Herr Vater ein guter Medicus gewesen, und desthalben mit dem gemeldten Medicamenten grossen Nutzen in Fiebern geschafft, aber was hilfft solches dich? Es ist wohl öffter geschehen, daß güldene Eltern haben bleyerne Kinder hin- terlassen; und was dürffen die Maul-Esel sehr prahlen, daß ihre Eltern schöne und verständi- ge Pferde gewesen, sie bleiben gleichwohl plum- pe Esels-Köpffe; also meine liebe Artzney-Af- fen, du hast zwar von deinem Vater das Re- cept ererbt, weil du aber nur bey dem Koch- Löffel und Neheküssen studirest, also hast du die Kunst noch nicht in Fingern, wie dein Vater gehabt, nehmlich wann, wie, wo, und was Ge- stalten die Medicamenten recht zu gebrauchen seyn, massen solcher habitus artificialis nicht mit Hauß und Hof zu erben, sondern mit der Blut-saueren Mühe und fleißigen Studiren muß erlanget werden. Jch lasse es ebenfalls zu, daß solches der Bader-Abgott Theophra- stus, oder der alten Weiber-Hippocrates, nehm- lich der Gabelkofer beschrieben, welches du bey ihnen oder in einem anderen Weiber-Proto- coll gelesen, dencke aber beyneben, daß Bücher- lesen, und nicht verstehen, bey mir so viel heisse, als Speisen essen, und nicht verdauen, sie ma- chen nur Cruditeten im Hirn; der Heilige Hieronymus sagt, es sey besser, man verstehe
eine
T t t 5
Herr Vater ein guter Medicus geweſen, und deſthalben mit dem gemeldten Medicamenten groſſen Nutzen in Fiebern geſchafft, aber was hilfft ſolches dich? Es iſt wohl oͤffter geſchehen, daß guͤldene Eltern haben bleyerne Kinder hin- terlaſſen; und was duͤrffen die Maul-Eſel ſehr prahlen, daß ihre Eltern ſchoͤne und verſtaͤndi- ge Pferde geweſen, ſie bleiben gleichwohl plum- pe Eſels-Koͤpffe; alſo meine liebe Artzney-Af- fen, du haſt zwar von deinem Vater das Re- cept ererbt, weil du aber nur bey dem Koch- Loͤffel und Nehekuͤſſen ſtudireſt, alſo haſt du die Kunſt noch nicht in Fingern, wie dein Vater gehabt, nehmlich wann, wie, wo, und was Ge- ſtalten die Medicamenten recht zu gebrauchen ſeyn, maſſen ſolcher habitus artificialis nicht mit Hauß und Hof zu erben, ſondern mit der Blut-ſaueren Muͤhe und fleißigen Studiren muß erlanget werden. Jch laſſe es ebenfalls zu, daß ſolches der Bader-Abgott Theophra- ſtus, oder der alten Weiber-Hippocrates, nehm- lich der Gabelkofer beſchrieben, welches du bey ihnen oder in einem anderen Weiber-Proto- coll geleſen, dencke aber beyneben, daß Buͤcher- leſen, und nicht verſtehen, bey mir ſo viel heiſſe, als Speiſen eſſen, und nicht verdauen, ſie ma- chen nur Cruditeten im Hirn; der Heilige Hieronymus ſagt, es ſey beſſer, man verſtehe
eine
T t t 5
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divn="2"><p><pbfacs="#f1049"n="1033"/>
Herr Vater ein guter <hirendition="#aq">Medicus</hi> geweſen, und<lb/>
deſthalben mit dem gemeldten <hirendition="#aq">Medicament</hi>en<lb/>
groſſen Nutzen in Fiebern geſchafft, aber was<lb/>
hilfft ſolches dich? Es iſt wohl oͤffter geſchehen,<lb/>
daß guͤldene Eltern haben bleyerne Kinder hin-<lb/>
terlaſſen; und was duͤrffen die Maul-Eſel ſehr<lb/>
prahlen, daß ihre Eltern ſchoͤne und verſtaͤndi-<lb/>
ge Pferde geweſen, ſie bleiben gleichwohl plum-<lb/>
pe Eſels-Koͤpffe; alſo meine liebe Artzney-Af-<lb/>
fen, du haſt zwar von deinem Vater das <hirendition="#aq">Re-<lb/>
cept</hi> ererbt, weil du aber nur bey dem Koch-<lb/>
Loͤffel und Nehekuͤſſen <hirendition="#aq">ſtudir</hi>eſt, alſo haſt du die<lb/>
Kunſt noch nicht in Fingern, wie dein Vater<lb/>
gehabt, nehmlich wann, wie, wo, und was Ge-<lb/>ſtalten die <hirendition="#aq">Medicament</hi>en recht zu gebrauchen<lb/>ſeyn, maſſen ſolcher <hirendition="#aq">habitus artificialis</hi> nicht<lb/>
mit Hauß und Hof zu erben, ſondern mit der<lb/>
Blut-ſaueren Muͤhe und fleißigen <hirendition="#aq">Studir</hi>en<lb/>
muß erlanget werden. Jch laſſe es ebenfalls<lb/>
zu, daß ſolches der Bader-Abgott <hirendition="#aq">Theophra-<lb/>ſtus,</hi> oder der alten Weiber-<hirendition="#aq">Hippocrates,</hi> nehm-<lb/>
lich der Gabelkofer beſchrieben, welches du bey<lb/>
ihnen oder in einem anderen Weiber-<hirendition="#aq">Proto-<lb/>
coll</hi> geleſen, dencke aber beyneben, daß Buͤcher-<lb/>
leſen, und nicht verſtehen, bey mir ſo viel heiſſe,<lb/>
als Speiſen eſſen, und nicht verdauen, ſie ma-<lb/>
chen nur <hirendition="#aq">Cruditet</hi>en im Hirn; der Heilige<lb/><hirendition="#aq">Hieronymus</hi>ſagt, es ſey beſſer, man verſtehe<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T t t 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">eine</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[1033/1049]
Herr Vater ein guter Medicus geweſen, und
deſthalben mit dem gemeldten Medicamenten
groſſen Nutzen in Fiebern geſchafft, aber was
hilfft ſolches dich? Es iſt wohl oͤffter geſchehen,
daß guͤldene Eltern haben bleyerne Kinder hin-
terlaſſen; und was duͤrffen die Maul-Eſel ſehr
prahlen, daß ihre Eltern ſchoͤne und verſtaͤndi-
ge Pferde geweſen, ſie bleiben gleichwohl plum-
pe Eſels-Koͤpffe; alſo meine liebe Artzney-Af-
fen, du haſt zwar von deinem Vater das Re-
cept ererbt, weil du aber nur bey dem Koch-
Loͤffel und Nehekuͤſſen ſtudireſt, alſo haſt du die
Kunſt noch nicht in Fingern, wie dein Vater
gehabt, nehmlich wann, wie, wo, und was Ge-
ſtalten die Medicamenten recht zu gebrauchen
ſeyn, maſſen ſolcher habitus artificialis nicht
mit Hauß und Hof zu erben, ſondern mit der
Blut-ſaueren Muͤhe und fleißigen Studiren
muß erlanget werden. Jch laſſe es ebenfalls
zu, daß ſolches der Bader-Abgott Theophra-
ſtus, oder der alten Weiber-Hippocrates, nehm-
lich der Gabelkofer beſchrieben, welches du bey
ihnen oder in einem anderen Weiber-Proto-
coll geleſen, dencke aber beyneben, daß Buͤcher-
leſen, und nicht verſtehen, bey mir ſo viel heiſſe,
als Speiſen eſſen, und nicht verdauen, ſie ma-
chen nur Cruditeten im Hirn; der Heilige
Hieronymus ſagt, es ſey beſſer, man verſtehe
eine
T t t 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]
Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Eckharts Medicinischen Maul-Affens" von Johann Christoph Ettner von Eiteritz wurde 1694 veröffentlicht. Die verwendete Ausgabe von 1719 stellt eine überarbeitete Ausgabe der ersten Ausgabe dar. Da die Ausgabe von 1694 im Projektzeitraum nicht zur Verfügung stand, musste die Ausgabe von 1719 verwendet werden.
Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 1033. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/1049>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.