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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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als sich einmal im Tanze ihre Lippen flüchtig beinah be¬
rührten.

Der Tanz war endlich aus, die Musik hielt plötz¬
lich inne; da glaubte Florio seine schöne Tänzerin am
anderen Ende des Saales noch einmal wieder zu
sehen. Es war dieselbe Tracht, dieselben Farben des
Gewandes, derselbe Haarschmuck. Das schöne Bild
schien unverwandt auf ihn herzusehen und stand fort¬
während still im Schwarme der nun überall zerstreu¬
ten Tänzer, wie ein heiteres Gestirn zwischen dem leich¬
ten fliegenden Gewölk bald untergeht, bald lieblich
wieder erscheint. Die zierliche Griechin schien die Er¬
scheinung nicht zu bemerken, oder doch nicht zu beach¬
ten, sondern verließ, ohne ein Wort zu sagen, mit ei¬
nem leisen flüchtigen Händedruck eilig ihren Tänzer.

Der Saal war unterdeß ziemlich leer geworden.
Alles schwärmte in den Garten hinab, um sich in der
lauen Luft zu ergehen, auch jenes seltsame Doppelbild
war verschwunden. Florio folgte dem Zuge und schlen¬
derte gedankenvoll durch die hohen Bogengänge. Die
vielen Lichter warfen einen zauberischen Schein zwischen
das zitternde Laub. Die hin und her schweifenden Mas¬
ken, mit ihren veränderten grellen Stimmen und wun¬
derbarem Aufzuge, nahmen sich hier in der ungewissen
Beleuchtung noch viel seltsamer und fast gespenstisch aus.

Er war eben, unwillkührlich einen einsamen Pfad
einschlagend, ein wenig von der Gesellschaft abgekom¬
men, als er eine liebliche Stimme zwischen den Gebü¬
schen singen hörte:

als ſich einmal im Tanze ihre Lippen fluͤchtig beinah be¬
ruͤhrten.

Der Tanz war endlich aus, die Muſik hielt ploͤtz¬
lich inne; da glaubte Florio ſeine ſchoͤne Taͤnzerin am
anderen Ende des Saales noch einmal wieder zu
ſehen. Es war dieſelbe Tracht, dieſelben Farben des
Gewandes, derſelbe Haarſchmuck. Das ſchoͤne Bild
ſchien unverwandt auf ihn herzuſehen und ſtand fort¬
waͤhrend ſtill im Schwarme der nun uͤberall zerſtreu¬
ten Taͤnzer, wie ein heiteres Geſtirn zwiſchen dem leich¬
ten fliegenden Gewoͤlk bald untergeht, bald lieblich
wieder erſcheint. Die zierliche Griechin ſchien die Er¬
ſcheinung nicht zu bemerken, oder doch nicht zu beach¬
ten, ſondern verließ, ohne ein Wort zu ſagen, mit ei¬
nem leiſen fluͤchtigen Haͤndedruck eilig ihren Taͤnzer.

Der Saal war unterdeß ziemlich leer geworden.
Alles ſchwaͤrmte in den Garten hinab, um ſich in der
lauen Luft zu ergehen, auch jenes ſeltſame Doppelbild
war verſchwunden. Florio folgte dem Zuge und ſchlen¬
derte gedankenvoll durch die hohen Bogengaͤnge. Die
vielen Lichter warfen einen zauberiſchen Schein zwiſchen
das zitternde Laub. Die hin und her ſchweifenden Mas¬
ken, mit ihren veraͤnderten grellen Stimmen und wun¬
derbarem Aufzuge, nahmen ſich hier in der ungewiſſen
Beleuchtung noch viel ſeltſamer und faſt geſpenſtiſch aus.

Er war eben, unwillkuͤhrlich einen einſamen Pfad
einſchlagend, ein wenig von der Geſellſchaft abgekom¬
men, als er eine liebliche Stimme zwiſchen den Gebuͤ¬
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[171/0181] als ſich einmal im Tanze ihre Lippen fluͤchtig beinah be¬ ruͤhrten. Der Tanz war endlich aus, die Muſik hielt ploͤtz¬ lich inne; da glaubte Florio ſeine ſchoͤne Taͤnzerin am anderen Ende des Saales noch einmal wieder zu ſehen. Es war dieſelbe Tracht, dieſelben Farben des Gewandes, derſelbe Haarſchmuck. Das ſchoͤne Bild ſchien unverwandt auf ihn herzuſehen und ſtand fort¬ waͤhrend ſtill im Schwarme der nun uͤberall zerſtreu¬ ten Taͤnzer, wie ein heiteres Geſtirn zwiſchen dem leich¬ ten fliegenden Gewoͤlk bald untergeht, bald lieblich wieder erſcheint. Die zierliche Griechin ſchien die Er¬ ſcheinung nicht zu bemerken, oder doch nicht zu beach¬ ten, ſondern verließ, ohne ein Wort zu ſagen, mit ei¬ nem leiſen fluͤchtigen Haͤndedruck eilig ihren Taͤnzer. Der Saal war unterdeß ziemlich leer geworden. Alles ſchwaͤrmte in den Garten hinab, um ſich in der lauen Luft zu ergehen, auch jenes ſeltſame Doppelbild war verſchwunden. Florio folgte dem Zuge und ſchlen¬ derte gedankenvoll durch die hohen Bogengaͤnge. Die vielen Lichter warfen einen zauberiſchen Schein zwiſchen das zitternde Laub. Die hin und her ſchweifenden Mas¬ ken, mit ihren veraͤnderten grellen Stimmen und wun¬ derbarem Aufzuge, nahmen ſich hier in der ungewiſſen Beleuchtung noch viel ſeltſamer und faſt geſpenſtiſch aus. Er war eben, unwillkuͤhrlich einen einſamen Pfad einſchlagend, ein wenig von der Geſellſchaft abgekom¬ men, als er eine liebliche Stimme zwiſchen den Gebuͤ¬ ſchen ſingen hoͤrte:

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/181>, abgerufen am 27.04.2024.