Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.IV. Wer einmal tief und durstig hat getrunken, Den zieht zu sich hinab die Wunderquelle, Daß er melodisch mit zieht, selbst als Welle, Auf der die Welt sich bricht in tausend Funken.Es wächst sehnsüchtig, stürzt und leuchtet trunken Jauchzend im Innersten die heil'ge Quelle, Bald Bahn sich brechend durch die Kluft zur Helle, Bald kühle rauschend dann in Nacht versunken.So lass' es ungeduldig brausen, drängen! Hoch schwebt der Dichter drauf in goldnem Nachen, Sich selber heilig opfernd in Gesängen. Die alten Felsen spalten sich mit Krachen, Von drüben grüßen schon verwandte Lieder, Zum ew'gen Meere führt Er alle wieder. V. Nicht Träume sind's und leere Wahn-Gesichte, Was von dem Volk' den Dichter unterscheidet. Was er inbrünstig bildet, liebt und leidet, Es ist des Lebens wahrhafte Geschichte. Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte,
Der eignen Ehr' nur in der Brust vereidet; Denn wo begeistert er die Blicke weidet, Grüßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte. IV. Wer einmal tief und durſtig hat getrunken, Den zieht zu ſich hinab die Wunderquelle, Daß er melodiſch mit zieht, ſelbſt als Welle, Auf der die Welt ſich bricht in tauſend Funken.Es waͤchſt ſehnſuͤchtig, ſtuͤrzt und leuchtet trunken Jauchzend im Innerſten die heil'ge Quelle, Bald Bahn ſich brechend durch die Kluft zur Helle, Bald kuͤhle rauſchend dann in Nacht verſunken.So laſſ' es ungeduldig brauſen, draͤngen! Hoch ſchwebt der Dichter drauf in goldnem Nachen, Sich ſelber heilig opfernd in Geſaͤngen. Die alten Felſen ſpalten ſich mit Krachen, Von druͤben gruͤßen ſchon verwandte Lieder, Zum ew'gen Meere fuͤhrt Er alle wieder. V. Nicht Traͤume ſind's und leere Wahn-Geſichte, Was von dem Volk' den Dichter unterſcheidet. Was er inbruͤnſtig bildet, liebt und leidet, Es iſt des Lebens wahrhafte Geſchichte. Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte,
Der eignen Ehr' nur in der Bruſt vereidet; Denn wo begeiſtert er die Blicke weidet, Gruͤßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0086" n="68"/> <lg> <head><hi rendition="#aq">IV</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Wer einmal tief und durſtig hat getrunken,</l><lb/> <l rendition="#et">Den zieht zu ſich hinab die Wunderquelle,</l><lb/> <l rendition="#et">Daß er melodiſch mit zieht, ſelbſt als Welle,</l><lb/> <l>Auf der die Welt ſich bricht in tauſend Funken.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Es waͤchſt ſehnſuͤchtig, ſtuͤrzt und leuchtet trunken</l><lb/> <l rendition="#et">Jauchzend im Innerſten die heil'ge Quelle,</l><lb/> <l rendition="#et">Bald Bahn ſich brechend durch die Kluft zur Helle,</l><lb/> <l>Bald kuͤhle rauſchend dann in Nacht verſunken.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>So laſſ' es ungeduldig brauſen, draͤngen!</l><lb/> <l rendition="#et">Hoch ſchwebt der Dichter drauf in goldnem Nachen,</l><lb/> <l rendition="#et">Sich ſelber heilig opfernd in Geſaͤngen.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Die alten Felſen ſpalten ſich mit Krachen,</l><lb/> <l rendition="#et">Von druͤben gruͤßen ſchon verwandte Lieder,</l><lb/> <l rendition="#et">Zum ew'gen Meere fuͤhrt Er alle wieder.</l><lb/> </lg> </lg> <lg> <head><hi rendition="#aq">V</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Nicht Traͤume ſind's und leere Wahn-Geſichte,</l><lb/> <l rendition="#et">Was von dem Volk' den Dichter unterſcheidet.</l><lb/> <l rendition="#et">Was er inbruͤnſtig bildet, liebt und leidet,</l><lb/> <l rendition="#et">Es iſt des Lebens wahrhafte Geſchichte.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte,</l><lb/> <l rendition="#et">Der eignen Ehr' nur in der Bruſt vereidet;</l><lb/> <l rendition="#et">Denn wo begeiſtert er die Blicke weidet,</l><lb/> <l rendition="#et">Gruͤßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0086]
IV.
Wer einmal tief und durſtig hat getrunken,
Den zieht zu ſich hinab die Wunderquelle,
Daß er melodiſch mit zieht, ſelbſt als Welle,
Auf der die Welt ſich bricht in tauſend Funken.
Es waͤchſt ſehnſuͤchtig, ſtuͤrzt und leuchtet trunken
Jauchzend im Innerſten die heil'ge Quelle,
Bald Bahn ſich brechend durch die Kluft zur Helle,
Bald kuͤhle rauſchend dann in Nacht verſunken.
So laſſ' es ungeduldig brauſen, draͤngen!
Hoch ſchwebt der Dichter drauf in goldnem Nachen,
Sich ſelber heilig opfernd in Geſaͤngen.
Die alten Felſen ſpalten ſich mit Krachen,
Von druͤben gruͤßen ſchon verwandte Lieder,
Zum ew'gen Meere fuͤhrt Er alle wieder.
V.
Nicht Traͤume ſind's und leere Wahn-Geſichte,
Was von dem Volk' den Dichter unterſcheidet.
Was er inbruͤnſtig bildet, liebt und leidet,
Es iſt des Lebens wahrhafte Geſchichte.
Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte,
Der eignen Ehr' nur in der Bruſt vereidet;
Denn wo begeiſtert er die Blicke weidet,
Gruͤßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte.
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