da kam der Maler, der mich hierher gebracht hatte, auf mich los. "Hast Du das Mädchen gesprochen?" frug er, "ich seh' sie nun nirgends mehr; das war das Kam¬ mermädchen von der deutschen Gräfin." "Still, still!" erwiederte ich, "die Gräfin ist noch in Rom." "Nun desto besser," sagte der Maler, "so komm und trink' mit uns auf ihre Gesundheit!" und damit zog er mich, wie sehr ich mich auch sträubte, in den Garten zurück.
Da war es unterdeß ganz öde und leer geworden. Die lustigen Gäste wanderten, jeder sein Liebchen am Arm, nach der Stadt zu, und man hörte sie noch durch den stillen Abend zwischen den Weingärten plaudern und lachen, immer ferner und ferner, bis sich endlich die Stimmen tief in dem Thale im Rauschen der Bäume und des Stromes verloren. Ich war nur noch mit meinem Maler, und dem Herrn Eckbrecht -- so hieß der andre junge Maler, der sich vorhin so herum gezankt hatte -- allein oben zurück geblieben. Der Mond schien prächtig im Garten zwischen die hohen dunklen Bäume herein, ein Licht flackerte im Winde auf dem Tische vor uns und schimmerte über den vielen ver¬ goßnen Wein auf der Tafel. Ich mußte mich mit hin¬ setzen und mein Maler plauderte mit mir über meine Herkunft, meine Reise, und meinen Lebensplan. Herr Eckbrecht aber hatte das junge hübsche Mädchen aus dem Wirthshause, nachdem sie uns Flaschen auf den Tisch gestellt, vor sich auf den Schoß genommen, legte ihr die Guitarre in den Arm, und lehrte sie ein Lied¬
da kam der Maler, der mich hierher gebracht hatte, auf mich los. „Haſt Du das Maͤdchen geſprochen?“ frug er, „ich ſeh' ſie nun nirgends mehr; das war das Kam¬ mermaͤdchen von der deutſchen Graͤfin.“ „Still, ſtill!“ erwiederte ich, „die Graͤfin iſt noch in Rom.“ „Nun deſto beſſer,“ ſagte der Maler, „ſo komm und trink' mit uns auf ihre Geſundheit!“ und damit zog er mich, wie ſehr ich mich auch ſtraͤubte, in den Garten zuruͤck.
Da war es unterdeß ganz oͤde und leer geworden. Die luſtigen Gaͤſte wanderten, jeder ſein Liebchen am Arm, nach der Stadt zu, und man hoͤrte ſie noch durch den ſtillen Abend zwiſchen den Weingaͤrten plaudern und lachen, immer ferner und ferner, bis ſich endlich die Stimmen tief in dem Thale im Rauſchen der Baͤume und des Stromes verloren. Ich war nur noch mit meinem Maler, und dem Herrn Eckbrecht — ſo hieß der andre junge Maler, der ſich vorhin ſo herum gezankt hatte — allein oben zuruͤck geblieben. Der Mond ſchien praͤchtig im Garten zwiſchen die hohen dunklen Baͤume herein, ein Licht flackerte im Winde auf dem Tiſche vor uns und ſchimmerte uͤber den vielen ver¬ goßnen Wein auf der Tafel. Ich mußte mich mit hin¬ ſetzen und mein Maler plauderte mit mir uͤber meine Herkunft, meine Reiſe, und meinen Lebensplan. Herr Eckbrecht aber hatte das junge huͤbſche Maͤdchen aus dem Wirthshauſe‚ nachdem ſie uns Flaſchen auf den Tiſch geſtellt, vor ſich auf den Schoß genommen, legte ihr die Guitarre in den Arm‚ und lehrte ſie ein Lied¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0110"n="100"/>
da kam der Maler, der mich hierher gebracht hatte, auf<lb/>
mich los. „Haſt Du das Maͤdchen geſprochen?“ frug<lb/>
er, „ich ſeh' ſie nun nirgends mehr; das war das Kam¬<lb/>
mermaͤdchen von der deutſchen Graͤfin.“„Still, ſtill!“<lb/>
erwiederte ich, „die Graͤfin iſt noch in Rom.“<choice><sic/><corr>„</corr></choice>Nun<lb/>
deſto beſſer,“ſagte der Maler, „ſo komm und trink'<lb/>
mit uns auf ihre Geſundheit!“ und damit zog er<lb/>
mich, wie ſehr ich mich auch ſtraͤubte, in den Garten<lb/>
zuruͤck.</p><lb/><p>Da war es unterdeß ganz oͤde und leer geworden.<lb/>
Die luſtigen Gaͤſte wanderten, jeder ſein Liebchen am<lb/>
Arm, nach der Stadt zu, und man hoͤrte ſie noch durch<lb/>
den ſtillen Abend zwiſchen den Weingaͤrten plaudern<lb/>
und lachen, immer ferner und ferner, bis ſich endlich<lb/>
die Stimmen tief in dem Thale im Rauſchen der<lb/>
Baͤume und des Stromes verloren. Ich war nur noch<lb/>
mit meinem Maler, und dem Herrn Eckbrecht —ſo<lb/>
hieß der andre junge Maler, der ſich vorhin ſo herum<lb/>
gezankt hatte — allein oben zuruͤck geblieben. Der Mond<lb/>ſchien praͤchtig im Garten zwiſchen die hohen dunklen<lb/>
Baͤume herein, ein Licht flackerte im Winde auf dem<lb/>
Tiſche vor uns und ſchimmerte uͤber den vielen ver¬<lb/>
goßnen Wein auf der Tafel. Ich mußte mich mit hin¬<lb/>ſetzen und mein Maler plauderte mit mir uͤber meine<lb/>
Herkunft, meine Reiſe, und meinen Lebensplan. Herr<lb/>
Eckbrecht aber hatte das junge huͤbſche Maͤdchen aus<lb/>
dem Wirthshauſe‚ nachdem ſie uns Flaſchen auf den<lb/>
Tiſch geſtellt, vor ſich auf den Schoß genommen, legte<lb/>
ihr die Guitarre in den Arm‚ und lehrte ſie ein Lied¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[100/0110]
da kam der Maler, der mich hierher gebracht hatte, auf
mich los. „Haſt Du das Maͤdchen geſprochen?“ frug
er, „ich ſeh' ſie nun nirgends mehr; das war das Kam¬
mermaͤdchen von der deutſchen Graͤfin.“ „Still, ſtill!“
erwiederte ich, „die Graͤfin iſt noch in Rom.“ „Nun
deſto beſſer,“ ſagte der Maler, „ſo komm und trink'
mit uns auf ihre Geſundheit!“ und damit zog er
mich, wie ſehr ich mich auch ſtraͤubte, in den Garten
zuruͤck.
Da war es unterdeß ganz oͤde und leer geworden.
Die luſtigen Gaͤſte wanderten, jeder ſein Liebchen am
Arm, nach der Stadt zu, und man hoͤrte ſie noch durch
den ſtillen Abend zwiſchen den Weingaͤrten plaudern
und lachen, immer ferner und ferner, bis ſich endlich
die Stimmen tief in dem Thale im Rauſchen der
Baͤume und des Stromes verloren. Ich war nur noch
mit meinem Maler, und dem Herrn Eckbrecht — ſo
hieß der andre junge Maler, der ſich vorhin ſo herum
gezankt hatte — allein oben zuruͤck geblieben. Der Mond
ſchien praͤchtig im Garten zwiſchen die hohen dunklen
Baͤume herein, ein Licht flackerte im Winde auf dem
Tiſche vor uns und ſchimmerte uͤber den vielen ver¬
goßnen Wein auf der Tafel. Ich mußte mich mit hin¬
ſetzen und mein Maler plauderte mit mir uͤber meine
Herkunft, meine Reiſe, und meinen Lebensplan. Herr
Eckbrecht aber hatte das junge huͤbſche Maͤdchen aus
dem Wirthshauſe‚ nachdem ſie uns Flaſchen auf den
Tiſch geſtellt, vor ſich auf den Schoß genommen, legte
ihr die Guitarre in den Arm‚ und lehrte ſie ein Lied¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/110>, abgerufen am 13.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.