Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
V.
Wie ein todeswunder Streiter,
Der den Weg verloren hat,
Schwank' ich nun und kann nicht weiter
Von dem Leben sterbensmatt.
Nacht schon decket alle Müden
Und so still ist's um mich her,
Herr auch mir gieb endlich Frieden,
Denn ich wünsch' und hoff' nichts mehr.
VI.
Wie oft wollt' mich die Welt ermüden,
Ich beugt' auf's Schwert mein Angesicht
Und bat Dich frevelhaft um Frieden --
Du wußtest's besser, gabst ihn nicht.
Ich sah in Nacht das Land vergehen,
In Blitzen Du die Wetter brachst,
Da konnt' ich schauernd erst verstehen,
Was Du zu mir Erschrock'nen sprachst:
"Meine Lieder sind nicht Deine Lieder,
Leg' ab den falschen Schmuck der Zeit
Und nimm das Kreuz, dann komme wieder
In Deines Herzens Einsamkeit."
Und alle Bilder ferne treten
Und tief noch rauschet kaum die Rund' --
Wie geht ein wunderbares Beten
Mir leuchtend durch der Seele Grund!

V.
Wie ein todeswunder Streiter,
Der den Weg verloren hat,
Schwank' ich nun und kann nicht weiter
Von dem Leben ſterbensmatt.
Nacht ſchon decket alle Muͤden
Und ſo ſtill iſt's um mich her,
Herr auch mir gieb endlich Frieden,
Denn ich wuͤnſch' und hoff' nichts mehr.
VI.
Wie oft wollt' mich die Welt ermuͤden,
Ich beugt' auf's Schwert mein Angeſicht
Und bat Dich frevelhaft um Frieden —
Du wußteſt's beſſer, gabſt ihn nicht.
Ich ſah in Nacht das Land vergehen,
In Blitzen Du die Wetter brachſt,
Da konnt' ich ſchauernd erſt verſtehen,
Was Du zu mir Erſchrock'nen ſprachſt:
„Meine Lieder ſind nicht Deine Lieder,
Leg' ab den falſchen Schmuck der Zeit
Und nimm das Kreuz, dann komme wieder
In Deines Herzens Einſamkeit.“
Und alle Bilder ferne treten
Und tief noch rauſchet kaum die Rund' —
Wie geht ein wunderbares Beten
Mir leuchtend durch der Seele Grund!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0394" n="376"/>
          <lg>
            <head><hi rendition="#aq">V</hi>.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Wie ein todeswunder Streiter,</l><lb/>
              <l>Der den Weg verloren hat,</l><lb/>
              <l>Schwank' ich nun und kann nicht weiter</l><lb/>
              <l>Von dem Leben &#x017F;terbensmatt.</l><lb/>
              <l>Nacht &#x017F;chon decket alle Mu&#x0364;den</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;o &#x017F;till i&#x017F;t's um mich her,</l><lb/>
              <l>Herr auch mir gieb endlich Frieden,</l><lb/>
              <l>Denn ich wu&#x0364;n&#x017F;ch' und hoff' nichts mehr.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <lg>
            <head><hi rendition="#aq">VI</hi>.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Wie oft wollt' mich die Welt ermu&#x0364;den,</l><lb/>
              <l>Ich beugt' auf's Schwert mein Ange&#x017F;icht</l><lb/>
              <l>Und bat Dich frevelhaft um Frieden &#x2014;</l><lb/>
              <l>Du wußte&#x017F;t's be&#x017F;&#x017F;er, gab&#x017F;t ihn nicht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg type="poem">
              <l>Ich &#x017F;ah in Nacht das Land vergehen,</l><lb/>
              <l>In Blitzen Du die Wetter brach&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Da konnt' ich &#x017F;chauernd er&#x017F;t ver&#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>Was Du zu mir Er&#x017F;chrock'nen &#x017F;prach&#x017F;t:</l><lb/>
            </lg>
            <lg type="poem">
              <l>&#x201E;Meine Lieder &#x017F;ind nicht Deine Lieder,</l><lb/>
              <l>Leg' ab den fal&#x017F;chen Schmuck der Zeit</l><lb/>
              <l>Und nimm das Kreuz, dann komme wieder</l><lb/>
              <l>In Deines Herzens Ein&#x017F;amkeit.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg type="poem">
              <l>Und alle Bilder ferne treten</l><lb/>
              <l>Und tief noch rau&#x017F;chet kaum die Rund' &#x2014;</l><lb/>
              <l>Wie geht ein wunderbares Beten</l><lb/>
              <l>Mir leuchtend durch der Seele Grund!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0394] V. Wie ein todeswunder Streiter, Der den Weg verloren hat, Schwank' ich nun und kann nicht weiter Von dem Leben ſterbensmatt. Nacht ſchon decket alle Muͤden Und ſo ſtill iſt's um mich her, Herr auch mir gieb endlich Frieden, Denn ich wuͤnſch' und hoff' nichts mehr. VI. Wie oft wollt' mich die Welt ermuͤden, Ich beugt' auf's Schwert mein Angeſicht Und bat Dich frevelhaft um Frieden — Du wußteſt's beſſer, gabſt ihn nicht. Ich ſah in Nacht das Land vergehen, In Blitzen Du die Wetter brachſt, Da konnt' ich ſchauernd erſt verſtehen, Was Du zu mir Erſchrock'nen ſprachſt: „Meine Lieder ſind nicht Deine Lieder, Leg' ab den falſchen Schmuck der Zeit Und nimm das Kreuz, dann komme wieder In Deines Herzens Einſamkeit.“ Und alle Bilder ferne treten Und tief noch rauſchet kaum die Rund' — Wie geht ein wunderbares Beten Mir leuchtend durch der Seele Grund!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/394
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/394>, abgerufen am 21.11.2024.