ortes, wo einer wonet, und was sich darin befin- det. Jn den Schenkischen brifschaften zu Schweinsberg findet sich eine mit der aufschrift: einwart. Dises ist die grenzbeschreibung, was zum orte gehöret, an aeckern, seldern, wassern, wiswachse. Die bauern nennen es ewert in den hisigen gegenden, und verstehen dadurch 3) das looßholz, welches sie aus der dorfwaldung erhal- ten. Sihe meine neuen kleinen schriften, im an- dern bande, abh. 48, s. 203 fg.
Sechszehntes Haubtstück von den fremden, und der gastfreiheit der Teutschen. § 112
Der alte Teutsche hilt den fremden für einen feind, und leibeigenen; ob er schon gast- frei, und freundlich sich gegen seinen gast bezeige- te, Tacitus cap. 21. Es sind allso gäste, und fremde weit von einander, den teutschen rechten nach, unterschiden gewesen. Dahir nemen wir das wort: fremd, nicht für einen gast, wie man wohl im gemeinen leben zu sagen pfleget: er hat fremde, d. i. gäste, welche aus dem orte wohl seyn können. Ein kloster muß gastfrei seyn; wi- drigenfalls hält man es für grob, auch unhöflich; es will sich aber Teutschland keine fremden, und ausländer in den stiftern, auch canonicaten auf- bürden lassen, wie die beispile am tage ligen. Di- weil der Teutsche gern aß; so liß er keinen frem- den, keinen freund, keinen nachbar, ungegessen von sich gehen. Der bauer spricht: aen müffelgen rüret aen andergen; ein kleiner bissen erquicket den andern. Disemnach teilete er auch andern gern
mit;
J 2
von den eingebornen Teutſchen.
ortes, wo einer wonet, und was ſich darin befin- det. Jn den Schenkiſchen brifſchaften zu Schweinsberg findet ſich eine mit der aufſchrift: einwart. Diſes iſt die grenzbeſchreibung, was zum orte gehoͤret, an aeckern, ſeldern, waſſern, wiſwachſe. Die bauern nennen es ewert in den hiſigen gegenden, und verſtehen dadurch 3) das looßholz, welches ſie aus der dorfwaldung erhal- ten. Sihe meine neuen kleinen ſchriften, im an- dern bande, abh. 48, ſ. 203 fg.
Sechszehntes Haubtſtuͤck von den fremden, und der gaſtfreiheit der Teutſchen. § 112
Der alte Teutſche hilt den fremden fuͤr einen feind, und leibeigenen; ob er ſchon gaſt- frei, und freundlich ſich gegen ſeinen gaſt bezeige- te, Tacitus cap. 21. Es ſind allſo gaͤſte, und fremde weit von einander, den teutſchen rechten nach, unterſchiden geweſen. Dahir nemen wir das wort: fremd, nicht fuͤr einen gaſt, wie man wohl im gemeinen leben zu ſagen pfleget: er hat fremde, d. i. gaͤſte, welche aus dem orte wohl ſeyn koͤnnen. Ein kloſter muß gaſtfrei ſeyn; wi- drigenfalls haͤlt man es fuͤr grob, auch unhoͤflich; es will ſich aber Teutſchland keine fremden, und auslaͤnder in den ſtiftern, auch canonicaten auf- buͤrden laſſen, wie die beiſpile am tage ligen. Di- weil der Teutſche gern aß; ſo liß er keinen frem- den, keinen freund, keinen nachbar, ungegeſſen von ſich gehen. Der bauer ſpricht: aen muͤffelgen ruͤret aen andergen; ein kleiner biſſen erquicket den andern. Diſemnach teilete er auch andern gern
mit;
J 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0155"n="131"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von den eingebornen Teutſchen.</hi></fw><lb/>
ortes, wo einer wonet, und was ſich darin befin-<lb/>
det. Jn den Schenkiſchen brifſchaften zu<lb/>
Schweinsberg findet ſich eine mit der aufſchrift:<lb/>
einwart. Diſes iſt die grenzbeſchreibung, was<lb/>
zum orte gehoͤret, an aeckern, ſeldern, waſſern,<lb/>
wiſwachſe. Die bauern nennen es ewert in den<lb/>
hiſigen gegenden, und verſtehen dadurch 3) das<lb/>
looßholz, welches ſie aus der dorfwaldung erhal-<lb/>
ten. Sihe meine neuen kleinen ſchriften, im an-<lb/>
dern bande, abh. 48, ſ. 203 fg.</p></div></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b">Sechszehntes Haubtſtuͤck<lb/>
von den fremden, und der gaſtfreiheit<lb/>
der Teutſchen.</hi><lb/>
§ 112</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>er alte Teutſche hilt den fremden fuͤr einen<lb/>
feind, und leibeigenen; ob er ſchon gaſt-<lb/>
frei, und freundlich ſich gegen ſeinen gaſt bezeige-<lb/>
te, <hirendition="#fr">Tacitus</hi> cap. 21. Es ſind allſo gaͤſte, und<lb/>
fremde weit von einander, den teutſchen rechten<lb/>
nach, unterſchiden geweſen. Dahir nemen wir<lb/>
das wort: <hirendition="#fr">fremd,</hi> nicht fuͤr einen gaſt, wie man<lb/>
wohl im gemeinen leben zu ſagen pfleget: er hat<lb/>
fremde, d. i. gaͤſte, welche aus dem orte wohl<lb/>ſeyn koͤnnen. Ein kloſter muß gaſtfrei ſeyn; wi-<lb/>
drigenfalls haͤlt man es fuͤr grob, auch unhoͤflich;<lb/>
es will ſich aber Teutſchland keine fremden, und<lb/>
auslaͤnder in den ſtiftern, auch canonicaten auf-<lb/>
buͤrden laſſen, wie die beiſpile am tage ligen. Di-<lb/>
weil der Teutſche gern aß; ſo liß er keinen frem-<lb/>
den, keinen freund, keinen nachbar, ungegeſſen von<lb/>ſich gehen. Der bauer ſpricht: aen muͤffelgen<lb/>
ruͤret aen andergen; ein kleiner biſſen erquicket den<lb/>
andern. Diſemnach teilete er auch andern gern<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">mit;</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[131/0155]
von den eingebornen Teutſchen.
ortes, wo einer wonet, und was ſich darin befin-
det. Jn den Schenkiſchen brifſchaften zu
Schweinsberg findet ſich eine mit der aufſchrift:
einwart. Diſes iſt die grenzbeſchreibung, was
zum orte gehoͤret, an aeckern, ſeldern, waſſern,
wiſwachſe. Die bauern nennen es ewert in den
hiſigen gegenden, und verſtehen dadurch 3) das
looßholz, welches ſie aus der dorfwaldung erhal-
ten. Sihe meine neuen kleinen ſchriften, im an-
dern bande, abh. 48, ſ. 203 fg.
Sechszehntes Haubtſtuͤck
von den fremden, und der gaſtfreiheit
der Teutſchen.
§ 112
Der alte Teutſche hilt den fremden fuͤr einen
feind, und leibeigenen; ob er ſchon gaſt-
frei, und freundlich ſich gegen ſeinen gaſt bezeige-
te, Tacitus cap. 21. Es ſind allſo gaͤſte, und
fremde weit von einander, den teutſchen rechten
nach, unterſchiden geweſen. Dahir nemen wir
das wort: fremd, nicht fuͤr einen gaſt, wie man
wohl im gemeinen leben zu ſagen pfleget: er hat
fremde, d. i. gaͤſte, welche aus dem orte wohl
ſeyn koͤnnen. Ein kloſter muß gaſtfrei ſeyn; wi-
drigenfalls haͤlt man es fuͤr grob, auch unhoͤflich;
es will ſich aber Teutſchland keine fremden, und
auslaͤnder in den ſtiftern, auch canonicaten auf-
buͤrden laſſen, wie die beiſpile am tage ligen. Di-
weil der Teutſche gern aß; ſo liß er keinen frem-
den, keinen freund, keinen nachbar, ungegeſſen von
ſich gehen. Der bauer ſpricht: aen muͤffelgen
ruͤret aen andergen; ein kleiner biſſen erquicket den
andern. Diſemnach teilete er auch andern gern
mit;
J 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/155>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.