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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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Wiesen, von dar über eine schöne Brücke an
ein vortrefflich Palatium, so aber ausserhalb
mit Dornen bewachsen war, als ich nun durch
die Dornen gehen wolte, kam eine grosse
Schlange und umbwunde meinen gantzen
Leib, ich schrye, daß doch jemand mich retten
solte, siehe! da kam ein Leue, fiel die Schlan-
ge an und zerrisse sie, wie ich aber ihren Kopf-
fe zu nahe kam, stach ich mich an einen ihren
Zahn in den Fuß, das mich sehr schmertzte,
und darüber erwachte ich. Früh sonne ich
diesen Traume nach, und war mir nicht wohl
darbey, doch kunte ich dessen Deutung nicht
ergründen. Jch erzehlte den Morgen dar-
auff meinen Vetter den Traum, der omi-
ni
rte auch nichts Gutes. Wohlan hold-see-
ligstes Schwesterchen, sagte er; Weil wir
beyde einander gantz ähnlich sind, wird uns
niemand kennen, wann wir unsere Kleider
wechseln, und ist geschickter ich stehe die Eben-
theuer aus, als sie, nach vollbrachter Reise
können wir der Frau Mutter eine Lust ma-
chen. Jch gieng seinen Vortrag ein, zog sei-
ne Kleider die er mir durch meine getreue
Kammer-Magd übersendete, an, und er die
Meinigen. Weil aber wir beyde etwas zeit-
licher an den Orth seyn wolten als die Frau
Mutter, satzten wir uns beyde neben zwey

Die-

Wieſen, von dar uͤber eine ſchoͤne Bruͤcke an
ein vortrefflich Palatium, ſo aber auſſerhalb
mit Dornen bewachſen war, als ich nun durch
die Dornen gehen wolte, kam eine groſſe
Schlange und umbwunde meinen gantzen
Leib, ich ſchrye, daß doch jemand mich retten
ſolte, ſiehe! da kam ein Leue, fiel die Schlan-
ge an und zerriſſe ſie, wie ich aber ihren Kopf-
fe zu nahe kam, ſtach ich mich an einen ihren
Zahn in den Fuß, das mich ſehr ſchmertzte,
und daruͤber erwachte ich. Fruͤh ſonne ich
dieſen Traume nach, und war mir nicht wohl
darbey, doch kunte ich deſſen Deutung nicht
ergruͤnden. Jch erzehlte den Morgen dar-
auff meinen Vetter den Traum, der omi-
ni
rte auch nichts Gutes. Wohlan hold-ſee-
ligſtes Schweſterchen, ſagte er; Weil wir
beyde einander gantz aͤhnlich ſind, wird uns
niemand kennen, wann wir unſere Kleider
wechſeln, und iſt geſchickter ich ſtehe die Eben-
theuer aus, als ſie, nach vollbrachter Reiſe
koͤnnen wir der Frau Mutter eine Luſt ma-
chen. Jch gieng ſeinen Vortrag ein, zog ſei-
ne Kleider die er mir durch meine getreue
Kammer-Magd uͤberſendete, an, und er die
Meinigen. Weil aber wir beyde etwas zeit-
licher an den Orth ſeyn wolten als die Frau
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[242/0258] Wieſen, von dar uͤber eine ſchoͤne Bruͤcke an ein vortrefflich Palatium, ſo aber auſſerhalb mit Dornen bewachſen war, als ich nun durch die Dornen gehen wolte, kam eine groſſe Schlange und umbwunde meinen gantzen Leib, ich ſchrye, daß doch jemand mich retten ſolte, ſiehe! da kam ein Leue, fiel die Schlan- ge an und zerriſſe ſie, wie ich aber ihren Kopf- fe zu nahe kam, ſtach ich mich an einen ihren Zahn in den Fuß, das mich ſehr ſchmertzte, und daruͤber erwachte ich. Fruͤh ſonne ich dieſen Traume nach, und war mir nicht wohl darbey, doch kunte ich deſſen Deutung nicht ergruͤnden. Jch erzehlte den Morgen dar- auff meinen Vetter den Traum, der omi- nirte auch nichts Gutes. Wohlan hold-ſee- ligſtes Schweſterchen, ſagte er; Weil wir beyde einander gantz aͤhnlich ſind, wird uns niemand kennen, wann wir unſere Kleider wechſeln, und iſt geſchickter ich ſtehe die Eben- theuer aus, als ſie, nach vollbrachter Reiſe koͤnnen wir der Frau Mutter eine Luſt ma- chen. Jch gieng ſeinen Vortrag ein, zog ſei- ne Kleider die er mir durch meine getreue Kammer-Magd uͤberſendete, an, und er die Meinigen. Weil aber wir beyde etwas zeit- licher an den Orth ſeyn wolten als die Frau Mutter, ſatzten wir uns beyde neben zwey Die-

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/258>, abgerufen am 18.05.2024.