Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Und vor sich, o Himmel, senkrechte Wand,
Aufsteigend vor ihr, hält das Fräulein gebannt, Nicht vorwärts, zur Seite nicht und nicht zurück. "Kraut Wohlverleih, wehe! ist solches mein Glück?" "Grüß Gott Euch, Jungfräulein!" Da zittert ein Schrei, Da sinkt aus den Händen Kraut Wohlverleih, Denn drüben am Erdspalt, in spottender Ruh' Winkt grüßend der schwarze Ritter ihr zu, Stützt auf sein Schwert sich, lacht lustig sie aus: "Das nenn' ich gefangen, vielreizende Maus, Fürwahr es scheinet Verhängniß zu sein, Zum zweiten Mal sperrt Euch die Holzenburg ein!" Ein Schauder faßt Nella, fast unbewußt Schlägt sie das Kreuz über Stirn und Brust, Sinkt zitternd zusammen, liegt auf den Knieen Und faltet die Hände zum Schutz wider ihn: "Wo kam er her? aus der Felsenwand? Errette mich, Jesu, aus Teufelshand!" "Was fürchtet Ihr, Jungfrau?" der Ritter frägt, "Vor Teufelszauber man Kreuze nur schlägt, Glaubt Ihr in Wahrheit die kindische Mähr, Daß ich leibhaftig der Satanas wär'?" Wie ernst klingt die Stimme, wie markig, wie stolz! Ein kleines Kreuzlein von Rosenholz, Das sorglich im Wammse verborgen war, Zieht jetzt er hervor und reicht es ihr dar. "Da schaut, was mein Zeichen, mein Kleinod ist", Grollet er leise, "ich bin ein Christ!" Da athmet sie auf: "Ich fürcht' Euch nicht mehr, Wie aber, redet! wie kommt Ihr hierher?" Da blitzet sein Auge voll Schalk durchs Visir: Und vor ſich, o Himmel, ſenkrechte Wand,
Aufſteigend vor ihr, hält das Fräulein gebannt, Nicht vorwärts, zur Seite nicht und nicht zurück. „Kraut Wohlverleih, wehe! iſt ſolches mein Glück?“ „Grüß Gott Euch, Jungfräulein!“ Da zittert ein Schrei, Da ſinkt aus den Händen Kraut Wohlverleih, Denn drüben am Erdſpalt, in ſpottender Ruh' Winkt grüßend der ſchwarze Ritter ihr zu, Stützt auf ſein Schwert ſich, lacht luſtig ſie aus: „Das nenn' ich gefangen, vielreizende Maus, Fürwahr es ſcheinet Verhängniß zu ſein, Zum zweiten Mal ſperrt Euch die Holzenburg ein!“ Ein Schauder faßt Nella, faſt unbewußt Schlägt ſie das Kreuz über Stirn und Bruſt, Sinkt zitternd zuſammen, liegt auf den Knieen Und faltet die Hände zum Schutz wider ihn: „Wo kam er her? aus der Felſenwand? Errette mich, Jeſu, aus Teufelshand!“ „Was fürchtet Ihr, Jungfrau?“ der Ritter frägt, „Vor Teufelszauber man Kreuze nur ſchlägt, Glaubt Ihr in Wahrheit die kindiſche Mähr, Daß ich leibhaftig der Satanas wär'?“ Wie ernſt klingt die Stimme, wie markig, wie ſtolz! Ein kleines Kreuzlein von Roſenholz, Das ſorglich im Wammſe verborgen war, Zieht jetzt er hervor und reicht es ihr dar. „Da ſchaut, was mein Zeichen, mein Kleinod iſt“, Grollet er leiſe, „ich bin ein Chriſt!“ Da athmet ſie auf: „Ich fürcht' Euch nicht mehr, Wie aber, redet! wie kommt Ihr hierher?“ Da blitzet ſein Auge voll Schalk durchs Viſir: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0138" n="124"/> <lg n="6"> <l>Und vor ſich, o Himmel, ſenkrechte Wand,</l><lb/> <l>Aufſteigend vor ihr, hält das Fräulein gebannt,</l><lb/> <l>Nicht vorwärts, zur Seite nicht und nicht zurück.</l><lb/> <l>„Kraut Wohlverleih, wehe! iſt ſolches mein Glück?“</l><lb/> <l>„Grüß Gott Euch, Jungfräulein!“ Da zittert ein Schrei,</l><lb/> <l>Da ſinkt aus den Händen Kraut Wohlverleih,</l><lb/> <l>Denn drüben am Erdſpalt, in ſpottender Ruh'</l><lb/> <l>Winkt grüßend der ſchwarze Ritter ihr zu,</l><lb/> <l>Stützt auf ſein Schwert ſich, lacht luſtig ſie aus:</l><lb/> <l>„Das nenn' ich gefangen, vielreizende Maus,</l><lb/> <l>Fürwahr es ſcheinet Verhängniß zu ſein,</l><lb/> <l>Zum zweiten Mal ſperrt Euch die Holzenburg ein!“</l><lb/> <l>Ein Schauder faßt Nella, faſt unbewußt</l><lb/> <l>Schlägt ſie das Kreuz über Stirn und Bruſt,</l><lb/> <l>Sinkt zitternd zuſammen, liegt auf den Knieen</l><lb/> <l>Und faltet die Hände zum Schutz wider ihn:</l><lb/> <l>„Wo kam er her? aus der Felſenwand?</l><lb/> <l>Errette mich, Jeſu, aus Teufelshand!“</l><lb/> <l>„Was fürchtet Ihr, Jungfrau?“ der Ritter frägt,</l><lb/> <l>„Vor Teufelszauber man Kreuze nur ſchlägt,</l><lb/> <l>Glaubt Ihr in Wahrheit die kindiſche Mähr,</l><lb/> <l>Daß ich leibhaftig der Satanas wär'?“</l><lb/> <l>Wie ernſt klingt die Stimme, wie markig, wie ſtolz!</l><lb/> <l>Ein kleines Kreuzlein von Roſenholz,</l><lb/> <l>Das ſorglich im Wammſe verborgen war,</l><lb/> <l>Zieht jetzt er hervor und reicht es ihr dar.</l><lb/> <l>„Da ſchaut, was mein Zeichen, mein Kleinod iſt“,</l><lb/> <l>Grollet er leiſe, „ich bin ein Chriſt!“</l><lb/> <l>Da athmet ſie auf: „Ich fürcht' Euch nicht mehr,</l><lb/> <l>Wie aber, redet! wie kommt Ihr hierher?“</l><lb/> <l>Da blitzet ſein Auge voll Schalk durchs Viſir:</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [124/0138]
Und vor ſich, o Himmel, ſenkrechte Wand,
Aufſteigend vor ihr, hält das Fräulein gebannt,
Nicht vorwärts, zur Seite nicht und nicht zurück.
„Kraut Wohlverleih, wehe! iſt ſolches mein Glück?“
„Grüß Gott Euch, Jungfräulein!“ Da zittert ein Schrei,
Da ſinkt aus den Händen Kraut Wohlverleih,
Denn drüben am Erdſpalt, in ſpottender Ruh'
Winkt grüßend der ſchwarze Ritter ihr zu,
Stützt auf ſein Schwert ſich, lacht luſtig ſie aus:
„Das nenn' ich gefangen, vielreizende Maus,
Fürwahr es ſcheinet Verhängniß zu ſein,
Zum zweiten Mal ſperrt Euch die Holzenburg ein!“
Ein Schauder faßt Nella, faſt unbewußt
Schlägt ſie das Kreuz über Stirn und Bruſt,
Sinkt zitternd zuſammen, liegt auf den Knieen
Und faltet die Hände zum Schutz wider ihn:
„Wo kam er her? aus der Felſenwand?
Errette mich, Jeſu, aus Teufelshand!“
„Was fürchtet Ihr, Jungfrau?“ der Ritter frägt,
„Vor Teufelszauber man Kreuze nur ſchlägt,
Glaubt Ihr in Wahrheit die kindiſche Mähr,
Daß ich leibhaftig der Satanas wär'?“
Wie ernſt klingt die Stimme, wie markig, wie ſtolz!
Ein kleines Kreuzlein von Roſenholz,
Das ſorglich im Wammſe verborgen war,
Zieht jetzt er hervor und reicht es ihr dar.
„Da ſchaut, was mein Zeichen, mein Kleinod iſt“,
Grollet er leiſe, „ich bin ein Chriſt!“
Da athmet ſie auf: „Ich fürcht' Euch nicht mehr,
Wie aber, redet! wie kommt Ihr hierher?“
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Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/138>, abgerufen am 16.02.2025. |