Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
"Solch' Augen hat das meine,
Ach meines bist Du nicht,
Das ruht ja unter'm Steine,
Den niemand mehr zerbricht.
Ich weiß nicht, was mir grauset,
Blick' nicht so fremd auf mich!
Ich wollt', ich wär' zu Hause,
Nach Hause führ' ich Dich."
Sie geh'n nun miteinander,
So trübe weht der Wind,
Die Fraue sprach im Wandern:
"Ich weiß nicht, wo wir sind.
Wen tragen sie beim Scheine
Der Fackeln durch die Schluft?
O Gott, der stürzt' vom Steine
Sich todt in dieser Kluft!"
Das Kind sagt: "Den sie tragen,
Dein Bräut'gam heute war,
Er hat meinen Vater erschlagen,
'S ist diese Stund' ein Jahr.
Wir alle müssen's büßen,
Bald wird es besser sein,
Der Vater läßt Dich grüßen,
Mein liebes Mütterlein."
„Solch' Augen hat das meine,
Ach meines biſt Du nicht,
Das ruht ja unter'm Steine,
Den niemand mehr zerbricht.
Ich weiß nicht, was mir grauſet,
Blick' nicht ſo fremd auf mich!
Ich wollt', ich waͤr' zu Hauſe,
Nach Hauſe fuͤhr' ich Dich.“
Sie geh'n nun miteinander,
So truͤbe weht der Wind,
Die Fraue ſprach im Wandern:
„Ich weiß nicht, wo wir ſind.
Wen tragen ſie beim Scheine
Der Fackeln durch die Schluft?
O Gott, der ſtuͤrzt' vom Steine
Sich todt in dieſer Kluft!“
Das Kind ſagt: „Den ſie tragen,
Dein Braͤut'gam heute war,
Er hat meinen Vater erſchlagen,
'S iſt dieſe Stund' ein Jahr.
Wir alle muͤſſen's buͤßen,
Bald wird es beſſer ſein,
Der Vater laͤßt Dich gruͤßen,
Mein liebes Muͤtterlein.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0465" n="447"/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Solch' Augen hat das meine,</l><lb/>
            <l>Ach meines bi&#x017F;t Du nicht,</l><lb/>
            <l>Das ruht ja unter'm Steine,</l><lb/>
            <l>Den niemand mehr zerbricht.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Ich weiß nicht, was mir grau&#x017F;et,</l><lb/>
            <l>Blick' nicht &#x017F;o fremd auf mich!</l><lb/>
            <l>Ich wollt', ich wa&#x0364;r' zu Hau&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Nach Hau&#x017F;e fu&#x0364;hr' ich Dich.&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Sie geh'n nun miteinander,</l><lb/>
            <l>So tru&#x0364;be weht der Wind,</l><lb/>
            <l>Die Fraue &#x017F;prach im Wandern:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ich weiß nicht, wo wir &#x017F;ind.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Wen tragen &#x017F;ie beim Scheine</l><lb/>
            <l>Der Fackeln durch die Schluft?</l><lb/>
            <l>O Gott, der &#x017F;tu&#x0364;rzt' vom Steine</l><lb/>
            <l>Sich todt in die&#x017F;er Kluft!&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Das Kind &#x017F;agt: &#x201E;Den &#x017F;ie tragen,</l><lb/>
            <l>Dein Bra&#x0364;ut'gam heute war,</l><lb/>
            <l>Er hat meinen Vater er&#x017F;chlagen,</l><lb/>
            <l>'S i&#x017F;t die&#x017F;e Stund' ein Jahr.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Wir alle mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en's bu&#x0364;ßen,</l><lb/>
            <l>Bald wird es be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ein,</l><lb/>
            <l>Der Vater la&#x0364;ßt Dich gru&#x0364;ßen,</l><lb/>
            <l>Mein liebes Mu&#x0364;tterlein.&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0465] „Solch' Augen hat das meine, Ach meines biſt Du nicht, Das ruht ja unter'm Steine, Den niemand mehr zerbricht. Ich weiß nicht, was mir grauſet, Blick' nicht ſo fremd auf mich! Ich wollt', ich waͤr' zu Hauſe, Nach Hauſe fuͤhr' ich Dich.“ Sie geh'n nun miteinander, So truͤbe weht der Wind, Die Fraue ſprach im Wandern: „Ich weiß nicht, wo wir ſind. Wen tragen ſie beim Scheine Der Fackeln durch die Schluft? O Gott, der ſtuͤrzt' vom Steine Sich todt in dieſer Kluft!“ Das Kind ſagt: „Den ſie tragen, Dein Braͤut'gam heute war, Er hat meinen Vater erſchlagen, 'S iſt dieſe Stund' ein Jahr. Wir alle muͤſſen's buͤßen, Bald wird es beſſer ſein, Der Vater laͤßt Dich gruͤßen, Mein liebes Muͤtterlein.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/465
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/465>, abgerufen am 25.11.2024.