stadt hinausgezogen. Da wallte und wogte alles im Sonntagsputze in der warmen Luft zwischen den lich¬ ten Häusern und wandernden Leierkasten schwärmend hin und zurück. Ich aber saß wie ein Rohrdommel im Schilfe eines einsamen Weihers im Garten und schaukelte mich auf dem Kahne, der dort angebunden war, während die Vesperglocken aus der Stadt über den Garten herüberschallten und die Schwäne auf dem Wasser langsam neben mir hin und her zogen. Mir war zum Sterben bange. --
Während deß hörte ich von weitem allerlei Stim¬ men, lustiges Durcheinandersprechen und Lachen, im¬ mer näher und näher, dann schimmerten roth' und weiße Tücher, Hüte und Federn durch's Grüne, auf einmal kommt ein heller lichter Haufen von jungen Herren und Damen vom Schlosse über die Wiese auf mich los, meine beide Damen mitten unter ihnen. Ich stand auf und wollte weggehen, da erblickte mich die ältere von den schönen Damen. "Ey, das ist ja wie gerufen," rief sie mir mit lachendem Munde zu, "fahr Er uns doch an das jenseitige Ufer über den Teich!" Die Damen stiegen nun eine nach der andern vorsich¬ tig und furchtsam in den Kahn, die Herren halfen ih¬ nen dabei und machten sich ein wenig groß mit ihrer Kühnheit auf dem Wasser. Als sich darauf die Frauen alle auf die Seitenbänke gelagert hatten, stieß ich vom Ufer. Einer von den jungen Herren, der ganz vorn stand, fing unmerklich an zu schaukeln. Da wandten sich die Damen furchtsam hin und her, einige schrien
ſtadt hinausgezogen. Da wallte und wogte alles im Sonntagsputze in der warmen Luft zwiſchen den lich¬ ten Haͤuſern und wandernden Leierkaſten ſchwaͤrmend hin und zuruͤck. Ich aber ſaß wie ein Rohrdommel im Schilfe eines einſamen Weihers im Garten und ſchaukelte mich auf dem Kahne, der dort angebunden war, waͤhrend die Vesperglocken aus der Stadt uͤber den Garten heruͤberſchallten und die Schwaͤne auf dem Waſſer langſam neben mir hin und her zogen. Mir war zum Sterben bange. —
Waͤhrend deß hoͤrte ich von weitem allerlei Stim¬ men, luſtiges Durcheinanderſprechen und Lachen, im¬ mer naͤher und naͤher, dann ſchimmerten roth' und weiße Tuͤcher, Huͤte und Federn durch's Gruͤne, auf einmal kommt ein heller lichter Haufen von jungen Herren und Damen vom Schloſſe uͤber die Wieſe auf mich los, meine beide Damen mitten unter ihnen. Ich ſtand auf und wollte weggehen, da erblickte mich die aͤltere von den ſchoͤnen Damen. „Ey, das iſt ja wie gerufen,“ rief ſie mir mit lachendem Munde zu, „fahr Er uns doch an das jenſeitige Ufer uͤber den Teich!“ Die Damen ſtiegen nun eine nach der andern vorſich¬ tig und furchtſam in den Kahn, die Herren halfen ih¬ nen dabei und machten ſich ein wenig groß mit ihrer Kuͤhnheit auf dem Waſſer. Als ſich darauf die Frauen alle auf die Seitenbaͤnke gelagert hatten, ſtieß ich vom Ufer. Einer von den jungen Herren, der ganz vorn ſtand, fing unmerklich an zu ſchaukeln. Da wandten ſich die Damen furchtſam hin und her, einige ſchrien
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ſtadt hinausgezogen. Da wallte und wogte alles im
Sonntagsputze in der warmen Luft zwiſchen den lich¬
ten Haͤuſern und wandernden Leierkaſten ſchwaͤrmend
hin und zuruͤck. Ich aber ſaß wie ein Rohrdommel
im Schilfe eines einſamen Weihers im Garten und
ſchaukelte mich auf dem Kahne, der dort angebunden
war, waͤhrend die Vesperglocken aus der Stadt uͤber
den Garten heruͤberſchallten und die Schwaͤne auf dem
Waſſer langſam neben mir hin und her zogen. Mir
war zum Sterben bange. —
Waͤhrend deß hoͤrte ich von weitem allerlei Stim¬
men, luſtiges Durcheinanderſprechen und Lachen, im¬
mer naͤher und naͤher, dann ſchimmerten roth' und
weiße Tuͤcher, Huͤte und Federn durch's Gruͤne, auf
einmal kommt ein heller lichter Haufen von jungen
Herren und Damen vom Schloſſe uͤber die Wieſe auf
mich los, meine beide Damen mitten unter ihnen. Ich
ſtand auf und wollte weggehen, da erblickte mich die
aͤltere von den ſchoͤnen Damen. „Ey, das iſt ja wie
gerufen,“ rief ſie mir mit lachendem Munde zu, „fahr
Er uns doch an das jenſeitige Ufer uͤber den Teich!“
Die Damen ſtiegen nun eine nach der andern vorſich¬
tig und furchtſam in den Kahn, die Herren halfen ih¬
nen dabei und machten ſich ein wenig groß mit ihrer
Kuͤhnheit auf dem Waſſer. Als ſich darauf die Frauen
alle auf die Seitenbaͤnke gelagert hatten, ſtieß ich vom
Ufer. Einer von den jungen Herren, der ganz vorn
ſtand, fing unmerklich an zu ſchaukeln. Da wandten
ſich die Damen furchtſam hin und her, einige ſchrien
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/23>, abgerufen am 10.08.2024.
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