Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Und will weiter reiten. Plötzlich
Blickt sie auf und schrickt und schauet Jäh betroffen in sein Antlitz, Drin ein großes Auge blauet, Das sie ernst und seltsam anblickt. Wie gebannt hält sie am Platze, Seufzt tief auf und denkt im Herzen: "O, wie mahnt mich an der Katze Augen dieser Blick des Alten!" -- Ob's zum Schutz bei scharfem Winde, Jetzt erst sieht sie vor den Lippen Sorgsam hüllend eine Binde, Die sein halbes Antlitz decket, Und mit mitleidsvollem Sorgen Fragt sie leis: "Wohin des Weges? Rauh und neblig ist der Morgen, Nicht gemacht zur Rast im Freien. Ihr seid alt, ehrwürd'ger Vater; Seht, gar dicht fängt's an zu schneien." Voll trifft sie sein Blick: "Ich wandre Nach der Deurenburg, o Fraue, Daß ich nach dem alten Freunde, Meinem edlen Ritter, schaue. Langsam geht's nur von der Stelle, Doch ich habe Zeit und Weile, Sehnsucht hilft mir, daß im Geiste Meinem Fuß voraus ich eile." Sanft, gedämpft klingt seine Stimme, Und er wendet sich zum Gehen, Nella aber rufet freundlich: "In der Burg auf Wiedersehen!" Und will weiter reiten. Plötzlich
Blickt ſie auf und ſchrickt und ſchauet Jäh betroffen in ſein Antlitz, Drin ein großes Auge blauet, Das ſie ernſt und ſeltſam anblickt. Wie gebannt hält ſie am Platze, Seufzt tief auf und denkt im Herzen: „O, wie mahnt mich an der Katze Augen dieſer Blick des Alten!“ — Ob's zum Schutz bei ſcharfem Winde, Jetzt erſt ſieht ſie vor den Lippen Sorgſam hüllend eine Binde, Die ſein halbes Antlitz decket, Und mit mitleidsvollem Sorgen Fragt ſie leis: „Wohin des Weges? Rauh und neblig iſt der Morgen, Nicht gemacht zur Raſt im Freien. Ihr ſeid alt, ehrwürd'ger Vater; Seht, gar dicht fängt's an zu ſchneien.“ Voll trifft ſie ſein Blick: „Ich wandre Nach der Deurenburg, o Fraue, Daß ich nach dem alten Freunde, Meinem edlen Ritter, ſchaue. Langſam geht's nur von der Stelle, Doch ich habe Zeit und Weile, Sehnſucht hilft mir, daß im Geiſte Meinem Fuß voraus ich eile.“ Sanft, gedämpft klingt ſeine Stimme, Und er wendet ſich zum Gehen, Nella aber rufet freundlich: „In der Burg auf Wiederſehen!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0174" n="160"/> <lg n="2"> <l>Und will weiter reiten. Plötzlich</l><lb/> <l>Blickt ſie auf und ſchrickt und ſchauet</l><lb/> <l>Jäh betroffen in ſein Antlitz,</l><lb/> <l>Drin ein großes Auge blauet,</l><lb/> <l>Das ſie ernſt und ſeltſam anblickt.</l><lb/> <l>Wie gebannt hält ſie am Platze,</l><lb/> <l>Seufzt tief auf und denkt im Herzen:</l><lb/> <l>„O, wie mahnt mich an der Katze</l><lb/> <l>Augen dieſer Blick des Alten!“ —</l><lb/> <l>Ob's zum Schutz bei ſcharfem Winde,</l><lb/> <l>Jetzt erſt ſieht ſie vor den Lippen</l><lb/> <l>Sorgſam hüllend eine Binde,</l><lb/> <l>Die ſein halbes Antlitz decket,</l><lb/> <l>Und mit mitleidsvollem Sorgen</l><lb/> <l>Fragt ſie leis: „Wohin des Weges?</l><lb/> <l>Rauh und neblig iſt der Morgen,</l><lb/> <l>Nicht gemacht zur Raſt im Freien.</l><lb/> <l>Ihr ſeid alt, ehrwürd'ger Vater;</l><lb/> <l>Seht, gar dicht fängt's an zu ſchneien.“</l><lb/> <l>Voll trifft ſie ſein Blick: „Ich wandre</l><lb/> <l>Nach der Deurenburg, o Fraue,</l><lb/> <l>Daß ich nach dem alten Freunde,</l><lb/> <l>Meinem edlen Ritter, ſchaue.</l><lb/> <l>Langſam geht's nur von der Stelle,</l><lb/> <l>Doch ich habe Zeit und Weile,</l><lb/> <l>Sehnſucht hilft mir, daß im Geiſte</l><lb/> <l>Meinem Fuß voraus ich eile.“</l><lb/> <l>Sanft, gedämpft klingt ſeine Stimme,</l><lb/> <l>Und er wendet ſich zum Gehen,</l><lb/> <l>Nella aber rufet freundlich:</l><lb/> <l>„In der Burg auf Wiederſehen!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [160/0174]
Und will weiter reiten. Plötzlich
Blickt ſie auf und ſchrickt und ſchauet
Jäh betroffen in ſein Antlitz,
Drin ein großes Auge blauet,
Das ſie ernſt und ſeltſam anblickt.
Wie gebannt hält ſie am Platze,
Seufzt tief auf und denkt im Herzen:
„O, wie mahnt mich an der Katze
Augen dieſer Blick des Alten!“ —
Ob's zum Schutz bei ſcharfem Winde,
Jetzt erſt ſieht ſie vor den Lippen
Sorgſam hüllend eine Binde,
Die ſein halbes Antlitz decket,
Und mit mitleidsvollem Sorgen
Fragt ſie leis: „Wohin des Weges?
Rauh und neblig iſt der Morgen,
Nicht gemacht zur Raſt im Freien.
Ihr ſeid alt, ehrwürd'ger Vater;
Seht, gar dicht fängt's an zu ſchneien.“
Voll trifft ſie ſein Blick: „Ich wandre
Nach der Deurenburg, o Fraue,
Daß ich nach dem alten Freunde,
Meinem edlen Ritter, ſchaue.
Langſam geht's nur von der Stelle,
Doch ich habe Zeit und Weile,
Sehnſucht hilft mir, daß im Geiſte
Meinem Fuß voraus ich eile.“
Sanft, gedämpft klingt ſeine Stimme,
Und er wendet ſich zum Gehen,
Nella aber rufet freundlich:
„In der Burg auf Wiederſehen!“
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