Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.bei unserm Regiment sie alle kannten, wurden wir commandirt, ihr nachzusetzen. Das war eine lustige Jagd, wir strichen wie die Füchse auf allen Diebswegen und schüttelten jeden Baum, ob das saubere Früchtchen nicht herabfiel. So kamen wir am folgenden Abend -- es war gerade ein Sonntag -- in ein kleines Städtchen; da war großes Gewirr auf dem Platz, ein Stoßen und Drängen und Lärm von Trommeln und Pfeifen, in allen Fenstern lagen Damen wie ein Blumengeländer bis an die Dächer herauf, wo die Schornsteinfeger aus den Rauchfängen guckten und vor Lust ihre Besen schwangen. An des Burgemeisters Hause aber war vom Balkon ein Seil gespannt über die Stadt und die Gärten weg bis zum Waldberg jenseits überm Fluß. Ein schlanker Bursch stand auf dem Geländer des Balkons in flimmernder spanischer Tracht mit wallenden Locken. Der alte Burgemeister schien wie vernarrt in das blanke Püppchen, plauderte und nickte ihm freundlich zu, daß die Sonne in den Edelsteinen seines kostbaren Hutes spielte, der Bursch reckte ihm lachend den Fuß hin, er mußte ihm mit einem großen Stück Kreide die Sohlen einreiben. Auf einmal wendet er sich herum -- Das ist Sinka! ruf' ich erstaunt meinen Kameraden zu. Aber sie hatte uns auch schon bemerkt, und eh' wir uns durchdrängen können, nimmt sie rasch dem Burgemeister den kostbaren Hut von der Glatze, drückt sich ihn auf die Locken und zierlich mit zwei bunten Fähnchen schwenkend und grüßend schreitet sie unter bei unserm Regiment sie alle kannten, wurden wir commandirt, ihr nachzusetzen. Das war eine lustige Jagd, wir strichen wie die Füchse auf allen Diebswegen und schüttelten jeden Baum, ob das saubere Früchtchen nicht herabfiel. So kamen wir am folgenden Abend — es war gerade ein Sonntag — in ein kleines Städtchen; da war großes Gewirr auf dem Platz, ein Stoßen und Drängen und Lärm von Trommeln und Pfeifen, in allen Fenstern lagen Damen wie ein Blumengeländer bis an die Dächer herauf, wo die Schornsteinfeger aus den Rauchfängen guckten und vor Lust ihre Besen schwangen. An des Burgemeisters Hause aber war vom Balkon ein Seil gespannt über die Stadt und die Gärten weg bis zum Waldberg jenseits überm Fluß. Ein schlanker Bursch stand auf dem Geländer des Balkons in flimmernder spanischer Tracht mit wallenden Locken. Der alte Burgemeister schien wie vernarrt in das blanke Püppchen, plauderte und nickte ihm freundlich zu, daß die Sonne in den Edelsteinen seines kostbaren Hutes spielte, der Bursch reckte ihm lachend den Fuß hin, er mußte ihm mit einem großen Stück Kreide die Sohlen einreiben. Auf einmal wendet er sich herum — Das ist Sinka! ruf' ich erstaunt meinen Kameraden zu. Aber sie hatte uns auch schon bemerkt, und eh' wir uns durchdrängen können, nimmt sie rasch dem Burgemeister den kostbaren Hut von der Glatze, drückt sich ihn auf die Locken und zierlich mit zwei bunten Fähnchen schwenkend und grüßend schreitet sie unter <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0061"/> bei unserm Regiment sie alle kannten, wurden wir commandirt, ihr nachzusetzen. Das war eine lustige Jagd, wir strichen wie die Füchse auf allen Diebswegen und schüttelten jeden Baum, ob das saubere Früchtchen nicht herabfiel. So kamen wir am folgenden Abend — es war gerade ein Sonntag — in ein kleines Städtchen; da war großes Gewirr auf dem Platz, ein Stoßen und Drängen und Lärm von Trommeln und Pfeifen, in allen Fenstern lagen Damen wie ein Blumengeländer bis an die Dächer herauf, wo die Schornsteinfeger aus den Rauchfängen guckten und vor Lust ihre Besen schwangen. An des Burgemeisters Hause aber war vom Balkon ein Seil gespannt über die Stadt und die Gärten weg bis zum Waldberg jenseits überm Fluß. Ein schlanker Bursch stand auf dem Geländer des Balkons in flimmernder spanischer Tracht mit wallenden Locken. Der alte Burgemeister schien wie vernarrt in das blanke Püppchen, plauderte und nickte ihm freundlich zu, daß die Sonne in den Edelsteinen seines kostbaren Hutes spielte, der Bursch reckte ihm lachend den Fuß hin, er mußte ihm mit einem großen Stück Kreide die Sohlen einreiben. Auf einmal wendet er sich herum — Das ist Sinka! ruf' ich erstaunt meinen Kameraden zu. Aber sie hatte uns auch schon bemerkt, und eh' wir uns durchdrängen können, nimmt sie rasch dem Burgemeister den kostbaren Hut von der Glatze, drückt sich ihn auf die Locken und zierlich mit zwei bunten Fähnchen schwenkend und grüßend schreitet sie unter<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
bei unserm Regiment sie alle kannten, wurden wir commandirt, ihr nachzusetzen. Das war eine lustige Jagd, wir strichen wie die Füchse auf allen Diebswegen und schüttelten jeden Baum, ob das saubere Früchtchen nicht herabfiel. So kamen wir am folgenden Abend — es war gerade ein Sonntag — in ein kleines Städtchen; da war großes Gewirr auf dem Platz, ein Stoßen und Drängen und Lärm von Trommeln und Pfeifen, in allen Fenstern lagen Damen wie ein Blumengeländer bis an die Dächer herauf, wo die Schornsteinfeger aus den Rauchfängen guckten und vor Lust ihre Besen schwangen. An des Burgemeisters Hause aber war vom Balkon ein Seil gespannt über die Stadt und die Gärten weg bis zum Waldberg jenseits überm Fluß. Ein schlanker Bursch stand auf dem Geländer des Balkons in flimmernder spanischer Tracht mit wallenden Locken. Der alte Burgemeister schien wie vernarrt in das blanke Püppchen, plauderte und nickte ihm freundlich zu, daß die Sonne in den Edelsteinen seines kostbaren Hutes spielte, der Bursch reckte ihm lachend den Fuß hin, er mußte ihm mit einem großen Stück Kreide die Sohlen einreiben. Auf einmal wendet er sich herum — Das ist Sinka! ruf' ich erstaunt meinen Kameraden zu. Aber sie hatte uns auch schon bemerkt, und eh' wir uns durchdrängen können, nimmt sie rasch dem Burgemeister den kostbaren Hut von der Glatze, drückt sich ihn auf die Locken und zierlich mit zwei bunten Fähnchen schwenkend und grüßend schreitet sie unter
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/61 |
Zitationshilfe: | Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/61>, abgerufen am 17.07.2024. |