Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Gurt, die recht hübsch im Mondschein funkelte.
"Mein Liebster," sagte er dabei sehr freundschaftlich zu
mir, während er bald den Lauf der Pistole abwischte,
bald wieder prüfend an die Augen hielt, "mein Lieb¬
ster, Du wirst wohl so gut seyn, selber nach B. vor¬
auszugehn."

Da war ich nun recht übel daran. Traf ich den
Weg, so kam ich gewiß zu der Räuberbande und be¬
kam Prügel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich
ihn nicht -- so bekam ich auch Prügel. Ich besann
mich also nicht lange und schlug den ersten besten Weg
ein, der an dem Wirthshause vorüber vom Dorfe ab¬
führte. Der Reiter sprengte schnell zu seinem Beglei¬
ter zurück, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬
fernung langsam nach. So zogen wir eigentlich recht
närrisch auf gut Glück in die mondhelle Nacht hinein.
Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬
hange fort. Zuweilen konnte man über die Tannen¬
wipfel, die von unten herauflangten und sich dunkel
rührten, weit in die tiefen stillen Thäler hinaussehen,
hin und her schlug eine Nachtigall, Hunde bellten in
der Ferne in den Dörfern. Ein Fluß rauschte bestän¬
dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mondschein
auf. Dabei das einförmige Pferdegetrappel und das
Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬
aufhörlich in einer fremden Sprache mit einander
plauderten, und das helle Mondlicht und die langen
Schatten der Baumstämme, die wechselnd über die bei¬
den Reiter wegflogen, daß sie mir bald schwarz, bald

dem Gurt, die recht huͤbſch im Mondſchein funkelte.
„Mein Liebſter,“ ſagte er dabei ſehr freundſchaftlich zu
mir, waͤhrend er bald den Lauf der Piſtole abwiſchte,
bald wieder pruͤfend an die Augen hielt, „mein Lieb¬
ſter, Du wirſt wohl ſo gut ſeyn, ſelber nach B. vor¬
auszugehn.

Da war ich nun recht uͤbel daran. Traf ich den
Weg, ſo kam ich gewiß zu der Raͤuberbande und be¬
kam Pruͤgel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich
ihn nicht — ſo bekam ich auch Pruͤgel. Ich beſann
mich alſo nicht lange und ſchlug den erſten beſten Weg
ein, der an dem Wirthshauſe voruͤber vom Dorfe ab¬
fuͤhrte. Der Reiter ſprengte ſchnell zu ſeinem Beglei¬
ter zuruͤck, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬
fernung langſam nach. So zogen wir eigentlich recht
naͤrriſch auf gut Gluͤck in die mondhelle Nacht hinein.
Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬
hange fort. Zuweilen konnte man uͤber die Tannen¬
wipfel, die von unten herauflangten und ſich dunkel
ruͤhrten, weit in die tiefen ſtillen Thaͤler hinausſehen,
hin und her ſchlug eine Nachtigall, Hunde bellten in
der Ferne in den Doͤrfern. Ein Fluß rauſchte beſtaͤn¬
dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mondſchein
auf. Dabei das einfoͤrmige Pferdegetrappel und das
Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬
aufhoͤrlich in einer fremden Sprache mit einander
plauderten, und das helle Mondlicht und die langen
Schatten der Baumſtaͤmme, die wechſelnd uͤber die bei¬
den Reiter wegflogen, daß ſie mir bald ſchwarz, bald

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="47"/>
dem Gurt, die recht hu&#x0364;b&#x017F;ch im Mond&#x017F;chein funkelte.<lb/>
&#x201E;Mein Lieb&#x017F;ter,&#x201C; &#x017F;agte er dabei &#x017F;ehr freund&#x017F;chaftlich zu<lb/>
mir, wa&#x0364;hrend er bald den Lauf der Pi&#x017F;tole abwi&#x017F;chte,<lb/>
bald wieder pru&#x0364;fend an die Augen hielt, &#x201E;mein Lieb¬<lb/>
&#x017F;ter, Du wir&#x017F;t wohl &#x017F;o gut &#x017F;eyn, &#x017F;elber nach B. vor¬<lb/>
auszugehn.<choice><sic/><corr>&#x201C;</corr></choice></p><lb/>
          <p>Da war ich nun recht u&#x0364;bel daran. Traf ich den<lb/>
Weg, &#x017F;o kam ich gewiß zu der Ra&#x0364;uberbande und be¬<lb/>
kam Pru&#x0364;gel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich<lb/>
ihn nicht &#x2014; &#x017F;o bekam ich auch Pru&#x0364;gel. Ich be&#x017F;ann<lb/>
mich al&#x017F;o nicht lange und &#x017F;chlug den er&#x017F;ten be&#x017F;ten Weg<lb/>
ein, der an dem Wirthshau&#x017F;e voru&#x0364;ber vom Dorfe ab¬<lb/>
fu&#x0364;hrte. Der Reiter &#x017F;prengte &#x017F;chnell zu &#x017F;einem Beglei¬<lb/>
ter zuru&#x0364;ck, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬<lb/>
fernung lang&#x017F;am nach. So zogen wir eigentlich recht<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;ch auf gut Glu&#x0364;ck in die mondhelle Nacht hinein.<lb/>
Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬<lb/>
hange fort. Zuweilen konnte man u&#x0364;ber die Tannen¬<lb/>
wipfel, die von unten herauflangten und &#x017F;ich dunkel<lb/>
ru&#x0364;hrten, weit in die tiefen &#x017F;tillen Tha&#x0364;ler hinaus&#x017F;ehen,<lb/>
hin und her &#x017F;chlug eine Nachtigall, Hunde bellten in<lb/>
der Ferne in den Do&#x0364;rfern. Ein Fluß rau&#x017F;chte be&#x017F;ta&#x0364;<lb/>
dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mond&#x017F;chein<lb/>
auf. Dabei das einfo&#x0364;rmige Pferdegetrappel und das<lb/>
Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬<lb/>
aufho&#x0364;rlich in einer fremden Sprache mit einander<lb/>
plauderten, und das helle Mondlicht und die langen<lb/>
Schatten der Baum&#x017F;ta&#x0364;mme, die wech&#x017F;elnd u&#x0364;ber die bei¬<lb/>
den Reiter wegflogen, daß &#x017F;ie mir bald &#x017F;chwarz, bald<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0057] dem Gurt, die recht huͤbſch im Mondſchein funkelte. „Mein Liebſter,“ ſagte er dabei ſehr freundſchaftlich zu mir, waͤhrend er bald den Lauf der Piſtole abwiſchte, bald wieder pruͤfend an die Augen hielt, „mein Lieb¬ ſter, Du wirſt wohl ſo gut ſeyn, ſelber nach B. vor¬ auszugehn.“ Da war ich nun recht uͤbel daran. Traf ich den Weg, ſo kam ich gewiß zu der Raͤuberbande und be¬ kam Pruͤgel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich ihn nicht — ſo bekam ich auch Pruͤgel. Ich beſann mich alſo nicht lange und ſchlug den erſten beſten Weg ein, der an dem Wirthshauſe voruͤber vom Dorfe ab¬ fuͤhrte. Der Reiter ſprengte ſchnell zu ſeinem Beglei¬ ter zuruͤck, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬ fernung langſam nach. So zogen wir eigentlich recht naͤrriſch auf gut Gluͤck in die mondhelle Nacht hinein. Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬ hange fort. Zuweilen konnte man uͤber die Tannen¬ wipfel, die von unten herauflangten und ſich dunkel ruͤhrten, weit in die tiefen ſtillen Thaͤler hinausſehen, hin und her ſchlug eine Nachtigall, Hunde bellten in der Ferne in den Doͤrfern. Ein Fluß rauſchte beſtaͤn¬ dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mondſchein auf. Dabei das einfoͤrmige Pferdegetrappel und das Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬ aufhoͤrlich in einer fremden Sprache mit einander plauderten, und das helle Mondlicht und die langen Schatten der Baumſtaͤmme, die wechſelnd uͤber die bei¬ den Reiter wegflogen, daß ſie mir bald ſchwarz, bald

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/57
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/57>, abgerufen am 05.05.2024.