Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Daß Dich Gott behüt! Wann trägst Knosp' und Blüth' -- Minne Du?! ..." Gudula, das Kind der Waldfrau, Lauschte jetzt mit klugem Auge Rings umher, ob irgend Antwort Auf ihr fragend Lied erschalle, Und sie nickt verständnißinnig Zu den sonnenlichten Wipfeln. Darin klang und sang es leise, Just als ob ein Beifallsflüstern Durch das Blattwerk lief, und zärtlich Rieseln weiße Blüthenflocken Auf das Haupt des Dirnleins nieder. Gudula fuhr fort zu singen: "Ich weiß es wohl, ich weiß es wohl, Was Minne will besagen, Ich hörte in dem Holderstrauch Die Nachtigall es klagen, Ich las es in der Rose Kelch, Der purpurn sich erschlossen, Als er bei Mondes Silberschein Den süßen Duft ergossen! Ich fühlte es im stillen Wald Auf leisen Schwingen wehen, So zauberhold durch Blüthenthau Muß Göttin Minne gehen! Ich weiß es wohl, was Minne ist, Und nahm sie mir zu eigen, Wem aber, wem -- ach kommt und helft! Wem soll ich sie erzeigen?" 5*
Daß Dich Gott behüt! Wann trägſt Knoſp' und Blüth' — Minne Du?! ...“ Gudula, das Kind der Waldfrau, Lauſchte jetzt mit klugem Auge Rings umher, ob irgend Antwort Auf ihr fragend Lied erſchalle, Und ſie nickt verſtändnißinnig Zu den ſonnenlichten Wipfeln. Darin klang und ſang es leiſe, Juſt als ob ein Beifallsflüſtern Durch das Blattwerk lief, und zärtlich Rieſeln weiße Blüthenflocken Auf das Haupt des Dirnleins nieder. Gudula fuhr fort zu ſingen: „Ich weiß es wohl, ich weiß es wohl, Was Minne will beſagen, Ich hörte in dem Holderſtrauch Die Nachtigall es klagen, Ich las es in der Roſe Kelch, Der purpurn ſich erſchloſſen, Als er bei Mondes Silberſchein Den ſüßen Duft ergoſſen! Ich fühlte es im ſtillen Wald Auf leiſen Schwingen wehen, So zauberhold durch Blüthenthau Muß Göttin Minne gehen! Ich weiß es wohl, was Minne iſt, Und nahm ſie mir zu eigen, Wem aber, wem — ach kommt und helft! Wem ſoll ich ſie erzeigen?“ 5*
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Daß Dich Gott behüt!
Wann trägſt Knoſp' und Blüth' —
Minne Du?! ...“
Gudula, das Kind der Waldfrau,
Lauſchte jetzt mit klugem Auge
Rings umher, ob irgend Antwort
Auf ihr fragend Lied erſchalle,
Und ſie nickt verſtändnißinnig
Zu den ſonnenlichten Wipfeln.
Darin klang und ſang es leiſe,
Juſt als ob ein Beifallsflüſtern
Durch das Blattwerk lief, und zärtlich
Rieſeln weiße Blüthenflocken
Auf das Haupt des Dirnleins nieder.
Gudula fuhr fort zu ſingen:
„Ich weiß es wohl, ich weiß es wohl,
Was Minne will beſagen,
Ich hörte in dem Holderſtrauch
Die Nachtigall es klagen,
Ich las es in der Roſe Kelch,
Der purpurn ſich erſchloſſen,
Als er bei Mondes Silberſchein
Den ſüßen Duft ergoſſen!
Ich fühlte es im ſtillen Wald
Auf leiſen Schwingen wehen,
So zauberhold durch Blüthenthau
Muß Göttin Minne gehen!
Ich weiß es wohl, was Minne iſt,
Und nahm ſie mir zu eigen,
Wem aber, wem — ach kommt und helft!
Wem ſoll ich ſie erzeigen?“
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Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/81>, abgerufen am 16.02.2025. |