meine Herren wohnten, dehnte mich noch einmal recht ins Morgenroth hinein und sang fröhlichen Muthes:
Wenn der Hoppevogel schreit, Ist der Tag nicht mehr weit, Wenn die Sonne sich aufthut, Schmeckt der Schlaf noch so gut! --
Das Fenster war offen, aber es blieb alles still oben, nur der Nachtwind ging noch durch die Weinranken, die sich bis in das Fenster hineinstreckten. -- Nun was soll denn das wieder bedeuten? rief ich voll Erstaunen aus, und lief in das Haus und durch die stillen Gänge nach der Stube zu. Aber da gab es mir einen rechten Stich ins Herz. Denn wie ich die Thüre auf¬ reiße, ist alles leer, darin kein Frack, kein Hut, kein Stiefel. -- Nur die Zitter, auf der Herr Guido gestern gespielt hatte, hing an der Wand, auf dem Ti¬ sche mitten in der Stube lag ein schöner voller Geld¬ beutel, worauf ein Zettel geklebt war. Ich hielt ihn näher ans Fenster, und traute meinen Augen kaum, es stand wahrhaftig mit großen Buchstaben darauf: Für den Herrn Einnehmer!
Was war mir aber das alles nütze, wenn ich meine lieben lustigen Herrn nicht wieder fand? Ich schob den Beutel in meine tiefe Rocktasche, das plumpte wie in einen tiefen Brunn, daß es mich ordentlich hinten über zog. Dann rannte ich hinaus, machte einen großen Lärm und weckte alle Knechte und Mägde im Hause. Die wußten gar nicht, was ich wollte, und meinten, ich wäre verrückt geworden. Dann aber verwunderten
meine Herren wohnten, dehnte mich noch einmal recht ins Morgenroth hinein und ſang froͤhlichen Muthes:
Wenn der Hoppevogel ſchreit, Iſt der Tag nicht mehr weit, Wenn die Sonne ſich aufthut, Schmeckt der Schlaf noch ſo gut! —
Das Fenſter war offen, aber es blieb alles ſtill oben, nur der Nachtwind ging noch durch die Weinranken, die ſich bis in das Fenſter hineinſtreckten. — Nun was ſoll denn das wieder bedeuten? rief ich voll Erſtaunen aus, und lief in das Haus und durch die ſtillen Gaͤnge nach der Stube zu. Aber da gab es mir einen rechten Stich ins Herz. Denn wie ich die Thuͤre auf¬ reiße, iſt alles leer, darin kein Frack, kein Hut, kein Stiefel. — Nur die Zitter, auf der Herr Guido geſtern geſpielt hatte, hing an der Wand, auf dem Ti¬ ſche mitten in der Stube lag ein ſchoͤner voller Geld¬ beutel, worauf ein Zettel geklebt war. Ich hielt ihn naͤher ans Fenſter, und traute meinen Augen kaum, es ſtand wahrhaftig mit großen Buchſtaben darauf: Fuͤr den Herrn Einnehmer!
Was war mir aber das alles nuͤtze, wenn ich meine lieben luſtigen Herrn nicht wieder fand? Ich ſchob den Beutel in meine tiefe Rocktaſche, das plumpte wie in einen tiefen Brunn, daß es mich ordentlich hinten uͤber zog. Dann rannte ich hinaus, machte einen großen Laͤrm und weckte alle Knechte und Maͤgde im Hauſe. Die wußten gar nicht, was ich wollte, und meinten, ich waͤre verruͤckt geworden. Dann aber verwunderten
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meine Herren wohnten, dehnte mich noch einmal recht
ins Morgenroth hinein und ſang froͤhlichen Muthes:
Wenn der Hoppevogel ſchreit,
Iſt der Tag nicht mehr weit,
Wenn die Sonne ſich aufthut,
Schmeckt der Schlaf noch ſo gut! —
Das Fenſter war offen, aber es blieb alles ſtill oben,
nur der Nachtwind ging noch durch die Weinranken,
die ſich bis in das Fenſter hineinſtreckten. — Nun was
ſoll denn das wieder bedeuten? rief ich voll Erſtaunen
aus, und lief in das Haus und durch die ſtillen
Gaͤnge nach der Stube zu. Aber da gab es mir einen
rechten Stich ins Herz. Denn wie ich die Thuͤre auf¬
reiße, iſt alles leer, darin kein Frack, kein Hut, kein
Stiefel. — Nur die Zitter, auf der Herr Guido
geſtern geſpielt hatte, hing an der Wand, auf dem Ti¬
ſche mitten in der Stube lag ein ſchoͤner voller Geld¬
beutel, worauf ein Zettel geklebt war. Ich hielt ihn
naͤher ans Fenſter, und traute meinen Augen kaum,
es ſtand wahrhaftig mit großen Buchſtaben darauf:
Fuͤr den Herrn Einnehmer!
Was war mir aber das alles nuͤtze, wenn ich meine
lieben luſtigen Herrn nicht wieder fand? Ich ſchob den
Beutel in meine tiefe Rocktaſche, das plumpte wie in
einen tiefen Brunn, daß es mich ordentlich hinten uͤber
zog. Dann rannte ich hinaus, machte einen großen
Laͤrm und weckte alle Knechte und Maͤgde im Hauſe.
Die wußten gar nicht, was ich wollte, und meinten,
ich waͤre verruͤckt geworden. Dann aber verwunderten
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/68>, abgerufen am 09.08.2024.
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