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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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sie mich schnell an sich und fiel mir um den Hals, und
ich umschlang sie fest mit beiden Armen.

Sie machte sich aber geschwind wieder los und
legte sich ganz verwirrt in das Fenster, um ihre glü¬
henden Wangen in der Abendluft abzukühlen. -- "Ach,"
rief ich, "mir ist mein Herz recht zum Zerspringen, aber
ich kann mir noch alles nicht recht denken, es ist mir
alles noch wie ein Traum!" -- "Mir auch," sagte
die schöne gnädige Frau. "Als ich vergangenen Som¬
mer," setzte sie nach einer Weile hinzu, "mit der Grä¬
fin aus Rom kam, und wir das Fräulein Flora glück¬
lich gefunden hatten, und mit zurückbrachten, von Dir
aber dort und hier nichts hörten -- da dacht' ich nicht,
daß alles noch so kommen würde! Erst heut zu Mit¬
tag sprengte der Jokey, der gute flinke Bursch, athem¬
los auf den Hof und brachte die Nachricht, daß Du
mit dem Postschiffe kämst." -- Dann lachte sie still
in sich hinein. "Weißt Du noch," sagte sie, "wie Du
mich damals auf dem Balkon zum letzenmal sahst? das
war grade wie heute, auch so ein stiller Abend, und
Musik im Garten." -- "Wer ist denn eigentlich ge¬
storben?" frug ich hastig. -- "Wer denn?" sagte die
schöne Frau und sah mich erstaunt an. -- "Der Herr
Gemahl von Ew. Gnaden," erwiederte ich, "der da¬
mals mit auf dem Balkon stand." -- Sie wurde ganz
roth. "Was hast Du auch für Seltsamkeiten im
Kopfe!" rief sie aus, "das war ja der Sohn von der
Gräfin, der eben von Reisen zurückkam, und es traf
grade auch mein Geburtstag, da führte er mich mit

ſie mich ſchnell an ſich und fiel mir um den Hals, und
ich umſchlang ſie feſt mit beiden Armen.

Sie machte ſich aber geſchwind wieder los und
legte ſich ganz verwirrt in das Fenſter, um ihre gluͤ¬
henden Wangen in der Abendluft abzukuͤhlen. — „Ach,“
rief ich, „mir iſt mein Herz recht zum Zerſpringen, aber
ich kann mir noch alles nicht recht denken, es iſt mir
alles noch wie ein Traum!“ — „Mir auch,“ ſagte
die ſchoͤne gnaͤdige Frau. „Als ich vergangenen Som¬
mer,“ ſetzte ſie nach einer Weile hinzu, „mit der Graͤ¬
fin aus Rom kam, und wir das Fraͤulein Flora gluͤck¬
lich gefunden hatten, und mit zuruͤckbrachten, von Dir
aber dort und hier nichts hoͤrten — da dacht' ich nicht,
daß alles noch ſo kommen wuͤrde! Erſt heut zu Mit¬
tag ſprengte der Jokey, der gute flinke Burſch, athem¬
los auf den Hof und brachte die Nachricht, daß Du
mit dem Poſtſchiffe kaͤmſt.“ — Dann lachte ſie ſtill
in ſich hinein. „Weißt Du noch,“ ſagte ſie, „wie Du
mich damals auf dem Balkon zum letzenmal ſahſt? das
war grade wie heute, auch ſo ein ſtiller Abend, und
Muſik im Garten.“ — „Wer iſt denn eigentlich ge¬
ſtorben?“ frug ich haſtig. — „Wer denn?“ ſagte die
ſchoͤne Frau und ſah mich erſtaunt an. — „Der Herr
Gemahl von Ew. Gnaden,“ erwiederte ich, „der da¬
mals mit auf dem Balkon ſtand.“ — Sie wurde ganz
roth. „Was haſt Du auch fuͤr Seltſamkeiten im
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[134/0144] ſie mich ſchnell an ſich und fiel mir um den Hals, und ich umſchlang ſie feſt mit beiden Armen. Sie machte ſich aber geſchwind wieder los und legte ſich ganz verwirrt in das Fenſter, um ihre gluͤ¬ henden Wangen in der Abendluft abzukuͤhlen. — „Ach,“ rief ich, „mir iſt mein Herz recht zum Zerſpringen, aber ich kann mir noch alles nicht recht denken, es iſt mir alles noch wie ein Traum!“ — „Mir auch,“ ſagte die ſchoͤne gnaͤdige Frau. „Als ich vergangenen Som¬ mer,“ ſetzte ſie nach einer Weile hinzu, „mit der Graͤ¬ fin aus Rom kam, und wir das Fraͤulein Flora gluͤck¬ lich gefunden hatten, und mit zuruͤckbrachten, von Dir aber dort und hier nichts hoͤrten — da dacht' ich nicht, daß alles noch ſo kommen wuͤrde! Erſt heut zu Mit¬ tag ſprengte der Jokey, der gute flinke Burſch, athem¬ los auf den Hof und brachte die Nachricht, daß Du mit dem Poſtſchiffe kaͤmſt.“ — Dann lachte ſie ſtill in ſich hinein. „Weißt Du noch,“ ſagte ſie, „wie Du mich damals auf dem Balkon zum letzenmal ſahſt? das war grade wie heute, auch ſo ein ſtiller Abend, und Muſik im Garten.“ — „Wer iſt denn eigentlich ge¬ ſtorben?“ frug ich haſtig. — „Wer denn?“ ſagte die ſchoͤne Frau und ſah mich erſtaunt an. — „Der Herr Gemahl von Ew. Gnaden,“ erwiederte ich, „der da¬ mals mit auf dem Balkon ſtand.“ — Sie wurde ganz roth. „Was haſt Du auch fuͤr Seltſamkeiten im Kopfe!“ rief ſie aus, „das war ja der Sohn von der Graͤfin, der eben von Reiſen zuruͤckkam, und es traf grade auch mein Geburtstag, da fuͤhrte er mich mit

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/144>, abgerufen am 11.05.2024.