Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Die falsche Schwester.
Meine Schwester, die spielt' an der Linde --
Stille Zeit, wie so weit, so weit!
Da spielten so schöne Kinder
Mit ihr in der Einsamkeit.
Von ihren Locken verhangen
Schlief sie und lachte im Traum,
Und die schönen Kinder sangen
Die ganze Nacht unter'm Baum.
Die ganze Nacht hat gelogen,
Sie hat mich so falsch gegrüßt,
Die Engel sind fortgeflogen,
Und Haus und Garten steh'n wüst.
Es zittert die alte Linde
Und klaget der Wind so schwer,
Das macht, das macht die Sünde --
Ich wollt', ich läg' im Meer!
Die Sonne ist untergegangen
Und der Mond im tiefen Meer,
Es dunkelt schon über dem Lande,
Gute Nacht! seh' Dich nimmermehr!

Die falſche Schweſter.
Meine Schweſter, die ſpielt' an der Linde —
Stille Zeit, wie ſo weit, ſo weit!
Da ſpielten ſo ſchoͤne Kinder
Mit ihr in der Einſamkeit.
Von ihren Locken verhangen
Schlief ſie und lachte im Traum,
Und die ſchoͤnen Kinder ſangen
Die ganze Nacht unter'm Baum.
Die ganze Nacht hat gelogen,
Sie hat mich ſo falſch gegruͤßt,
Die Engel ſind fortgeflogen,
Und Haus und Garten ſteh'n wuͤſt.
Es zittert die alte Linde
Und klaget der Wind ſo ſchwer,
Das macht, das macht die Suͤnde —
Ich wollt', ich laͤg' im Meer!
Die Sonne iſt untergegangen
Und der Mond im tiefen Meer,
Es dunkelt ſchon uͤber dem Lande,
Gute Nacht! ſeh' Dich nimmermehr!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0456" n="438"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die fal&#x017F;che Schwe&#x017F;ter.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">M</hi>eine Schwe&#x017F;ter, die &#x017F;pielt' an der Linde &#x2014;</l><lb/>
            <l>Stille Zeit, wie &#x017F;o weit, &#x017F;o weit!</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;pielten &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;ne Kinder</l><lb/>
            <l>Mit ihr in der Ein&#x017F;amkeit.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Von ihren Locken verhangen</l><lb/>
            <l>Schlief &#x017F;ie und lachte im Traum,</l><lb/>
            <l>Und die &#x017F;cho&#x0364;nen Kinder &#x017F;angen</l><lb/>
            <l>Die ganze Nacht unter'm Baum.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Die ganze Nacht hat gelogen,</l><lb/>
            <l>Sie hat mich &#x017F;o fal&#x017F;ch gegru&#x0364;ßt,</l><lb/>
            <l>Die Engel &#x017F;ind fortgeflogen,</l><lb/>
            <l>Und Haus und Garten &#x017F;teh'n wu&#x0364;&#x017F;t.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Es zittert die alte Linde</l><lb/>
            <l>Und klaget der Wind &#x017F;o &#x017F;chwer,</l><lb/>
            <l>Das macht, das macht die Su&#x0364;nde &#x2014;</l><lb/>
            <l>Ich wollt', ich la&#x0364;g' im Meer!</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Die Sonne i&#x017F;t untergegangen</l><lb/>
            <l>Und der Mond im tiefen Meer,</l><lb/>
            <l>Es dunkelt &#x017F;chon u&#x0364;ber dem Lande,</l><lb/>
            <l>Gute Nacht! &#x017F;eh' Dich nimmermehr!</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0456] Die falſche Schweſter. Meine Schweſter, die ſpielt' an der Linde — Stille Zeit, wie ſo weit, ſo weit! Da ſpielten ſo ſchoͤne Kinder Mit ihr in der Einſamkeit. Von ihren Locken verhangen Schlief ſie und lachte im Traum, Und die ſchoͤnen Kinder ſangen Die ganze Nacht unter'm Baum. Die ganze Nacht hat gelogen, Sie hat mich ſo falſch gegruͤßt, Die Engel ſind fortgeflogen, Und Haus und Garten ſteh'n wuͤſt. Es zittert die alte Linde Und klaget der Wind ſo ſchwer, Das macht, das macht die Suͤnde — Ich wollt', ich laͤg' im Meer! Die Sonne iſt untergegangen Und der Mond im tiefen Meer, Es dunkelt ſchon uͤber dem Lande, Gute Nacht! ſeh' Dich nimmermehr!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/456
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/456>, abgerufen am 23.11.2024.