Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Wams und reichte es mit vornehm zugekniffenen Augen über die Achsel den Andern hin. Der Landsknecht nahm es hastig und las: "Im Garten bei Nacht -- Das Lusthaus ohne Wacht -- Sturmleitern daran -- Cupido führt an -- Um Mitternacht Runde -- Parol: Adelgunde." -- Das klappt ja wie ein Trommelwirbel, sagte der Landsknecht, indem er, den Brief zurückgebend, neugierig noch näher rückte, ja, Cupido hat schon Manchen angeführt, nur weiter, weiter! Kurz: um Mitternacht bin ich auf meinem Posten, hub Schreckenberger wieder an, im Garten nichts als Mondschein, große Stille, das Lusthaus wie's im Briefe steht, droben ein offnes Fenster auf dem Dach, drunten eine Leiter, ich weiß nicht mehr ob von Sandelholz oder Seide oder Frauenhaaren. Ich fackle nicht lange, die Büchse auf dem Rücken, in jeder Hand ein Pistol, den blanken Säbel zwischen den Zähnen, so klettr' ich hinauf -- Also du warst es doch! fiel hier der Landsknecht verwundert ein. Nun wer denn sonst? erwiderte Schreckenberger, und Jasmin, wie ich hinaufsteige, Rose von Jericho, Hollunder, Jelängerjelieber, alles umhals't und umschlingt mich vor Freuden, das riß sich ordentlich um mich, daß ich die Sporen nicht nachbringen konnte, und vom Fenster droben hoben mich plötzlich zwei alabasterne Schwanen-Arme aus dem Brunnen der Nacht, und über mir ein prächtiges Gewitter von schwarzen Locken, da blitzen Wams und reichte es mit vornehm zugekniffenen Augen über die Achsel den Andern hin. Der Landsknecht nahm es hastig und las: „Im Garten bei Nacht — Das Lusthaus ohne Wacht — Sturmleitern daran — Cupido führt an — Um Mitternacht Runde — Parol: Adelgunde.“ — Das klappt ja wie ein Trommelwirbel, sagte der Landsknecht, indem er, den Brief zurückgebend, neugierig noch näher rückte, ja, Cupido hat schon Manchen angeführt, nur weiter, weiter! Kurz: um Mitternacht bin ich auf meinem Posten, hub Schreckenberger wieder an, im Garten nichts als Mondschein, große Stille, das Lusthaus wie's im Briefe steht, droben ein offnes Fenster auf dem Dach, drunten eine Leiter, ich weiß nicht mehr ob von Sandelholz oder Seide oder Frauenhaaren. Ich fackle nicht lange, die Büchse auf dem Rücken, in jeder Hand ein Pistol, den blanken Säbel zwischen den Zähnen, so klettr' ich hinauf — Also du warst es doch! fiel hier der Landsknecht verwundert ein. Nun wer denn sonst? erwiderte Schreckenberger, und Jasmin, wie ich hinaufsteige, Rose von Jericho, Hollunder, Jelängerjelieber, alles umhals't und umschlingt mich vor Freuden, das riß sich ordentlich um mich, daß ich die Sporen nicht nachbringen konnte, und vom Fenster droben hoben mich plötzlich zwei alabasterne Schwanen-Arme aus dem Brunnen der Nacht, und über mir ein prächtiges Gewitter von schwarzen Locken, da blitzen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0058"/> Wams und reichte es mit vornehm zugekniffenen Augen über die Achsel den Andern hin. Der Landsknecht nahm es hastig und las: „Im Garten bei Nacht — Das Lusthaus ohne Wacht — Sturmleitern daran — Cupido führt an — Um Mitternacht Runde — Parol: Adelgunde.“ —</p><lb/> <p>Das klappt ja wie ein Trommelwirbel, sagte der Landsknecht, indem er, den Brief zurückgebend, neugierig noch näher rückte, ja, Cupido hat schon Manchen angeführt, nur weiter, weiter!</p><lb/> <p>Kurz: um Mitternacht bin ich auf meinem Posten, hub Schreckenberger wieder an, im Garten nichts als Mondschein, große Stille, das Lusthaus wie's im Briefe steht, droben ein offnes Fenster auf dem Dach, drunten eine Leiter, ich weiß nicht mehr ob von Sandelholz oder Seide oder Frauenhaaren. Ich fackle nicht lange, die Büchse auf dem Rücken, in jeder Hand ein Pistol, den blanken Säbel zwischen den Zähnen, so klettr' ich hinauf —</p><lb/> <p>Also du warst es doch! fiel hier der Landsknecht verwundert ein.</p><lb/> <p>Nun wer denn sonst? erwiderte Schreckenberger, und Jasmin, wie ich hinaufsteige, Rose von Jericho, Hollunder, Jelängerjelieber, alles umhals't und umschlingt mich vor Freuden, das riß sich ordentlich um mich, daß ich die Sporen nicht nachbringen konnte, und vom Fenster droben hoben mich plötzlich zwei alabasterne Schwanen-Arme aus dem Brunnen der Nacht, und über mir ein prächtiges Gewitter von schwarzen Locken, da blitzen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Wams und reichte es mit vornehm zugekniffenen Augen über die Achsel den Andern hin. Der Landsknecht nahm es hastig und las: „Im Garten bei Nacht — Das Lusthaus ohne Wacht — Sturmleitern daran — Cupido führt an — Um Mitternacht Runde — Parol: Adelgunde.“ —
Das klappt ja wie ein Trommelwirbel, sagte der Landsknecht, indem er, den Brief zurückgebend, neugierig noch näher rückte, ja, Cupido hat schon Manchen angeführt, nur weiter, weiter!
Kurz: um Mitternacht bin ich auf meinem Posten, hub Schreckenberger wieder an, im Garten nichts als Mondschein, große Stille, das Lusthaus wie's im Briefe steht, droben ein offnes Fenster auf dem Dach, drunten eine Leiter, ich weiß nicht mehr ob von Sandelholz oder Seide oder Frauenhaaren. Ich fackle nicht lange, die Büchse auf dem Rücken, in jeder Hand ein Pistol, den blanken Säbel zwischen den Zähnen, so klettr' ich hinauf —
Also du warst es doch! fiel hier der Landsknecht verwundert ein.
Nun wer denn sonst? erwiderte Schreckenberger, und Jasmin, wie ich hinaufsteige, Rose von Jericho, Hollunder, Jelängerjelieber, alles umhals't und umschlingt mich vor Freuden, das riß sich ordentlich um mich, daß ich die Sporen nicht nachbringen konnte, und vom Fenster droben hoben mich plötzlich zwei alabasterne Schwanen-Arme aus dem Brunnen der Nacht, und über mir ein prächtiges Gewitter von schwarzen Locken, da blitzen
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Zitationshilfe: | Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/58>, abgerufen am 17.07.2024. |