Hirauf kan ich nicht verhalten, daß der alte Teutsche so wenig seine sprache rein aussprechen konte; so wenig als es izt der Helvetier zu tun ver- mag. Woher kommen die unzälichen y? der Teutsche konte nicht sagen: bei, sondern er sprach mit der kehle: bei-ih. Darum schribe er: bey. Wetterdächer und balken legete der Teutsche über seine buchstaben nicht, um anzuzeigen, daß dise sylbe lang auszusprechen sey. Um nun anzudeuten: welche sylbe er lang auszusprechen haben wollte? so rückete er das h ein. Damit es nicht heisse: tun, so schribe er tuhn. Dafern man aber gewust hätte, daß iemanden, der zumal einen einmal-eins-bauch füret, deshalber eine beklemmung von einer gram- matischen blähung zugestosen seyn würde; so hätte man zu seinem behufe, wie im gradu ad Parnassum die zeichen stehen, dise der länge und kürze über iedes wort sezen können. Jnzwischen schlüsse der Wernicke s. 21:
Magst du, was meine feler sind, Von meinem feinde gerne hören; So laß auch meinen freund dich lehren, Was man bei mir für gutes findt. Marburg den 18ten märz 1758.
Johann George Estor.
Erinne-
Vorrede.
Hirauf kan ich nicht verhalten, daß der alte Teutſche ſo wenig ſeine ſprache rein ausſprechen konte; ſo wenig als es izt der Helvetier zu tun ver- mag. Woher kommen die unzaͤlichen y? der Teutſche konte nicht ſagen: bei, ſondern er ſprach mit der kehle: bei-ih. Darum ſchribe er: bey. Wetterdaͤcher und balken legete der Teutſche uͤber ſeine buchſtaben nicht, um anzuzeigen, daß diſe ſylbe lang auszuſprechen ſey. Um nun anzudeuten: welche ſylbe er lang auszuſprechen haben wollte? ſo ruͤckete er das h ein. Damit es nicht heiſſe: tun, ſo ſchribe er tuhn. Dafern man aber gewuſt haͤtte, daß iemanden, der zumal einen einmal-eins-bauch fuͤret, deshalber eine beklemmung von einer gram- matiſchen blaͤhung zugeſtoſen ſeyn wuͤrde; ſo haͤtte man zu ſeinem behufe, wie im gradu ad Parnaſſum die zeichen ſtehen, diſe der laͤnge und kuͤrze uͤber iedes wort ſezen koͤnnen. Jnzwiſchen ſchluͤſſe der Wernicke ſ. 21:
Magſt du, was meine feler ſind, Von meinem feinde gerne hoͤren; So laß auch meinen freund dich lehren, Was man bei mir fuͤr gutes findt. Marburg den 18ten maͤrz 1758.
Johann George Eſtor.
Erinne-
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Vorrede.
Hirauf kan ich nicht verhalten, daß der alte
Teutſche ſo wenig ſeine ſprache rein ausſprechen
konte; ſo wenig als es izt der Helvetier zu tun ver-
mag. Woher kommen die unzaͤlichen y? der
Teutſche konte nicht ſagen: bei, ſondern er ſprach
mit der kehle: bei-ih. Darum ſchribe er: bey.
Wetterdaͤcher und balken legete der Teutſche uͤber
ſeine buchſtaben nicht, um anzuzeigen, daß diſe
ſylbe lang auszuſprechen ſey. Um nun anzudeuten:
welche ſylbe er lang auszuſprechen haben wollte? ſo
ruͤckete er das h ein. Damit es nicht heiſſe: tun,
ſo ſchribe er tuhn. Dafern man aber gewuſt haͤtte,
daß iemanden, der zumal einen einmal-eins-bauch
fuͤret, deshalber eine beklemmung von einer gram-
matiſchen blaͤhung zugeſtoſen ſeyn wuͤrde; ſo haͤtte
man zu ſeinem behufe, wie im gradu ad Parnaſſum
die zeichen ſtehen, diſe der laͤnge und kuͤrze uͤber
iedes wort ſezen koͤnnen. Jnzwiſchen ſchluͤſſe der
Wernicke ſ. 21:
Magſt du, was meine feler ſind,
Von meinem feinde gerne hoͤren;
So laß auch meinen freund dich lehren,
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Marburg
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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit02_1758/16>, abgerufen am 24.11.2024.
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