Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

sprach dann auf italienisch zu der Kammerjungfer, wo¬
von ich nichts verstand.

Unterdeß aber war von dem vorigen Geschrei die
ganze Nachbarschaft lebendig geworden. Hunde bellten,
Kinder schrien, zwischen durch hörte man einige Män¬
nerstimmen, die immer näher und näher auf den Gar¬
ten zukamen. Da blickte mich die Dame noch einmal
an, als wenn sie mich mit feurigen Kugeln durchboh¬
ren wollte, wandte sich dann rasch nach dem Zimmer
zurück, während sie dabei stolz und gezwungen auf¬
lachte, und schmiß mir die Thüre vor der Nase zu.
Die Kammerjungfer aber erwischte mich ohne weiteres
beim Flügel, und zerrte mich nach der Gartenpforte.

"Da hast Du wieder einmal recht dummes Zeug
gemacht," sagte sie unterweges voller Bosheit zu mir.
Ich wurde auch schon giftig. "Nun zum Teufel!"
sagte ich, "habt Ihr mich denn nicht selbst hierher be¬
stellt?" -- "Das ist's ja eben," rief die Kammerjung¬
fer, "meine Gräfin meinte es so gut mit Dir, wirft
Dir erst Blumen aus dem Fenster zu, singt Arien --
und das ist nun ihr Lohn! Aber mit Dir ist nun ein¬
mal nichts anzufangen, Du trittst Dein Glück ordent¬
lich mit Füßen." -- "Aber," erwiederte ich, "ich meinte
die Gräfin aus Deutschland, die schöne gnädige Frau " --
"Ach," unterbrach sie mich, "die ist ja lange schon wie¬
der in Deutschland, mit sammt Deiner tollen Amour.
Und da lauf Du nur auch wieder hin! Sie schmachtet
ohnedieß nach Dir, da könnt' Ihr zusammen die Geige

ſprach dann auf italieniſch zu der Kammerjungfer, wo¬
von ich nichts verſtand.

Unterdeß aber war von dem vorigen Geſchrei die
ganze Nachbarſchaft lebendig geworden. Hunde bellten,
Kinder ſchrien, zwiſchen durch hoͤrte man einige Maͤn¬
nerſtimmen, die immer naͤher und naͤher auf den Gar¬
ten zukamen. Da blickte mich die Dame noch einmal
an, als wenn ſie mich mit feurigen Kugeln durchboh¬
ren wollte, wandte ſich dann raſch nach dem Zimmer
zuruͤck, waͤhrend ſie dabei ſtolz und gezwungen auf¬
lachte, und ſchmiß mir die Thuͤre vor der Naſe zu.
Die Kammerjungfer aber erwiſchte mich ohne weiteres
beim Fluͤgel, und zerrte mich nach der Gartenpforte.

„Da haſt Du wieder einmal recht dummes Zeug
gemacht,“ ſagte ſie unterweges voller Bosheit zu mir.
Ich wurde auch ſchon giftig. „Nun zum Teufel!“
ſagte ich, „habt Ihr mich denn nicht ſelbſt hierher be¬
ſtellt?“ — „Das iſt's ja eben,“ rief die Kammerjung¬
fer, „meine Graͤfin meinte es ſo gut mit Dir, wirft
Dir erſt Blumen aus dem Fenſter zu, ſingt Arien —
und das iſt nun ihr Lohn! Aber mit Dir iſt nun ein¬
mal nichts anzufangen, Du trittſt Dein Gluͤck ordent¬
lich mit Fuͤßen.“ — „Aber,“ erwiederte ich, „ich meinte
die Graͤfin aus Deutſchland, die ſchoͤne gnaͤdige Frau “ —
„Ach,“ unterbrach ſie mich, „die iſt ja lange ſchon wie¬
der in Deutſchland, mit ſammt Deiner tollen Amour.
Und da lauf Du nur auch wieder hin! Sie ſchmachtet
ohnedieß nach Dir, da koͤnnt' Ihr zuſammen die Geige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0117" n="107"/>
&#x017F;prach dann auf italieni&#x017F;ch zu der Kammerjungfer, wo¬<lb/>
von ich nichts ver&#x017F;tand.</p><lb/>
          <p>Unterdeß aber war von dem vorigen Ge&#x017F;chrei die<lb/>
ganze Nachbar&#x017F;chaft lebendig geworden. Hunde bellten,<lb/>
Kinder &#x017F;chrien, zwi&#x017F;chen durch ho&#x0364;rte man einige Ma&#x0364;<lb/>
ner&#x017F;timmen, die immer na&#x0364;her und na&#x0364;her auf den Gar¬<lb/>
ten zukamen. Da blickte mich die Dame noch einmal<lb/>
an, als wenn &#x017F;ie mich mit feurigen Kugeln durchboh¬<lb/>
ren wollte, wandte &#x017F;ich dann ra&#x017F;ch nach dem Zimmer<lb/>
zuru&#x0364;ck, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie dabei &#x017F;tolz und gezwungen auf¬<lb/>
lachte, und &#x017F;chmiß mir die Thu&#x0364;re vor der Na&#x017F;e zu.<lb/>
Die Kammerjungfer aber erwi&#x017F;chte mich ohne weiteres<lb/>
beim Flu&#x0364;gel, und zerrte mich nach der Gartenpforte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Da ha&#x017F;t Du wieder einmal recht dummes Zeug<lb/>
gemacht,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie unterweges voller Bosheit zu mir.<lb/>
Ich wurde auch &#x017F;chon giftig. &#x201E;Nun zum Teufel!&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte ich, &#x201E;habt Ihr mich denn nicht &#x017F;elb&#x017F;t hierher be¬<lb/>
&#x017F;tellt?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Das i&#x017F;t's ja eben,&#x201C; rief die Kammerjung¬<lb/>
fer, &#x201E;meine Gra&#x0364;fin meinte es &#x017F;o gut mit Dir, wirft<lb/>
Dir er&#x017F;t Blumen aus dem Fen&#x017F;ter zu, &#x017F;ingt Arien &#x2014;<lb/>
und <hi rendition="#g">das</hi> i&#x017F;t nun ihr Lohn! Aber mit Dir i&#x017F;t nun ein¬<lb/>
mal nichts anzufangen, Du tritt&#x017F;t Dein Glu&#x0364;ck ordent¬<lb/>
lich mit Fu&#x0364;ßen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Aber,&#x201C; erwiederte ich, &#x201E;ich meinte<lb/>
die Gra&#x0364;fin aus Deut&#x017F;chland, die &#x017F;cho&#x0364;ne gna&#x0364;dige Frau &#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ach,&#x201C; unterbrach &#x017F;ie mich, &#x201E;die i&#x017F;t ja lange &#x017F;chon wie¬<lb/>
der in Deut&#x017F;chland, mit &#x017F;ammt Deiner tollen Amour.<lb/>
Und da lauf Du nur auch wieder hin! Sie &#x017F;chmachtet<lb/>
ohnedieß nach Dir, da ko&#x0364;nnt' Ihr zu&#x017F;ammen die Geige<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0117] ſprach dann auf italieniſch zu der Kammerjungfer, wo¬ von ich nichts verſtand. Unterdeß aber war von dem vorigen Geſchrei die ganze Nachbarſchaft lebendig geworden. Hunde bellten, Kinder ſchrien, zwiſchen durch hoͤrte man einige Maͤn¬ nerſtimmen, die immer naͤher und naͤher auf den Gar¬ ten zukamen. Da blickte mich die Dame noch einmal an, als wenn ſie mich mit feurigen Kugeln durchboh¬ ren wollte, wandte ſich dann raſch nach dem Zimmer zuruͤck, waͤhrend ſie dabei ſtolz und gezwungen auf¬ lachte, und ſchmiß mir die Thuͤre vor der Naſe zu. Die Kammerjungfer aber erwiſchte mich ohne weiteres beim Fluͤgel, und zerrte mich nach der Gartenpforte. „Da haſt Du wieder einmal recht dummes Zeug gemacht,“ ſagte ſie unterweges voller Bosheit zu mir. Ich wurde auch ſchon giftig. „Nun zum Teufel!“ ſagte ich, „habt Ihr mich denn nicht ſelbſt hierher be¬ ſtellt?“ — „Das iſt's ja eben,“ rief die Kammerjung¬ fer, „meine Graͤfin meinte es ſo gut mit Dir, wirft Dir erſt Blumen aus dem Fenſter zu, ſingt Arien — und das iſt nun ihr Lohn! Aber mit Dir iſt nun ein¬ mal nichts anzufangen, Du trittſt Dein Gluͤck ordent¬ lich mit Fuͤßen.“ — „Aber,“ erwiederte ich, „ich meinte die Graͤfin aus Deutſchland, die ſchoͤne gnaͤdige Frau “ — „Ach,“ unterbrach ſie mich, „die iſt ja lange ſchon wie¬ der in Deutſchland, mit ſammt Deiner tollen Amour. Und da lauf Du nur auch wieder hin! Sie ſchmachtet ohnedieß nach Dir, da koͤnnt' Ihr zuſammen die Geige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/117
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/117>, abgerufen am 12.05.2024.