Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Abschied. O Thäler weit, o Höhen, O schöner grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächt'ger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saus't die geschäft'ge Welt, Schlag' noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben,
Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Ward's unaussprechlich klar. Abſchied. O Thaͤler weit, o Hoͤhen, O ſchoͤner gruͤner Wald, Du meiner Luſt und Wehen Andaͤcht'ger Aufenthalt! Da draußen, ſtets betrogen, Sauſ't die geſchaͤft'ge Welt, Schlag' noch einmal die Bogen Um mich, du gruͤnes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Voͤgel luſtig ſchlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das truͤbe Erdenleid, Da ſollſt du auferſtehen In junger Herrlichkeit! Da ſteht im Wald geſchrieben,
Ein ſtilles, ernſtes Wort Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menſchen Hort. Ich habe treu geleſen Die Worte ſchlicht und wahr, Und durch mein ganzes Weſen Ward's unausſprechlich klar. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0054" n="36"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Abſchied</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">O</hi> Thaͤler weit, o Hoͤhen,</l><lb/> <l>O ſchoͤner gruͤner Wald,</l><lb/> <l>Du meiner Luſt und Wehen</l><lb/> <l>Andaͤcht'ger Aufenthalt!</l><lb/> <l>Da draußen, ſtets betrogen,</l><lb/> <l>Sauſ't die geſchaͤft'ge Welt,</l><lb/> <l>Schlag' noch einmal die Bogen</l><lb/> <l>Um mich, du gruͤnes Zelt!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wenn es beginnt zu tagen,</l><lb/> <l>Die Erde dampft und blinkt,</l><lb/> <l>Die Voͤgel luſtig ſchlagen,</l><lb/> <l>Daß dir dein Herz erklingt:</l><lb/> <l>Da mag vergehn, verwehen</l><lb/> <l>Das truͤbe Erdenleid,</l><lb/> <l>Da ſollſt du auferſtehen</l><lb/> <l>In junger Herrlichkeit!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Da ſteht im Wald geſchrieben,</l><lb/> <l>Ein ſtilles, ernſtes Wort</l><lb/> <l>Von rechtem Thun und Lieben,</l><lb/> <l>Und was des Menſchen Hort.</l><lb/> <l>Ich habe treu geleſen</l><lb/> <l>Die Worte ſchlicht und wahr,</l><lb/> <l>Und durch mein ganzes Weſen</l><lb/> <l>Ward's unausſprechlich klar.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0054]
Abſchied.
O Thaͤler weit, o Hoͤhen,
O ſchoͤner gruͤner Wald,
Du meiner Luſt und Wehen
Andaͤcht'ger Aufenthalt!
Da draußen, ſtets betrogen,
Sauſ't die geſchaͤft'ge Welt,
Schlag' noch einmal die Bogen
Um mich, du gruͤnes Zelt!
Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Voͤgel luſtig ſchlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das truͤbe Erdenleid,
Da ſollſt du auferſtehen
In junger Herrlichkeit!
Da ſteht im Wald geſchrieben,
Ein ſtilles, ernſtes Wort
Von rechtem Thun und Lieben,
Und was des Menſchen Hort.
Ich habe treu geleſen
Die Worte ſchlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Weſen
Ward's unausſprechlich klar.
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