Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

kommen? wie würden nicht die Büchsen in A-
pothecken mit lauter Xantippischen, Proserpini-
schen und Megaerischen Uberschrifften gezieret
seyn? wer würde solche seltzame Abentheuer er-
lernen können? Jndeme ohne diß die Kräuter,
wann sie nur aus einem Dorff ins andere getra-
gen werden, gleich ein grosse Veränderung in
der teutschen Sprache müssen ausstehen, dann
Anethum heisset man an diesem Orth Till, an-
derswo aber Kopper: Agrimonia bald Oder-
menig, bald Adexen: Cerefolium, bald Kör-
bel-Kraut, bald Keferfill: Millefolium, bald
Schaffgarb, bald Gachel-Kraut, und was der
Thorheiten noch mehr seyn.

Zum Beschluß dieses Capitels wollen wir
noch die Frag erörthern, was dann eigentlich
die Ursach sey, daß bey jetzigen Zeiten allhier in
Teutschland sich fast jedermann unterstehet zu
curiren, und also einen Artzney-Affen will abge-
ben? Jch bin der gäntzlichen Meynung, daß
dieses erstlich aus einem Trieb der Natur her-
rühre, omnis enim homo naturaliter scire de-
siderat,
dann einem jeden Menschen ist ange-
bohren, daß er frembde Sachen gern wissen wil.
Zum andern ist diese Curir-Kunst leicht zu ler-
nen, und braucht kein sonderes Kopff-Brechen:
Exempel-Weiß, einem wird der Kopf-Schmer-
tzen mit dem Betonic-Pflaster vertrieben, dieses

stcht
Q q q 5

kommen? wie wuͤrden nicht die Buͤchſen in A-
pothecken mit lauter Xantippiſchen, Proſerpini-
ſchen und Megæriſchen Uberſchrifften gezieret
ſeyn? wer wuͤrde ſolche ſeltzame Abentheuer er-
lernen koͤnnen? Jndeme ohne diß die Kraͤuter,
wann ſie nur aus einem Dorff ins andere getra-
gen werden, gleich ein groſſe Veraͤnderung in
der teutſchen Sprache muͤſſen ausſtehen, dann
Anethum heiſſet man an dieſem Orth Till, an-
derswo aber Kopper: Agrimonia bald Oder-
menig, bald Adexen: Cerefolium, bald Koͤr-
bel-Kraut, bald Keferfill: Millefolium, bald
Schaffgarb, bald Gachel-Kraut, und was der
Thorheiten noch mehr ſeyn.

Zum Beſchluß dieſes Capitels wollen wir
noch die Frag eroͤrthern, was dann eigentlich
die Urſach ſey, daß bey jetzigen Zeiten allhier in
Teutſchland ſich faſt jedermann unterſtehet zu
curiren, und alſo einen Artzney-Affen will abge-
ben? Jch bin der gaͤntzlichen Meynung, daß
dieſes erſtlich aus einem Trieb der Natur her-
ruͤhre, omnis enim homo naturaliter ſcire de-
ſiderat,
dann einem jeden Menſchen iſt ange-
bohren, daß er frembde Sachen geꝛn wiſſen wil.
Zum andern iſt dieſe Curir-Kunſt leicht zu ler-
nen, und braucht kein ſonderes Kopff-Brechen:
Exempel-Weiß, einem wiꝛd der Kopf-Schmer-
tzen mit dem Betonic-Pflaſter vertrieben, dieſes

ſtcht
Q q q 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f1001" n="985"/>
kommen? wie wu&#x0364;rden nicht die Bu&#x0364;ch&#x017F;en in A-<lb/>
pothecken mit lauter <hi rendition="#aq">Xantippi</hi>&#x017F;chen, <hi rendition="#aq">Pro&#x017F;erpini-</hi><lb/>
&#x017F;chen und <hi rendition="#aq">Megæri</hi>&#x017F;chen Uber&#x017F;chrifften gezieret<lb/>
&#x017F;eyn? wer wu&#x0364;rde &#x017F;olche &#x017F;eltzame Abentheuer er-<lb/>
lernen ko&#x0364;nnen? Jndeme ohne diß die Kra&#x0364;uter,<lb/>
wann &#x017F;ie nur aus einem Dorff ins andere getra-<lb/>
gen werden, gleich ein gro&#x017F;&#x017F;e Vera&#x0364;nderung in<lb/>
der teut&#x017F;chen Sprache mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aus&#x017F;tehen, dann<lb/><hi rendition="#aq">Anethum</hi> hei&#x017F;&#x017F;et man an die&#x017F;em Orth Till, an-<lb/>
derswo aber Kopper: <hi rendition="#aq">Agrimonia</hi> bald Oder-<lb/>
menig, bald Adexen: <hi rendition="#aq">Cerefolium,</hi> bald Ko&#x0364;r-<lb/>
bel-Kraut, bald Keferfill: <hi rendition="#aq">Millefolium,</hi> bald<lb/>
Schaffgarb, bald Gachel-Kraut, und was der<lb/>
Thorheiten noch mehr &#x017F;eyn.</p><lb/>
              <p>Zum Be&#x017F;chluß die&#x017F;es Capitels wollen wir<lb/>
noch die Frag ero&#x0364;rthern, was dann eigentlich<lb/>
die Ur&#x017F;ach &#x017F;ey, daß bey jetzigen Zeiten allhier in<lb/>
Teut&#x017F;chland &#x017F;ich fa&#x017F;t jedermann unter&#x017F;tehet zu<lb/><hi rendition="#aq">curir</hi>en, und al&#x017F;o einen Artzney-Affen will abge-<lb/>
ben? Jch bin der ga&#x0364;ntzlichen Meynung, daß<lb/>
die&#x017F;es er&#x017F;tlich aus einem Trieb der Natur her-<lb/>
ru&#x0364;hre, <hi rendition="#aq">omnis enim homo naturaliter &#x017F;cire de-<lb/>
&#x017F;iderat,</hi> dann einem jeden Men&#x017F;chen i&#x017F;t ange-<lb/>
bohren, daß er frembde Sachen ge&#xA75B;n wi&#x017F;&#x017F;en wil.<lb/>
Zum andern i&#x017F;t die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Curir-</hi>Kun&#x017F;t leicht zu ler-<lb/>
nen, und braucht kein &#x017F;onderes Kopff-Brechen:<lb/>
Exempel-Weiß, einem wi&#xA75B;d der Kopf-Schmer-<lb/>
tzen mit dem <hi rendition="#aq">Betonic-</hi>Pfla&#x017F;ter vertrieben, die&#x017F;es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q q 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tcht</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[985/1001] kommen? wie wuͤrden nicht die Buͤchſen in A- pothecken mit lauter Xantippiſchen, Proſerpini- ſchen und Megæriſchen Uberſchrifften gezieret ſeyn? wer wuͤrde ſolche ſeltzame Abentheuer er- lernen koͤnnen? Jndeme ohne diß die Kraͤuter, wann ſie nur aus einem Dorff ins andere getra- gen werden, gleich ein groſſe Veraͤnderung in der teutſchen Sprache muͤſſen ausſtehen, dann Anethum heiſſet man an dieſem Orth Till, an- derswo aber Kopper: Agrimonia bald Oder- menig, bald Adexen: Cerefolium, bald Koͤr- bel-Kraut, bald Keferfill: Millefolium, bald Schaffgarb, bald Gachel-Kraut, und was der Thorheiten noch mehr ſeyn. Zum Beſchluß dieſes Capitels wollen wir noch die Frag eroͤrthern, was dann eigentlich die Urſach ſey, daß bey jetzigen Zeiten allhier in Teutſchland ſich faſt jedermann unterſtehet zu curiren, und alſo einen Artzney-Affen will abge- ben? Jch bin der gaͤntzlichen Meynung, daß dieſes erſtlich aus einem Trieb der Natur her- ruͤhre, omnis enim homo naturaliter ſcire de- ſiderat, dann einem jeden Menſchen iſt ange- bohren, daß er frembde Sachen geꝛn wiſſen wil. Zum andern iſt dieſe Curir-Kunſt leicht zu ler- nen, und braucht kein ſonderes Kopff-Brechen: Exempel-Weiß, einem wiꝛd der Kopf-Schmer- tzen mit dem Betonic-Pflaſter vertrieben, dieſes ſtcht Q q q 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/1001
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 985. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/1001>, abgerufen am 25.11.2024.