Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite

pen_486.001
in dem Grundgesetz der Lebhaftigkeit gegründet, pen_486.002
welches die Ideen, soviel die pen_486.003
Deutlichkeit es erlaubt, zusammen zu pen_486.004
drängen befiehlt. Vorzüglich aber sind pen_486.005
dem lyrischen Dichter die Sprünge eigen; pen_486.006
eben weil dieser, so frei und ungefesselt, pen_486.007
bloß den Gang der Phantasie geht, durch pen_486.008
keine Rücksicht auf Plan sich einschränken pen_486.009
läßt, und bei der lebhaftern Bewegung pen_486.010
seines Gemüths jeden Augenblick pen_486.011
tiefer in die Ideenreihe hineinblickt. Er pen_486.012
greift dann oft gerade das Entfernteste, pen_486.013
wenn, vermöge der Beschaffenheit seiner pen_486.014
Gemüthslage, ihm dieses Entfernteste auch pen_486.015
das Interessanteste wird. Doch muß auch pen_486.016
bei ihm die Verbindung noch immer können pen_486.017
nachgefunden werden; die Ideen pen_486.018
müssen nicht, wie vom Sturmwinde zusammengetrieben, pen_486.019
sondern wie von einem pen_486.020
gesunden, nur sehr lebhaften, Kopfe zusammengedacht

pen_486.001
in dem Grundgesetz der Lebhaftigkeit gegründet, pen_486.002
welches die Ideen, soviel die pen_486.003
Deutlichkeit es erlaubt, zusammen zu pen_486.004
drängen befiehlt. Vorzüglich aber sind pen_486.005
dem lyrischen Dichter die Sprünge eigen; pen_486.006
eben weil dieser, so frei und ungefesselt, pen_486.007
bloß den Gang der Phantasie geht, durch pen_486.008
keine Rücksicht auf Plan sich einschränken pen_486.009
läßt, und bei der lebhaftern Bewegung pen_486.010
seines Gemüths jeden Augenblick pen_486.011
tiefer in die Ideenreihe hineinblickt. Er pen_486.012
greift dann oft gerade das Entfernteste, pen_486.013
wenn, vermöge der Beschaffenheit seiner pen_486.014
Gemüthslage, ihm dieses Entfernteste auch pen_486.015
das Interessanteste wird. Doch muß auch pen_486.016
bei ihm die Verbindung noch immer können pen_486.017
nachgefunden werden; die Ideen pen_486.018
müssen nicht, wie vom Sturmwinde zusammengetrieben, pen_486.019
sondern wie von einem pen_486.020
gesunden, nur sehr lebhaften, Kopfe zusammengedacht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0529" n="486"/><lb n="pen_486.001"/>
in dem Grundgesetz der Lebhaftigkeit gegründet, <lb n="pen_486.002"/>
welches die Ideen, soviel die <lb n="pen_486.003"/>
Deutlichkeit es erlaubt, zusammen zu <lb n="pen_486.004"/>
drängen befiehlt. Vorzüglich aber sind <lb n="pen_486.005"/>
dem lyrischen Dichter die Sprünge eigen; <lb n="pen_486.006"/>
eben weil dieser, so frei und ungefesselt, <lb n="pen_486.007"/>
bloß den Gang der Phantasie geht, durch <lb n="pen_486.008"/>
keine Rücksicht auf Plan sich einschränken <lb n="pen_486.009"/>
läßt, und bei der lebhaftern Bewegung <lb n="pen_486.010"/>
seines Gemüths jeden Augenblick <lb n="pen_486.011"/>
tiefer in die Ideenreihe hineinblickt. Er <lb n="pen_486.012"/>
greift dann oft gerade das Entfernteste, <lb n="pen_486.013"/>
wenn, vermöge der Beschaffenheit seiner <lb n="pen_486.014"/>
Gemüthslage, ihm dieses Entfernteste auch <lb n="pen_486.015"/>
das Interessanteste wird. Doch muß auch <lb n="pen_486.016"/>
bei ihm die Verbindung noch immer können <lb n="pen_486.017"/>
nachgefunden werden; die Ideen <lb n="pen_486.018"/>
müssen nicht, wie vom Sturmwinde zusammengetrieben, <lb n="pen_486.019"/>
sondern wie von einem <lb n="pen_486.020"/>
gesunden, nur sehr lebhaften, Kopfe zusammengedacht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[486/0529] pen_486.001 in dem Grundgesetz der Lebhaftigkeit gegründet, pen_486.002 welches die Ideen, soviel die pen_486.003 Deutlichkeit es erlaubt, zusammen zu pen_486.004 drängen befiehlt. Vorzüglich aber sind pen_486.005 dem lyrischen Dichter die Sprünge eigen; pen_486.006 eben weil dieser, so frei und ungefesselt, pen_486.007 bloß den Gang der Phantasie geht, durch pen_486.008 keine Rücksicht auf Plan sich einschränken pen_486.009 läßt, und bei der lebhaftern Bewegung pen_486.010 seines Gemüths jeden Augenblick pen_486.011 tiefer in die Ideenreihe hineinblickt. Er pen_486.012 greift dann oft gerade das Entfernteste, pen_486.013 wenn, vermöge der Beschaffenheit seiner pen_486.014 Gemüthslage, ihm dieses Entfernteste auch pen_486.015 das Interessanteste wird. Doch muß auch pen_486.016 bei ihm die Verbindung noch immer können pen_486.017 nachgefunden werden; die Ideen pen_486.018 müssen nicht, wie vom Sturmwinde zusammengetrieben, pen_486.019 sondern wie von einem pen_486.020 gesunden, nur sehr lebhaften, Kopfe zusammengedacht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/529
Zitationshilfe: Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/529>, abgerufen am 22.11.2024.