Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Und wie sie so grauenvoll klagte,
Klopft's draußen an's Fensterlein,
Ein Mann aus der Finsterniß ragte,
Schaut still in die Stube herein.
Die Haare wild umgehangen,
Von blutigen Tropfen naß,
Zwei blutige Streifen sich schlangen,
Wie Kränzlein, um's Antlitz blaß.
Er grüßt' sie so fürchterlich heiter,
Er heißt sie sein' liebliche Braut,
Da kannt' sie mit Schaudern den Reiter,
Fällt nieder auf ihre Knie.
Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter,
Auf die schneeweiße Brust hin;
"Ach, wie ist das Sterben so bitter,
Erbarm' dich, weil ich so jung noch bin!" --
Stumm blieb sein steinerner Wille,
Es blitzte so rosenroth,
Da wurd' es auf einmal stille
Im Walde und Haus und Hof. --
Frühmorgens da lag so schaurig
Verfallen im Walde das Haus,
Ein Waldvöglein sang so traurig,
Flog fort über den See hinaus.

Und wie ſie ſo grauenvoll klagte,
Klopft's draußen an's Fenſterlein,
Ein Mann aus der Finſterniß ragte,
Schaut ſtill in die Stube herein.
Die Haare wild umgehangen,
Von blutigen Tropfen naß,
Zwei blutige Streifen ſich ſchlangen,
Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß.
Er gruͤßt' ſie ſo fuͤrchterlich heiter,
Er heißt ſie ſein' liebliche Braut,
Da kannt' ſie mit Schaudern den Reiter,
Faͤllt nieder auf ihre Knie.
Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter,
Auf die ſchneeweiße Bruſt hin;
„Ach, wie iſt das Sterben ſo bitter,
Erbarm' dich, weil ich ſo jung noch bin!“ —
Stumm blieb ſein ſteinerner Wille,
Es blitzte ſo roſenroth,
Da wurd' es auf einmal ſtille
Im Walde und Haus und Hof. —
Fruͤhmorgens da lag ſo ſchaurig
Verfallen im Walde das Haus,
Ein Waldvoͤglein ſang ſo traurig,
Flog fort uͤber den See hinaus.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0460" n="442"/>
          <lg type="poem">
            <l>Und wie &#x017F;ie &#x017F;o grauenvoll klagte,</l><lb/>
            <l>Klopft's draußen an's Fen&#x017F;terlein,</l><lb/>
            <l>Ein Mann aus der Fin&#x017F;terniß ragte,</l><lb/>
            <l>Schaut &#x017F;till in die Stube herein.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Die Haare wild umgehangen,</l><lb/>
            <l>Von blutigen Tropfen naß,</l><lb/>
            <l>Zwei blutige Streifen &#x017F;ich &#x017F;chlangen,</l><lb/>
            <l>Wie Kra&#x0364;nzlein, um's Antlitz blaß.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Er gru&#x0364;ßt' &#x017F;ie &#x017F;o fu&#x0364;rchterlich heiter,</l><lb/>
            <l>Er heißt &#x017F;ie &#x017F;ein' liebliche Braut,</l><lb/>
            <l>Da kannt' &#x017F;ie mit Schaudern den Reiter,</l><lb/>
            <l>Fa&#x0364;llt nieder auf ihre Knie.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter,</l><lb/>
            <l>Auf die &#x017F;chneeweiße Bru&#x017F;t hin;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ach, wie i&#x017F;t das Sterben &#x017F;o bitter,</l><lb/>
            <l>Erbarm' dich, weil ich &#x017F;o jung noch bin!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Stumm blieb &#x017F;ein &#x017F;teinerner Wille,</l><lb/>
            <l>Es blitzte &#x017F;o ro&#x017F;enroth,</l><lb/>
            <l>Da wurd' es auf einmal &#x017F;tille</l><lb/>
            <l>Im Walde und Haus und Hof. &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Fru&#x0364;hmorgens da lag &#x017F;o &#x017F;chaurig</l><lb/>
            <l>Verfallen im Walde das Haus,</l><lb/>
            <l>Ein Waldvo&#x0364;glein &#x017F;ang &#x017F;o traurig,</l><lb/>
            <l>Flog fort u&#x0364;ber den See hinaus.</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0460] Und wie ſie ſo grauenvoll klagte, Klopft's draußen an's Fenſterlein, Ein Mann aus der Finſterniß ragte, Schaut ſtill in die Stube herein. Die Haare wild umgehangen, Von blutigen Tropfen naß, Zwei blutige Streifen ſich ſchlangen, Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß. Er gruͤßt' ſie ſo fuͤrchterlich heiter, Er heißt ſie ſein' liebliche Braut, Da kannt' ſie mit Schaudern den Reiter, Faͤllt nieder auf ihre Knie. Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter, Auf die ſchneeweiße Bruſt hin; „Ach, wie iſt das Sterben ſo bitter, Erbarm' dich, weil ich ſo jung noch bin!“ — Stumm blieb ſein ſteinerner Wille, Es blitzte ſo roſenroth, Da wurd' es auf einmal ſtille Im Walde und Haus und Hof. — Fruͤhmorgens da lag ſo ſchaurig Verfallen im Walde das Haus, Ein Waldvoͤglein ſang ſo traurig, Flog fort uͤber den See hinaus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/460
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/460>, abgerufen am 25.11.2024.