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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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in Schlafrock und Schlafmütze, rauchte Taback aus
dem längsten Rohre, das ich nach dem seligen Einneh¬
mer gefunden hatte, und sah zu, wie die Leute auf der
Landstraße hin- und hergingen, fuhren und ritten. Ich
wünschte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute
aus meinem Dorfe, die immer sagten, aus mir würde
mein Lebtage nichts, hier vorüber kommen und mich
so sehen möchten. -- Der Schlafrock stand mir schön
zu Gesichte, und überhaupt das alles behagte mir sehr
gut. So saß ich denn da und dachte mir mancherlei
hin und her, wie aller Anfang schwer ist, wie das vor¬
nehmere Leben doch eigentlich recht kommode sei, und
faßte heimlich den Entschluß, nunmehr alles Reisen zu
lassen, auch Geld zu sparen wie die andern, und es
mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu
bringen. Inzwischen vergaß ich über meinen Ent¬
schlüssen, Sorgen und Geschäften die allerschönste Frau
keineswegs.

Die Kartoffeln und anderes Gemüse, das ich in
meinem kleinen Gärtchen fand, warf ich hinaus und
bebaute es ganz mit den auserlesensten Blumen, wor¬
über mich der Portier vom Schlosse mit der großen
kurfürstlichen Nase, der, seitdem ich hier wohnte, oft
zu mir kam und mein intimer Freund geworden
war, bedenklich von der Seite ansah, und mich für ei¬
nen hielt, den sein plötzliches Glück verrückt gemacht
hätte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn
nicht weit von mir im herrschaftlichen Garten hörte
ich feine Stimmen sprechen, unter denen ich die mei¬

in Schlafrock und Schlafmuͤtze, rauchte Taback aus
dem laͤngſten Rohre, das ich nach dem ſeligen Einneh¬
mer gefunden hatte, und ſah zu, wie die Leute auf der
Landſtraße hin- und hergingen, fuhren und ritten. Ich
wuͤnſchte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute
aus meinem Dorfe, die immer ſagten, aus mir wuͤrde
mein Lebtage nichts, hier voruͤber kommen und mich
ſo ſehen moͤchten. — Der Schlafrock ſtand mir ſchoͤn
zu Geſichte, und uͤberhaupt das alles behagte mir ſehr
gut. So ſaß ich denn da und dachte mir mancherlei
hin und her, wie aller Anfang ſchwer iſt, wie das vor¬
nehmere Leben doch eigentlich recht kommode ſei, und
faßte heimlich den Entſchluß, nunmehr alles Reiſen zu
laſſen, auch Geld zu ſparen wie die andern, und es
mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu
bringen. Inzwiſchen vergaß ich uͤber meinen Ent¬
ſchluͤſſen, Sorgen und Geſchaͤften die allerſchoͤnſte Frau
keineswegs.

Die Kartoffeln und anderes Gemuͤſe, das ich in
meinem kleinen Gaͤrtchen fand, warf ich hinaus und
bebaute es ganz mit den auserleſenſten Blumen, wor¬
uͤber mich der Portier vom Schloſſe mit der großen
kurfuͤrſtlichen Naſe, der, ſeitdem ich hier wohnte, oft
zu mir kam und mein intimer Freund geworden
war, bedenklich von der Seite anſah, und mich fuͤr ei¬
nen hielt, den ſein ploͤtzliches Gluͤck verruͤckt gemacht
haͤtte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn
nicht weit von mir im herrſchaftlichen Garten hoͤrte
ich feine Stimmen ſprechen, unter denen ich die mei¬

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[18/0028] in Schlafrock und Schlafmuͤtze, rauchte Taback aus dem laͤngſten Rohre, das ich nach dem ſeligen Einneh¬ mer gefunden hatte, und ſah zu, wie die Leute auf der Landſtraße hin- und hergingen, fuhren und ritten. Ich wuͤnſchte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute aus meinem Dorfe, die immer ſagten, aus mir wuͤrde mein Lebtage nichts, hier voruͤber kommen und mich ſo ſehen moͤchten. — Der Schlafrock ſtand mir ſchoͤn zu Geſichte, und uͤberhaupt das alles behagte mir ſehr gut. So ſaß ich denn da und dachte mir mancherlei hin und her, wie aller Anfang ſchwer iſt, wie das vor¬ nehmere Leben doch eigentlich recht kommode ſei, und faßte heimlich den Entſchluß, nunmehr alles Reiſen zu laſſen, auch Geld zu ſparen wie die andern, und es mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu bringen. Inzwiſchen vergaß ich uͤber meinen Ent¬ ſchluͤſſen, Sorgen und Geſchaͤften die allerſchoͤnſte Frau keineswegs. Die Kartoffeln und anderes Gemuͤſe, das ich in meinem kleinen Gaͤrtchen fand, warf ich hinaus und bebaute es ganz mit den auserleſenſten Blumen, wor¬ uͤber mich der Portier vom Schloſſe mit der großen kurfuͤrſtlichen Naſe, der, ſeitdem ich hier wohnte, oft zu mir kam und mein intimer Freund geworden war, bedenklich von der Seite anſah, und mich fuͤr ei¬ nen hielt, den ſein ploͤtzliches Gluͤck verruͤckt gemacht haͤtte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn nicht weit von mir im herrſchaftlichen Garten hoͤrte ich feine Stimmen ſprechen, unter denen ich die mei¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/28>, abgerufen am 23.11.2024.