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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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den stillen Häusern und Gärten fort. Aber wie er¬
staunte ich, als ich da auf einmal auf dem Platze mit
dem Springbrunnen heraus kam, den ich heute am
Tage gar nicht hatte finden können. Da stand das
einsame Gartenhaus wieder, im prächtigsten Mond¬
schein, und auch die schöne Fraue sang im Garten wie¬
der dasselbe italienische Lied, wie gestern Abend. --
Ich rannte voller Entzücken erst an die kleine Thür,
dann an die Hausthür, und endlich mit aller Gewalt
an das große Gartenthor, aber es war alles verschlossen.
Nun fiel mir erst ein, daß es noch nicht Elf geschlagen
hatte. Ich ärgerte mich über die langsame Zeit, aber
über das Gartenthor klettern, wie gestern, mochte ich
wegen der guten Lebensart nicht. Ich ging daher ein
Weilchen auf dem einsamen Platze auf und ab, und
setzte mich endlich wieder auf den steinernen Brunnen
voll Gedanken und stiller Erwartung hin.

Die Sterne funkelten am Himmel, auf dem Platze
war alles leer und still, ich hörte voll Vergnügen dem
Gesange der schönen Frau zu, der zwischen dem Rau¬
schen des Brunnens aus dem Garten herüberklang. Da
erblickt ich auf einmal eine weiße Gestalt, die von der
andern Seite des Platzes herkam, und grade auf die
kleine Gartenthür zuging. Ich blickte durch den Mond¬
flimmer recht scharf hin -- es war der wilde Maler in
seinem weißen Mantel. Er zog schnell einen Schlüssel
hervor, schloß auf, und ehe ich mich's versah, war er
im Garten drinn.

Nun hatte ich gegen den Maler schon von Anfang

den ſtillen Haͤuſern und Gaͤrten fort. Aber wie er¬
ſtaunte ich, als ich da auf einmal auf dem Platze mit
dem Springbrunnen heraus kam, den ich heute am
Tage gar nicht hatte finden koͤnnen. Da ſtand das
einſame Gartenhaus wieder, im praͤchtigſten Mond¬
ſchein, und auch die ſchoͤne Fraue ſang im Garten wie¬
der daſſelbe italieniſche Lied, wie geſtern Abend. —
Ich rannte voller Entzuͤcken erſt an die kleine Thuͤr,
dann an die Hausthuͤr, und endlich mit aller Gewalt
an das große Gartenthor, aber es war alles verſchloſſen.
Nun fiel mir erſt ein, daß es noch nicht Elf geſchlagen
hatte. Ich aͤrgerte mich uͤber die langſame Zeit, aber
uͤber das Gartenthor klettern, wie geſtern, mochte ich
wegen der guten Lebensart nicht. Ich ging daher ein
Weilchen auf dem einſamen Platze auf und ab, und
ſetzte mich endlich wieder auf den ſteinernen Brunnen
voll Gedanken und ſtiller Erwartung hin.

Die Sterne funkelten am Himmel, auf dem Platze
war alles leer und ſtill, ich hoͤrte voll Vergnuͤgen dem
Geſange der ſchoͤnen Frau zu, der zwiſchen dem Rau¬
ſchen des Brunnens aus dem Garten heruͤberklang. Da
erblickt ich auf einmal eine weiße Geſtalt, die von der
andern Seite des Platzes herkam, und grade auf die
kleine Gartenthuͤr zuging. Ich blickte durch den Mond¬
flimmer recht ſcharf hin — es war der wilde Maler in
ſeinem weißen Mantel. Er zog ſchnell einen Schluͤſſel
hervor, ſchloß auf, und ehe ich mich's verſah, war er
im Garten drinn.

Nun hatte ich gegen den Maler ſchon von Anfang

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[104/0114] den ſtillen Haͤuſern und Gaͤrten fort. Aber wie er¬ ſtaunte ich, als ich da auf einmal auf dem Platze mit dem Springbrunnen heraus kam, den ich heute am Tage gar nicht hatte finden koͤnnen. Da ſtand das einſame Gartenhaus wieder, im praͤchtigſten Mond¬ ſchein, und auch die ſchoͤne Fraue ſang im Garten wie¬ der daſſelbe italieniſche Lied, wie geſtern Abend. — Ich rannte voller Entzuͤcken erſt an die kleine Thuͤr, dann an die Hausthuͤr, und endlich mit aller Gewalt an das große Gartenthor, aber es war alles verſchloſſen. Nun fiel mir erſt ein, daß es noch nicht Elf geſchlagen hatte. Ich aͤrgerte mich uͤber die langſame Zeit, aber uͤber das Gartenthor klettern, wie geſtern, mochte ich wegen der guten Lebensart nicht. Ich ging daher ein Weilchen auf dem einſamen Platze auf und ab, und ſetzte mich endlich wieder auf den ſteinernen Brunnen voll Gedanken und ſtiller Erwartung hin. Die Sterne funkelten am Himmel, auf dem Platze war alles leer und ſtill, ich hoͤrte voll Vergnuͤgen dem Geſange der ſchoͤnen Frau zu, der zwiſchen dem Rau¬ ſchen des Brunnens aus dem Garten heruͤberklang. Da erblickt ich auf einmal eine weiße Geſtalt, die von der andern Seite des Platzes herkam, und grade auf die kleine Gartenthuͤr zuging. Ich blickte durch den Mond¬ flimmer recht ſcharf hin — es war der wilde Maler in ſeinem weißen Mantel. Er zog ſchnell einen Schluͤſſel hervor, ſchloß auf, und ehe ich mich's verſah, war er im Garten drinn. Nun hatte ich gegen den Maler ſchon von Anfang

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/114>, abgerufen am 23.11.2024.