Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

Orth bringen kunte. Aber was sag ich, meine
liebe Artzney-Affen, ihr fehlet niemahls, dann
ungeachtet ihr weder die Kranckheit, weder ihre
Ursachen treffet, so treffet ihr gleichwohl, auch
mit zugethanen Augen das Leben, und bringet
mit eueren unerfahrnen Schüssen, viel tausend
unter die Erden; Aber das Leben treffen und die
Kranckheit verfehlen, ist dannoch grob fehlen,
und zwar ein solches Fehlen, das auf keine Weiß
wiederum kan ersetzet werden.

Der Mahler, wann er mit seinem Pinsel ei-
nen Fehler begehet, weiß ihm leicht zu helffen,
und macht geschwind aus dem Engel einen Teu-
fel; der Musicus, wann er aus dem Text kommt,
fängt von neuem wiederum an, der Schuster
wann er das Leder unrecht zusammen genähet,
trennt er die Nad wiederum auf: Aber in der
Medicin, wann ein Fehler vorbey gangen, ist
alles Verbessern, alles Anfangen, und alles
Aufftrennen umbsonst, dann der Patient ist ge-
storben, mit was für Medicamenten wirst du
ihn wiederumb lebendig machen?

Eine subtile Halß-Uhr wird keinem unver-
ständigen und einfältigen Bauer zum Anrich-
ten gegeben, wann sie etwas zu frühe, oder zu
spat gehet, warumb? darumb: weil der Bau-
er nicht weiß, wie eine Uhr beschaffen sey, wann
sie recht gehet, vielweniger wird er wissen, wo es

ihr

Orth bringen kunte. Aber was ſag ich, meine
liebe Artzney-Affen, ihr fehlet niemahls, dann
ungeachtet ihr weder die Kranckheit, weder ihre
Urſachen treffet, ſo treffet ihr gleichwohl, auch
mit zugethanen Augen das Leben, und bringet
mit eueren unerfahrnen Schuͤſſen, viel tauſend
unter die Erden; Aber das Leben treffen und die
Kranckheit verfehlen, iſt dannoch grob fehlen,
und zwaꝛ ein ſolches Fehlen, das auf keine Weiß
wiederum kan erſetzet werden.

Der Mahler, wann er mit ſeinem Pinſel ei-
nen Fehler begehet, weiß ihm leicht zu helffen,
und macht geſchwind aus dem Engel einen Teu-
fel; der Muſicus, wann er aus dem Text kom̃t,
faͤngt von neuem wiederum an, der Schuſter
wann er das Leder unrecht zuſammen genaͤhet,
trennt er die Nad wiederum auf: Aber in der
Medicin, wann ein Fehler vorbey gangen, iſt
alles Verbeſſern, alles Anfangen, und alles
Aufftrennen umbſonſt, dann der Patient iſt ge-
ſtorben, mit was fuͤr Medicamenten wirſt du
ihn wiederumb lebendig machen?

Eine ſubtile Halß-Uhr wird keinem unver-
ſtaͤndigen und einfaͤltigen Bauer zum Anrich-
ten gegeben, wann ſie etwas zu fruͤhe, oder zu
ſpat gehet, warumb? darumb: weil der Bau-
er nicht weiß, wie eine Uhr beſchaffen ſey, wann
ſie recht gehet, vielweniger wird er wiſſen, wo es

ihr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f1070" n="1054"/>
Orth bringen kunte. Aber was &#x017F;ag ich, meine<lb/>
liebe Artzney-Affen, ihr fehlet niemahls, dann<lb/>
ungeachtet ihr weder die Kranckheit, weder ihre<lb/>
Ur&#x017F;achen treffet, &#x017F;o treffet ihr gleichwohl, auch<lb/>
mit zugethanen Augen das Leben, und bringet<lb/>
mit eueren unerfahrnen Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, viel tau&#x017F;end<lb/>
unter die Erden; Aber das Leben treffen und die<lb/>
Kranckheit verfehlen, i&#x017F;t dannoch grob fehlen,<lb/>
und zwa&#xA75B; ein &#x017F;olches Fehlen, das auf keine Weiß<lb/>
wiederum kan er&#x017F;etzet werden.</p><lb/>
              <p>Der Mahler, wann er mit &#x017F;einem Pin&#x017F;el ei-<lb/>
nen Fehler begehet, weiß ihm leicht zu helffen,<lb/>
und macht ge&#x017F;chwind aus dem Engel einen Teu-<lb/>
fel; der <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;icus,</hi> wann er aus dem Text kom&#x0303;t,<lb/>
fa&#x0364;ngt von neuem wiederum an, der Schu&#x017F;ter<lb/>
wann er das Leder unrecht zu&#x017F;ammen gena&#x0364;het,<lb/>
trennt er die Nad wiederum auf: Aber in der<lb/><hi rendition="#aq">Medicin,</hi> wann ein Fehler vorbey gangen, i&#x017F;t<lb/>
alles Verbe&#x017F;&#x017F;ern, alles Anfangen, und alles<lb/>
Aufftrennen umb&#x017F;on&#x017F;t, dann der Patient i&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;torben, mit was fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">Medicament</hi>en wir&#x017F;t du<lb/>
ihn wiederumb lebendig machen?</p><lb/>
              <p>Eine <hi rendition="#aq">&#x017F;ubtile</hi> Halß-Uhr wird keinem unver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen und einfa&#x0364;ltigen Bauer zum Anrich-<lb/>
ten gegeben, wann &#x017F;ie etwas zu fru&#x0364;he, oder zu<lb/>
&#x017F;pat gehet, warumb? darumb: weil der Bau-<lb/>
er nicht weiß, wie eine Uhr be&#x017F;chaffen &#x017F;ey, wann<lb/>
&#x017F;ie recht gehet, vielweniger wird er wi&#x017F;&#x017F;en, wo es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihr</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1054/1070] Orth bringen kunte. Aber was ſag ich, meine liebe Artzney-Affen, ihr fehlet niemahls, dann ungeachtet ihr weder die Kranckheit, weder ihre Urſachen treffet, ſo treffet ihr gleichwohl, auch mit zugethanen Augen das Leben, und bringet mit eueren unerfahrnen Schuͤſſen, viel tauſend unter die Erden; Aber das Leben treffen und die Kranckheit verfehlen, iſt dannoch grob fehlen, und zwaꝛ ein ſolches Fehlen, das auf keine Weiß wiederum kan erſetzet werden. Der Mahler, wann er mit ſeinem Pinſel ei- nen Fehler begehet, weiß ihm leicht zu helffen, und macht geſchwind aus dem Engel einen Teu- fel; der Muſicus, wann er aus dem Text kom̃t, faͤngt von neuem wiederum an, der Schuſter wann er das Leder unrecht zuſammen genaͤhet, trennt er die Nad wiederum auf: Aber in der Medicin, wann ein Fehler vorbey gangen, iſt alles Verbeſſern, alles Anfangen, und alles Aufftrennen umbſonſt, dann der Patient iſt ge- ſtorben, mit was fuͤr Medicamenten wirſt du ihn wiederumb lebendig machen? Eine ſubtile Halß-Uhr wird keinem unver- ſtaͤndigen und einfaͤltigen Bauer zum Anrich- ten gegeben, wann ſie etwas zu fruͤhe, oder zu ſpat gehet, warumb? darumb: weil der Bau- er nicht weiß, wie eine Uhr beſchaffen ſey, wann ſie recht gehet, vielweniger wird er wiſſen, wo es ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/1070
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 1054. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/1070>, abgerufen am 15.10.2024.