Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.zu werden. Die Glieder gingen mir von dem ewigen In dieser Zeit saß ich einmal an einem schwülen Wer in die Fremde will wandern, Der muß mit der Liebsten gehn, Es jubeln und lassen die Andern Den Fremden alleine stehn. Was wisset Ihr, dunkele Wipfeln Von der alten schönen Zeit? Ach, die Heimath hinter den Gipfeln, Wie liegt sie von hier so weit. Am liebsten betracht ich die Sterne,
Die schienen, wenn ich ging zu ihr, Die Nachtigall hör' ich so gerne, Sie sang vor der Liebsten Thür. zu werden. Die Glieder gingen mir von dem ewigen In dieſer Zeit ſaß ich einmal an einem ſchwuͤlen Wer in die Fremde will wandern, Der muß mit der Liebſten gehn, Es jubeln und laſſen die Andern Den Fremden alleine ſtehn. Was wiſſet Ihr, dunkele Wipfeln Von der alten ſchoͤnen Zeit? Ach, die Heimath hinter den Gipfeln, Wie liegt ſie von hier ſo weit. Am liebſten betracht ich die Sterne,
Die ſchienen, wenn ich ging zu ihr, Die Nachtigall hoͤr' ich ſo gerne, Sie ſang vor der Liebſten Thuͤr. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="72"/> zu werden. Die Glieder gingen mir von dem ewigen<lb/> Nichtsthun ordentlich aus allen Gelenken, und es war<lb/> mir, als wuͤrde ich vor Faulheit noch ganz auseinan¬<lb/> der fallen.</p><lb/> <p>In dieſer Zeit ſaß ich einmal an einem ſchwuͤlen<lb/> Nachmittage im Wipfel eines hohen Baumes, der am<lb/> Abhange ſtand, und wiegte mich auf den Aeſten lang¬<lb/> ſam uͤber dem ſtillen, tiefen Thale. Die Bienen ſumm¬<lb/> ten zwiſchen den Blaͤttern um mich herum, ſonſt war<lb/> alles wie ausgeſtorben, kein Menſch war zwiſchen den<lb/> Bergen zu ſehen, tief unter mir auf den ſtillen Wald¬<lb/> wieſen ruhten die Kuͤhe auf dem hohen Graſe. Aber<lb/> ganz von weiten kam der Klang eines Poſthorns uͤber<lb/> die waldigen Gipfel heruͤber, bald kaum vernehmbar,<lb/> bald wieder heller und deutlicher. Mir fiel dabei auf<lb/> einmal ein altes Lied recht aufs Herz, das ich noch zu<lb/> Hauſe auf meines Vaters Muͤhle von einem wandern¬<lb/> den Handwerksburſchen gelernt hatte, und ich ſang:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wer in die Fremde will wandern,</l><lb/> <l>Der muß mit der Liebſten gehn,</l><lb/> <l>Es jubeln und laſſen die Andern</l><lb/> <l>Den Fremden alleine ſtehn.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Was wiſſet Ihr, dunkele Wipfeln</l><lb/> <l>Von der alten ſchoͤnen Zeit?</l><lb/> <l>Ach, die Heimath hinter den Gipfeln,</l><lb/> <l>Wie liegt ſie von hier ſo weit.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Am liebſten betracht ich die Sterne,</l><lb/> <l>Die ſchienen, wenn ich ging zu ihr,</l><lb/> <l>Die Nachtigall hoͤr' ich ſo gerne,</l><lb/> <l>Sie ſang vor der Liebſten Thuͤr.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
zu werden. Die Glieder gingen mir von dem ewigen
Nichtsthun ordentlich aus allen Gelenken, und es war
mir, als wuͤrde ich vor Faulheit noch ganz auseinan¬
der fallen.
In dieſer Zeit ſaß ich einmal an einem ſchwuͤlen
Nachmittage im Wipfel eines hohen Baumes, der am
Abhange ſtand, und wiegte mich auf den Aeſten lang¬
ſam uͤber dem ſtillen, tiefen Thale. Die Bienen ſumm¬
ten zwiſchen den Blaͤttern um mich herum, ſonſt war
alles wie ausgeſtorben, kein Menſch war zwiſchen den
Bergen zu ſehen, tief unter mir auf den ſtillen Wald¬
wieſen ruhten die Kuͤhe auf dem hohen Graſe. Aber
ganz von weiten kam der Klang eines Poſthorns uͤber
die waldigen Gipfel heruͤber, bald kaum vernehmbar,
bald wieder heller und deutlicher. Mir fiel dabei auf
einmal ein altes Lied recht aufs Herz, das ich noch zu
Hauſe auf meines Vaters Muͤhle von einem wandern¬
den Handwerksburſchen gelernt hatte, und ich ſang:
Wer in die Fremde will wandern,
Der muß mit der Liebſten gehn,
Es jubeln und laſſen die Andern
Den Fremden alleine ſtehn.
Was wiſſet Ihr, dunkele Wipfeln
Von der alten ſchoͤnen Zeit?
Ach, die Heimath hinter den Gipfeln,
Wie liegt ſie von hier ſo weit.
Am liebſten betracht ich die Sterne,
Die ſchienen, wenn ich ging zu ihr,
Die Nachtigall hoͤr' ich ſo gerne,
Sie ſang vor der Liebſten Thuͤr.
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