seinem Spazierstöckchen künstlich in der Luft herum¬ focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte, wovon ich aber nichts verstand, weil mir die Augen und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, sah der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfasse und Stößen von Papier und Büchern und einer an¬ sehnlichen Perücke, wie die Eule aus ihrem Nest, auf mich und hob an: "Wie heißt Er? Woher ist Er? Kann Er schreiben, lesen und rechnen?" Da ich das bejahte, versetzte er: "Na, die gnädige Herrschaft hat Ihm, in Betrachtung Seiner guten Aufführung und besondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬ dacht." -- Ich überdachte in der Geschwindigkeit für mich meine bisherige Aufführung und Manieren, und ich mußte gestehen, ich fand am Ende selber, daß der Amtmann Recht hatte. -- Und so war ich denn wirk¬ lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's versah.
Ich bezog nun sogleich meine neue Wohnung und war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬ rere Geräthschaften gefunden, die der selige Einneh¬ mer seinem Nachfolger hinterlassen, unter andern ei¬ nen prächtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten, grüne Pantoffeln, eine Schlafmütze und einige Pfeifen mit langen Röhren. Das alles hatte ich mir schon ein¬ mal gewünscht als ich noch zu Hause war, wo ich im¬ mer unsern Pfarrer so kommode herumgehen sah. Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts) saß ich daher auf dem Bänkchen vor meinem Hause
B
ſeinem Spazierſtoͤckchen kuͤnſtlich in der Luft herum¬ focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte, wovon ich aber nichts verſtand, weil mir die Augen und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, ſah der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfaſſe und Stoͤßen von Papier und Buͤchern und einer an¬ ſehnlichen Peruͤcke, wie die Eule aus ihrem Neſt, auf mich und hob an: „Wie heißt Er? Woher iſt Er? Kann Er ſchreiben, leſen und rechnen?“ Da ich das bejahte, verſetzte er: „Na, die gnaͤdige Herrſchaft hat Ihm, in Betrachtung Seiner guten Auffuͤhrung und beſondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬ dacht.“ — Ich uͤberdachte in der Geſchwindigkeit fuͤr mich meine bisherige Auffuͤhrung und Manieren, und ich mußte geſtehen, ich fand am Ende ſelber, daß der Amtmann Recht hatte. — Und ſo war ich denn wirk¬ lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's verſah.
Ich bezog nun ſogleich meine neue Wohnung und war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬ rere Geraͤthſchaften gefunden, die der ſelige Einneh¬ mer ſeinem Nachfolger hinterlaſſen, unter andern ei¬ nen praͤchtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten, gruͤne Pantoffeln, eine Schlafmuͤtze und einige Pfeifen mit langen Roͤhren. Das alles hatte ich mir ſchon ein¬ mal gewuͤnſcht als ich noch zu Hauſe war, wo ich im¬ mer unſern Pfarrer ſo kommode herumgehen ſah. Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts) ſaß ich daher auf dem Baͤnkchen vor meinem Hauſe
B
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0027"n="17"/>ſeinem Spazierſtoͤckchen kuͤnſtlich in der Luft herum¬<lb/>
focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte,<lb/>
wovon ich aber nichts verſtand, weil mir die Augen<lb/>
und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die<lb/>
Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, ſah<lb/>
der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfaſſe<lb/>
und Stoͤßen von Papier und Buͤchern und einer an¬<lb/>ſehnlichen Peruͤcke, wie die Eule aus ihrem Neſt, auf<lb/>
mich und hob an: „Wie heißt Er? Woher iſt Er?<lb/>
Kann Er ſchreiben, leſen und rechnen?“ Da ich das<lb/>
bejahte, verſetzte er: „Na, die gnaͤdige Herrſchaft hat<lb/>
Ihm, in Betrachtung Seiner guten Auffuͤhrung und<lb/>
beſondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬<lb/>
dacht.“— Ich uͤberdachte in der Geſchwindigkeit fuͤr<lb/>
mich meine bisherige Auffuͤhrung und Manieren, und<lb/>
ich mußte geſtehen, ich fand am Ende ſelber, daß der<lb/>
Amtmann Recht hatte. — Und ſo war ich denn wirk¬<lb/>
lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's verſah.</p><lb/><p>Ich bezog nun ſogleich meine neue Wohnung und<lb/>
war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬<lb/>
rere Geraͤthſchaften gefunden, die der ſelige Einneh¬<lb/>
mer ſeinem Nachfolger hinterlaſſen, unter andern ei¬<lb/>
nen praͤchtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten,<lb/>
gruͤne Pantoffeln, eine Schlafmuͤtze und einige Pfeifen<lb/>
mit langen Roͤhren. Das alles hatte ich mir ſchon ein¬<lb/>
mal gewuͤnſcht als ich noch zu Hauſe war, wo ich im¬<lb/>
mer unſern Pfarrer ſo kommode herumgehen ſah.<lb/>
Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts)<lb/>ſaß ich daher auf dem Baͤnkchen vor meinem Hauſe<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[17/0027]
ſeinem Spazierſtoͤckchen kuͤnſtlich in der Luft herum¬
focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte,
wovon ich aber nichts verſtand, weil mir die Augen
und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die
Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, ſah
der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfaſſe
und Stoͤßen von Papier und Buͤchern und einer an¬
ſehnlichen Peruͤcke, wie die Eule aus ihrem Neſt, auf
mich und hob an: „Wie heißt Er? Woher iſt Er?
Kann Er ſchreiben, leſen und rechnen?“ Da ich das
bejahte, verſetzte er: „Na, die gnaͤdige Herrſchaft hat
Ihm, in Betrachtung Seiner guten Auffuͤhrung und
beſondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬
dacht.“ — Ich uͤberdachte in der Geſchwindigkeit fuͤr
mich meine bisherige Auffuͤhrung und Manieren, und
ich mußte geſtehen, ich fand am Ende ſelber, daß der
Amtmann Recht hatte. — Und ſo war ich denn wirk¬
lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's verſah.
Ich bezog nun ſogleich meine neue Wohnung und
war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬
rere Geraͤthſchaften gefunden, die der ſelige Einneh¬
mer ſeinem Nachfolger hinterlaſſen, unter andern ei¬
nen praͤchtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten,
gruͤne Pantoffeln, eine Schlafmuͤtze und einige Pfeifen
mit langen Roͤhren. Das alles hatte ich mir ſchon ein¬
mal gewuͤnſcht als ich noch zu Hauſe war, wo ich im¬
mer unſern Pfarrer ſo kommode herumgehen ſah.
Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts)
ſaß ich daher auf dem Baͤnkchen vor meinem Hauſe
B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/27>, abgerufen am 09.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.