Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,
In schöne Kleider putzt sie sich,
Die Fenster glüh'n, sie winkt vom Schlosse,
Die Sonne sinkt, das blendet Dich.
Die Augen, die so furchtsam waren,
Die haben jetzt so freien Lauf,
Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn steh'n darauf.
Das Kränzlein ist herausgerissen,
Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;
Geh' Du vorbei: sie wird Dich grüßen,
Winkt Dir zu einer schönen Nacht. --
Da sieht sie die Gesellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es singen laut die lust'gen Brüder,
So furchtbar schallt des Einen Gruß:
"Was bist Du für 'ne schöne Leiche!
So wüste ist mir meine Brust,
Wie bist Du nun so arm, Du Reiche,
Ich hab' an Dir nicht weiter Lust!"
Der Wilde hat ihr so gefallen,
Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,
Vom Schloß möcht' sie herunter fallen,
Und unten ruh'n im kühlen Fluß. --
Nun ſitzt ſie hoch auf lichtem Schloſſe,
In ſchoͤne Kleider putzt ſie ſich,
Die Fenſter gluͤh'n, ſie winkt vom Schloſſe,
Die Sonne ſinkt, das blendet Dich.
Die Augen, die ſo furchtſam waren,
Die haben jetzt ſo freien Lauf,
Fort iſt das Kraͤnzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn ſteh'n darauf.
Das Kraͤnzlein iſt herausgeriſſen,
Ganz ohne Scheu ſie mich anlacht;
Geh' Du vorbei: ſie wird Dich gruͤßen,
Winkt Dir zu einer ſchoͤnen Nacht. —
Da ſieht ſie die Geſellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es ſingen laut die luſt'gen Bruͤder,
So furchtbar ſchallt des Einen Gruß:
„Was biſt Du fuͤr 'ne ſchoͤne Leiche!
So wuͤſte iſt mir meine Bruſt,
Wie biſt Du nun ſo arm, Du Reiche,
Ich hab' an Dir nicht weiter Luſt!“
Der Wilde hat ihr ſo gefallen,
Laut ſchrie ſie auf bei ſeinem Gruß,
Vom Schloß moͤcht' ſie herunter fallen,
Und unten ruh'n im kuͤhlen Fluß. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0491" n="473"/>
          <lg type="poem">
            <l>Nun &#x017F;itzt &#x017F;ie hoch auf lichtem Schlo&#x017F;&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>In &#x017F;cho&#x0364;ne Kleider putzt &#x017F;ie &#x017F;ich,</l><lb/>
            <l>Die Fen&#x017F;ter glu&#x0364;h'n, &#x017F;ie winkt vom Schlo&#x017F;&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Die Sonne &#x017F;inkt, das blendet Dich.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Die Augen, die &#x017F;o furcht&#x017F;am waren,</l><lb/>
            <l>Die haben jetzt &#x017F;o freien Lauf,</l><lb/>
            <l>Fort i&#x017F;t das Kra&#x0364;nzlein aus den Haaren,</l><lb/>
            <l>Und hohe Federn &#x017F;teh'n darauf.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Das Kra&#x0364;nzlein i&#x017F;t herausgeri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Ganz ohne Scheu &#x017F;ie mich anlacht;</l><lb/>
            <l>Geh' Du vorbei: &#x017F;ie wird Dich gru&#x0364;ßen,</l><lb/>
            <l>Winkt Dir zu einer &#x017F;cho&#x0364;nen Nacht. &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Da &#x017F;ieht &#x017F;ie die Ge&#x017F;ellen wieder,</l><lb/>
            <l>Die fahren unten auf dem Fluß,</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;ingen laut die lu&#x017F;t'gen Bru&#x0364;der,</l><lb/>
            <l>So furchtbar &#x017F;challt des Einen Gruß:</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Was bi&#x017F;t Du fu&#x0364;r 'ne &#x017F;cho&#x0364;ne Leiche!</l><lb/>
            <l>So wu&#x0364;&#x017F;te i&#x017F;t mir meine Bru&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Wie bi&#x017F;t Du nun &#x017F;o arm, Du Reiche,</l><lb/>
            <l>Ich hab' an Dir nicht weiter Lu&#x017F;t!&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Der Wilde hat ihr &#x017F;o gefallen,</l><lb/>
            <l>Laut &#x017F;chrie &#x017F;ie auf bei &#x017F;einem Gruß,</l><lb/>
            <l>Vom Schloß mo&#x0364;cht' &#x017F;ie herunter fallen,</l><lb/>
            <l>Und unten ruh'n im ku&#x0364;hlen Fluß. &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0491] Nun ſitzt ſie hoch auf lichtem Schloſſe, In ſchoͤne Kleider putzt ſie ſich, Die Fenſter gluͤh'n, ſie winkt vom Schloſſe, Die Sonne ſinkt, das blendet Dich. Die Augen, die ſo furchtſam waren, Die haben jetzt ſo freien Lauf, Fort iſt das Kraͤnzlein aus den Haaren, Und hohe Federn ſteh'n darauf. Das Kraͤnzlein iſt herausgeriſſen, Ganz ohne Scheu ſie mich anlacht; Geh' Du vorbei: ſie wird Dich gruͤßen, Winkt Dir zu einer ſchoͤnen Nacht. — Da ſieht ſie die Geſellen wieder, Die fahren unten auf dem Fluß, Es ſingen laut die luſt'gen Bruͤder, So furchtbar ſchallt des Einen Gruß: „Was biſt Du fuͤr 'ne ſchoͤne Leiche! So wuͤſte iſt mir meine Bruſt, Wie biſt Du nun ſo arm, Du Reiche, Ich hab' an Dir nicht weiter Luſt!“ Der Wilde hat ihr ſo gefallen, Laut ſchrie ſie auf bei ſeinem Gruß, Vom Schloß moͤcht' ſie herunter fallen, Und unten ruh'n im kuͤhlen Fluß. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/491
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/491>, abgerufen am 22.11.2024.