rauhes, wildes, und krigeriſches volk, welche
ſich daher um die geſaͤze, wie die Griechen, und
Roͤmer thaten, langſam bekuͤmmerten. 2) Hatte
dieſes rauhe volk keine litteratur; wohl aber ver-
nunft; mithin hatten vom anfange die Teutſchen
keine geſchribenen geſaͤze; wohl aber ſitten, braͤu-
che, und gewonheiten, welche 3) auf ihren zuſam-
menkuͤnften feſtgeſezet, und bei fuͤrfallenden rechts-
haͤndeln angewendet wurden. Sie redeten aber
4) dergleichen ſazungen nicht mehr ab, als ſie zur
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Denn die Teutſche haben niemals von einer ſouve-

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[10/0034] I haubtſt. von der wirklichkeit auch in der peinlichen halßgerichtsordnung des Kaiſers Carls des Vten, und ſonſt geſchehen iſt, Struv de conſuetud. imp. Rom. Germ. vniu. ſ. 71 fgg., Juſt Henning Boͤhmers kurzer ent- wurf des alten teutſchen rechtes ꝛc Halle 1747, 4. Die gewonheiten, und ritus ſind eigentlich von einander unterſchiden; jene haben einen ufum ju- ridicum; allein die leztere nicht. Jnzwiſchen iſt hieraus wahrzunemen: daß die ſitten, und braͤu- che, auch gewonheiten der Teutſchen vor, und in den vier erſten jarhunderten nach Chriſti geburt den aͤlteſten zeitpunct, und die erſte abteitung der teutſchen rechte ausmachen. Nachher wurden auch geſaͤze bei ihnen bekannt gemachet, welche nun zu betrachten ſtehen, und die andere abteilung derſelben abgeben. Auf diſe folgen die rechte der mittleren, und endlich der neueren zeiten; die ab- handelung aber des teutſchen rechtes kan uͤberhaubt in drei zeitpuncte abget eilet werden, und zwar in abſicht 1) auf den erſten urſprung, 2) auf die ver- aͤnderung, 3) auf die verlaſſung, auch unterdruͤ- ckung deſſelben. Was den erſten zeitpunct be- trift, ſind verſchidene ſaͤze voraus zu ſezen, und zum grunde zu legen: 1) die alte Teutſche waren ein rauhes, wildes, und krigeriſches volk, welche ſich daher um die geſaͤze, wie die Griechen, und Roͤmer thaten, langſam bekuͤmmerten. 2) Hatte dieſes rauhe volk keine litteratur; wohl aber ver- nunft; mithin hatten vom anfange die Teutſchen keine geſchribenen geſaͤze; wohl aber ſitten, braͤu- che, und gewonheiten, welche 3) auf ihren zuſam- menkuͤnften feſtgeſezet, und bei fuͤrfallenden rechts- haͤndeln angewendet wurden. Sie redeten aber 4) dergleichen ſazungen nicht mehr ab, als ſie zur erhaltung ihrer geſellſchaft fuͤr noͤhtig erachteten. Denn die Teutſche haben niemals von einer ſouve- raini-

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/34>, abgerufen am 28.04.2024.