Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.den Waldhornsklängen und wechselnden Abendlichtern Seit diesem Abend hatte ich weder Ruh' noch den Waldhornsklaͤngen und wechſelnden Abendlichtern Seit dieſem Abend hatte ich weder Ruh' noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="21"/> den Waldhornsklaͤngen und wechſelnden Abendlichtern<lb/> unter den hohen Baͤumen hervor kam, — ich konnte<lb/> nicht vom Fleck. Sie aber erſchrack heftig, als ſie mich<lb/> auf einmal gewahr wurde, und hielt faſt unwillkuͤhr¬<lb/> lich ſtill. Ich war wie betrunken vor Angſt, Herzklop¬<lb/> fen und großer Freude, und da ich bemerkte, daß ſie<lb/> wirklich meinen Blumenſtrauß von geſtern an der Bruſt<lb/> hatte, konnte ich mich nicht laͤnger halten, ſondern<lb/> ſagte ganz verwirrt: „Schoͤnſte gnaͤdige Frau, nehmt<lb/> auch noch dieſen Blumenſtrauß von mir, und alle Blu¬<lb/> men aus meinem Garten und alles was ich habe. Ach<lb/> koͤnnt' ich nur fuͤr Euch in's Feuer ſpringen!“ — Sie<lb/> hatte mich gleich anfangs ſo ernſthaft und faſt boͤſe an¬<lb/> geblickt, daß es mir durch Mark und Bein ging, dann<lb/> aber hielt ſie, ſo lange ich redete, die Augen tief nie¬<lb/> dergeſchlagen. So eben ließen ſich einige Reuter und<lb/> Stimmen im Gebuͤſch hoͤren. Da ergriff ſie ſchnell<lb/> den Strauß aus meiner Hand und war bald, ohne<lb/> ein Wort zu ſagen, am andern Ende des Bogenganges<lb/> verſchwunden.</p><lb/> <p>Seit dieſem Abend hatte ich weder Ruh' noch<lb/> Raſt mehr. Es war mir beſtaͤndig zu Muthe wie ſonſt<lb/> immer, wenn der Fruͤhling anfangen ſollte, ſo unruhig<lb/> und froͤhlich, ohne daß ich wußte warum, als ſtuͤnde<lb/> mir ein großes Gluͤck oder ſonſt etwas Außerordentli¬<lb/> ches bevor. Beſonders das fatale Rechnen wollte mir<lb/> nun erſt gar nicht mehr von der Hand, und ich hatte,<lb/> wenn der Sonnenſchein durch den Kaſtanienbaum vor<lb/> dem Fenſter gruͤngolden auf die Ziffern fiel, und ſo fix<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0031]
den Waldhornsklaͤngen und wechſelnden Abendlichtern
unter den hohen Baͤumen hervor kam, — ich konnte
nicht vom Fleck. Sie aber erſchrack heftig, als ſie mich
auf einmal gewahr wurde, und hielt faſt unwillkuͤhr¬
lich ſtill. Ich war wie betrunken vor Angſt, Herzklop¬
fen und großer Freude, und da ich bemerkte, daß ſie
wirklich meinen Blumenſtrauß von geſtern an der Bruſt
hatte, konnte ich mich nicht laͤnger halten, ſondern
ſagte ganz verwirrt: „Schoͤnſte gnaͤdige Frau, nehmt
auch noch dieſen Blumenſtrauß von mir, und alle Blu¬
men aus meinem Garten und alles was ich habe. Ach
koͤnnt' ich nur fuͤr Euch in's Feuer ſpringen!“ — Sie
hatte mich gleich anfangs ſo ernſthaft und faſt boͤſe an¬
geblickt, daß es mir durch Mark und Bein ging, dann
aber hielt ſie, ſo lange ich redete, die Augen tief nie¬
dergeſchlagen. So eben ließen ſich einige Reuter und
Stimmen im Gebuͤſch hoͤren. Da ergriff ſie ſchnell
den Strauß aus meiner Hand und war bald, ohne
ein Wort zu ſagen, am andern Ende des Bogenganges
verſchwunden.
Seit dieſem Abend hatte ich weder Ruh' noch
Raſt mehr. Es war mir beſtaͤndig zu Muthe wie ſonſt
immer, wenn der Fruͤhling anfangen ſollte, ſo unruhig
und froͤhlich, ohne daß ich wußte warum, als ſtuͤnde
mir ein großes Gluͤck oder ſonſt etwas Außerordentli¬
ches bevor. Beſonders das fatale Rechnen wollte mir
nun erſt gar nicht mehr von der Hand, und ich hatte,
wenn der Sonnenſchein durch den Kaſtanienbaum vor
dem Fenſter gruͤngolden auf die Ziffern fiel, und ſo fix
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