Pommeranzen wachsen." -- "Ach was gehn mich seine Pommeranzen an!" sagte der Bauer da, und schritt wacker wieder weiter. Ich hätte dem Manne mehr Konduite zugetraut, denn er sah recht stattlich aus.
Was war nun zu machen? Wieder umkehren und in mein Dorf zurückgehn? Da hätten die Leute mit den Fingern auf mich gewiesen, und die Jungen wä¬ ren um mich herumgesprungen: Ey, tausend willkom¬ men aus der Welt! wie sieht es denn aus in der Welt? hat er uns nicht Pfefferkuchen mitgebracht aus der Welt? -- Der Portier mit der kurfürstlichen Nase, welcher überhaupt viele Kenntnisse von der Welt¬ geschichte hatte, sagte oft zu mir: "Werthgeschätzter Herr Einnehmer! Italien ist ein schönes Land, da sorgt der liebe Gott für alles, da kann man sich im Son¬ nenschein auf den Rücken legen, so wachsen einem die Rosinen ins Maul, und wenn einen die Tarantel beißt, so tanzt man mit ungemeiner Gelenkigkeit, wenn man auch sonst nicht tanzen gelernt hat." -- Nein, nach Italien, nach Italien! rief ich voller Vergnügen aus, und rannte, ohne an die verschiedenen Wege zu denken, auf der Straße fort, die mir eben vor die Füße kam.
Als ich eine Strecke so fort gewandert war, sah ich rechts von der Straße einen sehr schönen Baum¬ garten, wo die Morgensonne so lustig zwischen den Stämmen und Wipfeln hindurch schimmerte, daß es aussah, als wäre der Rasen mit goldenen Teppichen belegt. Da ich keinen Menschen erblickte, stieg ich über
C 2
Pommeranzen wachſen.“ — „Ach was gehn mich ſeine Pommeranzen an!“ ſagte der Bauer da, und ſchritt wacker wieder weiter. Ich haͤtte dem Manne mehr Konduite zugetraut, denn er ſah recht ſtattlich aus.
Was war nun zu machen? Wieder umkehren und in mein Dorf zuruͤckgehn? Da haͤtten die Leute mit den Fingern auf mich gewieſen, und die Jungen waͤ¬ ren um mich herumgeſprungen: Ey, tauſend willkom¬ men aus der Welt! wie ſieht es denn aus in der Welt? hat er uns nicht Pfefferkuchen mitgebracht aus der Welt? — Der Portier mit der kurfuͤrſtlichen Naſe, welcher uͤberhaupt viele Kenntniſſe von der Welt¬ geſchichte hatte, ſagte oft zu mir: „Werthgeſchaͤtzter Herr Einnehmer! Italien iſt ein ſchoͤnes Land, da ſorgt der liebe Gott fuͤr alles, da kann man ſich im Son¬ nenſchein auf den Ruͤcken legen, ſo wachſen einem die Roſinen ins Maul, und wenn einen die Tarantel beißt, ſo tanzt man mit ungemeiner Gelenkigkeit, wenn man auch ſonſt nicht tanzen gelernt hat.“ — Nein, nach Italien, nach Italien! rief ich voller Vergnuͤgen aus, und rannte, ohne an die verſchiedenen Wege zu denken, auf der Straße fort, die mir eben vor die Fuͤße kam.
Als ich eine Strecke ſo fort gewandert war, ſah ich rechts von der Straße einen ſehr ſchoͤnen Baum¬ garten, wo die Morgenſonne ſo luſtig zwiſchen den Staͤmmen und Wipfeln hindurch ſchimmerte, daß es ausſah, als waͤre der Raſen mit goldenen Teppichen belegt. Da ich keinen Menſchen erblickte, ſtieg ich uͤber
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0045"n="35"/>
Pommeranzen wachſen.“—„Ach was gehn mich ſeine<lb/>
Pommeranzen an!“ſagte der Bauer da, und ſchritt<lb/>
wacker wieder weiter. Ich haͤtte dem Manne mehr<lb/>
Konduite zugetraut, denn er ſah recht ſtattlich aus.</p><lb/><p>Was war nun zu machen? Wieder umkehren und<lb/>
in mein Dorf zuruͤckgehn? Da haͤtten die Leute mit<lb/>
den Fingern auf mich gewieſen, und die Jungen waͤ¬<lb/>
ren um mich herumgeſprungen: Ey, tauſend willkom¬<lb/>
men aus der Welt! wie ſieht es denn aus in der<lb/>
Welt? hat er uns nicht Pfefferkuchen mitgebracht aus<lb/>
der Welt? — Der Portier mit der kurfuͤrſtlichen<lb/>
Naſe, welcher uͤberhaupt viele Kenntniſſe von der Welt¬<lb/>
geſchichte hatte, ſagte oft zu mir: „Werthgeſchaͤtzter<lb/>
Herr Einnehmer! Italien iſt ein ſchoͤnes Land, da ſorgt<lb/>
der liebe Gott fuͤr alles, da kann man ſich im Son¬<lb/>
nenſchein auf den Ruͤcken legen, ſo wachſen einem die<lb/>
Roſinen ins Maul, und wenn einen die Tarantel<lb/>
beißt, ſo tanzt man mit ungemeiner Gelenkigkeit, wenn<lb/>
man auch ſonſt nicht tanzen gelernt hat.“— Nein,<lb/>
nach Italien, nach Italien! rief ich voller Vergnuͤgen<lb/>
aus, und rannte, ohne an die verſchiedenen Wege zu<lb/>
denken, auf der Straße fort, die mir eben vor die<lb/>
Fuͤße kam.</p><lb/><p>Als ich eine Strecke ſo fort gewandert war, ſah<lb/>
ich rechts von der Straße einen ſehr ſchoͤnen Baum¬<lb/>
garten, wo die Morgenſonne ſo luſtig zwiſchen den<lb/>
Staͤmmen und Wipfeln hindurch ſchimmerte, daß es<lb/>
ausſah, als waͤre der Raſen mit goldenen Teppichen<lb/>
belegt. Da ich keinen Menſchen erblickte, ſtieg ich uͤber<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 2<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[35/0045]
Pommeranzen wachſen.“ — „Ach was gehn mich ſeine
Pommeranzen an!“ ſagte der Bauer da, und ſchritt
wacker wieder weiter. Ich haͤtte dem Manne mehr
Konduite zugetraut, denn er ſah recht ſtattlich aus.
Was war nun zu machen? Wieder umkehren und
in mein Dorf zuruͤckgehn? Da haͤtten die Leute mit
den Fingern auf mich gewieſen, und die Jungen waͤ¬
ren um mich herumgeſprungen: Ey, tauſend willkom¬
men aus der Welt! wie ſieht es denn aus in der
Welt? hat er uns nicht Pfefferkuchen mitgebracht aus
der Welt? — Der Portier mit der kurfuͤrſtlichen
Naſe, welcher uͤberhaupt viele Kenntniſſe von der Welt¬
geſchichte hatte, ſagte oft zu mir: „Werthgeſchaͤtzter
Herr Einnehmer! Italien iſt ein ſchoͤnes Land, da ſorgt
der liebe Gott fuͤr alles, da kann man ſich im Son¬
nenſchein auf den Ruͤcken legen, ſo wachſen einem die
Roſinen ins Maul, und wenn einen die Tarantel
beißt, ſo tanzt man mit ungemeiner Gelenkigkeit, wenn
man auch ſonſt nicht tanzen gelernt hat.“ — Nein,
nach Italien, nach Italien! rief ich voller Vergnuͤgen
aus, und rannte, ohne an die verſchiedenen Wege zu
denken, auf der Straße fort, die mir eben vor die
Fuͤße kam.
Als ich eine Strecke ſo fort gewandert war, ſah
ich rechts von der Straße einen ſehr ſchoͤnen Baum¬
garten, wo die Morgenſonne ſo luſtig zwiſchen den
Staͤmmen und Wipfeln hindurch ſchimmerte, daß es
ausſah, als waͤre der Raſen mit goldenen Teppichen
belegt. Da ich keinen Menſchen erblickte, ſtieg ich uͤber
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/45>, abgerufen am 08.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.