herumginge. Oder ich legte mich an schwülen Nach¬ mittagen auf den Rücken hin, wenn alles so still war, daß man nur die Bienen sumsen hörte, und sah zu wie über mir die Wolken nach meinem Dorfe zuflogen und die Gräser und Blumen sich hin und her beweg¬ ten, und gedachte an die Dame, und da geschah es denn oft, daß die schöne Frau mit der Guitarre oder einem Buche in der Ferne wirklich durch den Garten zog, so still, groß und freundlich wie ein Engelsbild, so daß ich nicht recht wußte, ob ich träumte oder wachte.
So sang ich auch einmal, wie ich eben bei einem Lusthause zur Arbeit vorbey ging, für mich hin:
Wohin ich geh' und schaue, In Feld und Wald und Thal Vom Berg' in's Himmelsblaue, Viel schöne gnäd'ge Fraue, Grüß' ich Dich tausendmal.
Da seh' ich aus dem dunkelkühlen Lusthause zwi¬ schen den halbgeöffneten Jalousien und Blumen, die dort standen, zwei schöne junge frische Augen hervor¬ funkeln. Ich war ganz erschrocken, ich sang das Lied nicht aus, sondern ging, ohne mich umzusehen, fort an die Arbeit.
Abends, es war grade an einem Sonnabend, und ich stand eben in der Vorfreude kommenden Sonntags mit der Geige im Gartenhause am Fenster und dachte noch an die funkelnden Augen, da kommt auf einmal die Kammerjungfer durch die Dämmerung dahergestri¬
herumginge. Oder ich legte mich an ſchwuͤlen Nach¬ mittagen auf den Ruͤcken hin, wenn alles ſo ſtill war, daß man nur die Bienen ſumſen hoͤrte, und ſah zu wie uͤber mir die Wolken nach meinem Dorfe zuflogen und die Graͤſer und Blumen ſich hin und her beweg¬ ten, und gedachte an die Dame, und da geſchah es denn oft, daß die ſchoͤne Frau mit der Guitarre oder einem Buche in der Ferne wirklich durch den Garten zog, ſo ſtill, groß und freundlich wie ein Engelsbild, ſo daß ich nicht recht wußte, ob ich traͤumte oder wachte.
So ſang ich auch einmal, wie ich eben bei einem Luſthauſe zur Arbeit vorbey ging, fuͤr mich hin:
Wohin ich geh' und ſchaue, In Feld und Wald und Thal Vom Berg' in's Himmelsblaue, Viel ſchoͤne gnaͤd'ge Fraue, Gruͤß' ich Dich tauſendmal.
Da ſeh' ich aus dem dunkelkuͤhlen Luſthauſe zwi¬ ſchen den halbgeoͤffneten Jalouſien und Blumen, die dort ſtanden, zwei ſchoͤne junge friſche Augen hervor¬ funkeln. Ich war ganz erſchrocken, ich ſang das Lied nicht aus, ſondern ging, ohne mich umzuſehen, fort an die Arbeit.
Abends, es war grade an einem Sonnabend, und ich ſtand eben in der Vorfreude kommenden Sonntags mit der Geige im Gartenhauſe am Fenſter und dachte noch an die funkelnden Augen, da kommt auf einmal die Kammerjungfer durch die Daͤmmerung dahergeſtri¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0019"n="9"/>
herumginge. Oder ich legte mich an ſchwuͤlen Nach¬<lb/>
mittagen auf den Ruͤcken hin, wenn alles ſo ſtill war,<lb/>
daß man nur die Bienen ſumſen hoͤrte, und ſah zu<lb/>
wie uͤber mir die Wolken nach meinem Dorfe zuflogen<lb/>
und die Graͤſer und Blumen ſich hin und her beweg¬<lb/>
ten, und gedachte an die Dame, und da geſchah es<lb/>
denn oft, daß die ſchoͤne Frau mit der Guitarre oder<lb/>
einem Buche in der Ferne wirklich durch den Garten<lb/>
zog, ſo ſtill, groß und freundlich wie ein Engelsbild,<lb/>ſo daß ich nicht recht wußte, ob ich traͤumte oder<lb/>
wachte.</p><lb/><p>So ſang ich auch einmal, wie ich eben bei einem<lb/>
Luſthauſe zur Arbeit vorbey ging, fuͤr mich hin:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Wohin ich geh' und ſchaue,</l><lb/><l>In Feld und Wald und Thal</l><lb/><l>Vom Berg' in's Himmelsblaue,</l><lb/><l>Viel ſchoͤne gnaͤd'ge Fraue,</l><lb/><l>Gruͤß' ich Dich tauſendmal.</l><lb/></lg><p>Da ſeh' ich aus dem dunkelkuͤhlen Luſthauſe zwi¬<lb/>ſchen den halbgeoͤffneten Jalouſien und Blumen, die<lb/>
dort ſtanden, zwei ſchoͤne junge friſche Augen hervor¬<lb/>
funkeln. Ich war ganz erſchrocken, ich ſang das Lied<lb/>
nicht aus, ſondern ging, ohne mich umzuſehen, fort<lb/>
an die Arbeit.</p><lb/><p>Abends, es war grade an einem Sonnabend, und<lb/>
ich ſtand eben in der Vorfreude kommenden Sonntags<lb/>
mit der Geige im Gartenhauſe am Fenſter und dachte<lb/>
noch an die funkelnden Augen, da kommt auf einmal<lb/>
die Kammerjungfer durch die Daͤmmerung dahergeſtri¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0019]
herumginge. Oder ich legte mich an ſchwuͤlen Nach¬
mittagen auf den Ruͤcken hin, wenn alles ſo ſtill war,
daß man nur die Bienen ſumſen hoͤrte, und ſah zu
wie uͤber mir die Wolken nach meinem Dorfe zuflogen
und die Graͤſer und Blumen ſich hin und her beweg¬
ten, und gedachte an die Dame, und da geſchah es
denn oft, daß die ſchoͤne Frau mit der Guitarre oder
einem Buche in der Ferne wirklich durch den Garten
zog, ſo ſtill, groß und freundlich wie ein Engelsbild,
ſo daß ich nicht recht wußte, ob ich traͤumte oder
wachte.
So ſang ich auch einmal, wie ich eben bei einem
Luſthauſe zur Arbeit vorbey ging, fuͤr mich hin:
Wohin ich geh' und ſchaue,
In Feld und Wald und Thal
Vom Berg' in's Himmelsblaue,
Viel ſchoͤne gnaͤd'ge Fraue,
Gruͤß' ich Dich tauſendmal.
Da ſeh' ich aus dem dunkelkuͤhlen Luſthauſe zwi¬
ſchen den halbgeoͤffneten Jalouſien und Blumen, die
dort ſtanden, zwei ſchoͤne junge friſche Augen hervor¬
funkeln. Ich war ganz erſchrocken, ich ſang das Lied
nicht aus, ſondern ging, ohne mich umzuſehen, fort
an die Arbeit.
Abends, es war grade an einem Sonnabend, und
ich ſtand eben in der Vorfreude kommenden Sonntags
mit der Geige im Gartenhauſe am Fenſter und dachte
noch an die funkelnden Augen, da kommt auf einmal
die Kammerjungfer durch die Daͤmmerung dahergeſtri¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/19>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.