Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.gar. Die schöne Frau welche eine Lilie in der Hand Wie ich noch so auf sie hinsehe, fällt's auf einmal gar. Die ſchoͤne Frau welche eine Lilie in der Hand Wie ich noch ſo auf ſie hinſehe, faͤllt's auf einmal <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="14"/> gar. Die ſchoͤne Frau welche eine Lilie in der Hand<lb/> hielt, ſaß dicht am Bord des Schiffleins und ſah ſtill¬<lb/> laͤchelnd in die klaren Wellen hinunter, die ſie mit der<lb/> Lilie beruͤhrte, ſo daß ihr ganzes Bild zwiſchen den<lb/> wiederſcheinenden Wolken und Baͤumen im Waſſer<lb/> noch einmal zu ſehen war, wie ein Engel, der leiſe<lb/> durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht.</p><lb/> <p>Wie ich noch ſo auf ſie hinſehe, faͤllt's auf einmal<lb/> der andern luſtigen Dicken von meinen zwei Damen<lb/> ein, ich ſollte ihr waͤhrend der Fahrt Eins ſingen. Ge¬<lb/> ſchwind dreht ſich ein ſehr zierlicher junger Herr mit<lb/> einer Brille auf der Naſe, der neben ihr ſaß, zu ihr<lb/> herum, kuͤßt ihr ſanft die Hand und ſagt: „Ich danke<lb/> ihnen fuͤr den ſinnigen Einfall! ein Volkslied, <hi rendition="#g">geſun¬<lb/> gen</hi> vom Volk in freiem Feld und Wald, iſt ein Al¬<lb/> penroͤslein auf der Alpe ſelbſt, — die Wunderhoͤrner<lb/> ſind nur Herbarien, — iſt die Seele der National-<lb/> Seele.“ Ich aber ſagte, ich wiſſe nichts zu ſingen,<lb/> was fuͤr ſolche Herrſchaften ſchoͤn genug waͤre. Da ſagte<lb/> die ſchnippiſche Kammerjungfer, die mit einem Korbe<lb/> voll Taſſen und Flaſchen hart neben mir ſtand und<lb/> die ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte: „Weiß<lb/> Er doch ein recht huͤbſches Liedchen von einer viel¬<lb/> ſchoͤnen Fraue.“ — „Ja, ja, das ſing Er nur recht dreiſt<lb/> weg,“ rief darauf ſogleich die Dame wieder. Ich<lb/> wurde uͤber und uͤber roth. — Indem blickte auch die<lb/> ſchoͤne Frau auf einmal vom Waſſer auf, und ſah mich<lb/> an, daß es mir durch Leib und Seele ging. Da be¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0024]
gar. Die ſchoͤne Frau welche eine Lilie in der Hand
hielt, ſaß dicht am Bord des Schiffleins und ſah ſtill¬
laͤchelnd in die klaren Wellen hinunter, die ſie mit der
Lilie beruͤhrte, ſo daß ihr ganzes Bild zwiſchen den
wiederſcheinenden Wolken und Baͤumen im Waſſer
noch einmal zu ſehen war, wie ein Engel, der leiſe
durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht.
Wie ich noch ſo auf ſie hinſehe, faͤllt's auf einmal
der andern luſtigen Dicken von meinen zwei Damen
ein, ich ſollte ihr waͤhrend der Fahrt Eins ſingen. Ge¬
ſchwind dreht ſich ein ſehr zierlicher junger Herr mit
einer Brille auf der Naſe, der neben ihr ſaß, zu ihr
herum, kuͤßt ihr ſanft die Hand und ſagt: „Ich danke
ihnen fuͤr den ſinnigen Einfall! ein Volkslied, geſun¬
gen vom Volk in freiem Feld und Wald, iſt ein Al¬
penroͤslein auf der Alpe ſelbſt, — die Wunderhoͤrner
ſind nur Herbarien, — iſt die Seele der National-
Seele.“ Ich aber ſagte, ich wiſſe nichts zu ſingen,
was fuͤr ſolche Herrſchaften ſchoͤn genug waͤre. Da ſagte
die ſchnippiſche Kammerjungfer, die mit einem Korbe
voll Taſſen und Flaſchen hart neben mir ſtand und
die ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte: „Weiß
Er doch ein recht huͤbſches Liedchen von einer viel¬
ſchoͤnen Fraue.“ — „Ja, ja, das ſing Er nur recht dreiſt
weg,“ rief darauf ſogleich die Dame wieder. Ich
wurde uͤber und uͤber roth. — Indem blickte auch die
ſchoͤne Frau auf einmal vom Waſſer auf, und ſah mich
an, daß es mir durch Leib und Seele ging. Da be¬
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